Erlangen: Lebenshilfe versorgt Senioren

20.2.2015, 16:00 Uhr
Erlangen: Lebenshilfe versorgt Senioren

© Harald Sippel

Die Lebenshilfe wurde 1958 gegründet. In Erlangen werden in Einrichtungen der Lebenshilfe 34 Senioren versorgt.

Bernhard S. hat eine Schere in der Hand und schnippelt. Er zerschnippelt Zeitungen und Werbeblätter, auf dem Tisch vor ihm häuft sich ein Berg von Papierschnipseln auf. Das ist seine Lieblingsbeschäftigung. Ganze Vormittage verbringt er völlig zufrieden mit dieser Schneidearbeit, während um ihn herum in der Seniorentagesstätte andere Menschen Zeitung lesen, Kaffee trinken oder einfach nur dasitzen.

Der 59-Jährige ist einer der älteren Menschen mit geistiger Behinderung, die in einer der beiden Wohnstätten der Lebenshilfe Erlangen wohnen und tagsüber eine Seniorentagesstätte des Vereins nutzen. Über 100 Wohnheimplätze hat die Lebenshilfe in der Kitzinger Straße und Josef-Will-Straße. Unter den Behinderten sind zunehmend mehr Senioren, während Jüngere inzwischen häufig auch andere Wohnformen wählen — Wohngemeinschaften oder eine eigene Wohnung mit ambulanter Betreuung.

Seit etwa 15 Jahren wird die „Tagesbetreuung für Erwachsene nach dem Erwerbsleben“, kurz: TENE, angeboten. 34 Senioren mit unterschiedlichen Diagnosen, mit mittelgradigen oder schweren geistigen Behinderungen werden — wie Bernhard S. — hier in drei Gruppen versorgt. Wie in der Gesamtbevölkerung gilt: Die Menschen werden immer älter. Vor wenigen Jahren starb ein Bewohner des Heimes mit 84 Jahren. Er war der erste, der die 80 überschritten hatte.

Doch überwiegend sind sie zwischen 50 und 80 Jahre alt, manche richtig fit, andere brauchen verstärkt Pflege. Sie sind gebrechlicher als früher, das Augenlicht und das Gehör werden schlechter — und bei vielen kommt eine Demenz hinzu.

„Die Gruppen sind heterogen“, betont Barbara Ruckdeschel, die Leiterin der Seniorentagesstätte. Die Mitarbeiter von Wohnheim und Tagesbetreuung — viele mit fundiertem pädagogischem Hintergrund — haben zwar zunehmend mehr Arbeit mit der Grundversorgung. Aber die Gemeinschaft wird trotzdem groß geschrieben. „Wir sehen uns hier als die Familie der Menschen.“ Es entstehen, so meint sie, emotionale Bindungen, wie sie im Altenheim nicht existieren.

Der Renteneintritt findet bei Menschen mit geistiger Behinderung oft frühzeitig statt, weiß Stefan Müller, Geschäftsführer der Lebenshilfe Erlangen. Besonders bei Menschen mit Downsyndrom setzt der körperliche Abbau überdurchschnittlich häufig früh ein und schreitet manchmal sehr schnell voran. Die Betroffenen sind dann weitaus ruhebedürftiger, werden oft schon in jüngeren Jahren bettlägrig. Schuld daran ist, verkürzt gesagt, ein Chromosom, das bei ihnen dreifach vorhanden ist und auf dem das Alterungs-Gen sitzt.

Andere, körperliche Einschränkungen wie beispielsweise Herzprobleme, die bei Downsyndrom häufiger auftreten, hat die Medizin dagegen besser im Griff als früher. Ohnehin hat sich viel geändert. Menschen mit geistiger Behinderung sind weitaus mehr als früher in der Gesellschaft angekommen.

Inzwischen passiert es eher selten, dass jemand erst im Alter ins Wohnheim zieht – dann, wenn die Eltern gestorben oder zur Betreuung körperlich nicht mehr in der Lage sind. Doch es kommt noch vor. So wie vor drei Jahren, als ein 75-Jähriger im Wohnheim an der Liegnitzer