Erlangen: "Betroffene müssen ihre Flecken akzeptieren"

26.10.2018, 16:58 Uhr
Erlangen:

© Meyer

Herr Pliszewski, der diesjährige Sommer war intensiv, haben das die Vitiligo-Patienten besonders gespürt?

GeorgPliszewski: Dadurch, dass die Sonne teilweise monatelang geschienen hat, war der Leidensdruck bei etlichen tatsächlich sehr hoch. Im Sommer bräunt zwar die normale, aber nicht die Vitiligo-Haut, der Kontrast wird also noch stärker als er ohnehin schon ist. Bei mir persönlich ist es nicht so. Und das ist das Fatale an der Krankheit: Jeder reagiert anders, der eine braucht Sonnenschutz, der andere nicht.

 

Wie hat die Krankheit denn bei Ihnen begonnen?

Pliszewski:Meine heutige Ehefrau entdeckte vor mehr als 40 Jahren bei mir die ersten hellen Stellen an meinem Hals, die Krankheit breitete sich massiv an Armen und Ellbogen aus. Auch das Gesicht war betroffen. Es ist richtig explodiert, ich war ziemlich fleckig. Bei mir wurden die Flecken unter anderem durch eine Bestrahlungstherapie in Verbindung mit Nahrungsmittelergänzungen besser, bei anderen hilft Kortison, es gibt dagegen kein Patentrezept.

 

Die Weißfleckenkrankheit ist also sehr individuell.

Pliszewski: Ja, sehr individuell. Die Ausprägungen sind verschieden, so gibt es unterschiedliche Helligkeiten der Haut, es ist mehr als ein rein kosmetisches Problem. Es ist eine Krankheit, die seit 2002 von der Weltgesundheitsorganisation anerkannt ist. In bestimmten Fällen wird sie auch als Schwerbehinderung eingestuft; das ist meistens dann der Fall, wenn die Krankheit die Psyche mit belastet. Es gibt Patienten, die sich mit ihren Flecken nicht mehr vor die Tür trauen.

 

Können Sie die Betroffenen, die seelisch unter den Flecken leiden, in der Selbsthilfegruppe unterstützen?

Pliszewski: Die ganz schlimmen Fälle erreichen auch wir nicht, sie trauen sich nicht einmal, zu uns zu kommen. Wenn jemand die Selbsthilfegruppe besucht, ist das schon der erste Schritt auf dem Weg, die eigene Krankheit zu akzeptieren. Erst als ich selbst gesagt habe, ich nehme meine Krankheit an, habe ich 60 Prozent meiner Pigmente zurückbekommen. Die Psyche hat großen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit, dazu gibt es auch Studien.

 

Wo setzen Sie mit Ihrer Selbsthilfearbeit an?

Pliszewski: Wir wollen der Selbstisolation entgegenwirken, die Betroffenen sollen in dem Bereich ihre Lebensqualität behalten. Viele ziehen sich zurück, gehen etwa nicht mehr in die Sonne, weil sie Angst davor haben, dass die Kontraste größer werden. Es gibt Betroffene, die verlassen nie ohne Schminke oder Handschuhe das Haus, aus purer Angst, ihre Flecken  könnten jemandem auffallen.

 

Reagiert die Umwelt denn wirklich so ablehnend auf die Krankheit?

Pliszewski: Ich habe solche negativen Erfahrungen im Beruf- und im Privatleben zwar nie gemacht, aber auch ich hatte zu Beginn meiner Berufstätigkeit im Hochsommer immer langärmelige Hemden getragen, was damals bei Siemens auch üblich war. Ich war geschäftlich oft in der ganzen Welt unterwegs und habe dort auch den ein oder anderen Vitiligo-Patienten getroffen, mit dem ich mich über Ärzte und Therapien ausgetauscht hatte. Wirklich Schlimmes jedoch habe ich ganz im Gegensatz zu anderen Betroffenen aus unserer Selbsthilfegruppe nicht erlebt.

 

Was haben diese denn berichtet?

Pliszewski: Ich erinnere mich an eine junge Kellnerin, von der sich die Gäste nicht bedienen lassen wollten, weil sie Angst vor Ansteckung hatten. Es gibt auch Betroffene, die nicht mehr ins Schwimmbad gehen, obwohl sie das gerne machen.

 

Aber die Weißfleckenkrankheit ist doch nicht ansteckbar.

Pliszewski: Nein, das ist sie nicht, aber es gibt offenbar noch genug Menschen, die das nicht wissen. Bei Begrüßungen bemerkt man schon manchmal, wie der ein oder andere zögert, einem die Hand zu geben. Solche Befürchtungen sind unbegründet.

 

Ist die Krankheit harmlos?

Pliszewski: Ja, das schon, aber man sollte die Krankheit auch nicht verharmlosen. Zum einen sind die psychischen Belastungen für die Betroffenen eben enorm, zum anderen kann bei Patienten auch das Risiko für andere Erkrankungen steigen wie etwa für Diabetes oder Hashimoto-Thyreoiditis.

 

Ist die Krankheit heilbar?

Pliszewski: Nein, das sage ich bei unseren Selbsthilfe-Treffen immer wieder. Die Flecken können besser und die Schübe können schwächer werden, aber es gibt keine Heilung. Das müssen die Kranken akzeptieren.

 

Apropos akzeptieren. Das kanadische Model Winnie Harlow hat ihre Vitiligo-Erkrankung zum Markenzeichen gemacht. Hat das in der Öffentlichkeit für mehr Akzeptanz gesorgt? Prominenz hilft dabei doch oft.

Pliszewski: Ist sie prominent? Sie ist ein Model. Die wirklich Prominenten outen sich ja nicht wie etwa Roberto Blanco. Die wollen nicht, dass man das weiß und sieht. Was meinen Sie, wie viele im Bundestag sitzen?

 

Und zurück zu Winnie Harlow.

Pliszewski: Das ist für mich alles zu geradlinig. Allerdings hat mir ein Experte gesagt, dass es tatsächlich solche gerade Linien gibt. Aber

heutzutage kann man mit Foto-Shop, ohne dass ich irgendjemandem etwas unterstellen möchte, ja einiges machen. Ich weiß nicht, wie die Bilder bearbeitet sind. Angeblich sind sie echt.

 

Aber trägt Winnie Harlow nicht doch zur Aufklärung über die Krankheit bei?

Pliszewski: Sie hat ja Millionen damit gemacht, etwa für ihre Werbung für Desigual und jetzt auch VW. Sie könnte zur Aufklärung schon beitragen, aber Sie kommen an die Frau nicht ran. Ich habe es ja versucht über ihren Manager. Aber da geht es um Geld, Geld, Geld . . .

 

Anlaufstellen für Vitiligo-Patienten 


Die genauen Ursachen für die Entstehung der Weißfleckenkrankheit, auch Vitiligo genannt, sind noch immer unklar. Sicher ist, dass bei der Erkrankung die Melanozysten verschwinden. Das sind die Zellen, die die Hautfarbe produzieren.
Seit langem engagiert sich Georg Pliszewski für Betroffene. So ist der Adelsdorfer 1. Vorstand des Deutschen Vitiligo-Bundes, der enge Kontakte zur Erlanger Hautklinik des Universitätsklinikums pflegt und insbesondere die Öffentlichkeit mehr über die Krankheit aufklären will. Zugleich ist der Siemens-Mitarbeiter seit vielen Jahren Sprecher der Selbsthilfegruppe „Franken“, die sich jeden ersten Mittwoch im Monat in Erlangen trifft. Das nächste Treffen findet am 7. November, 19 Uhr, im Kulturpunkt Bruck (Fröbelstraße 6) statt.
Weitere Informationen gibt es telefonisch unter (0 91 95) 99 39 34 sowie online: mail@vitiligo-franken.de

 

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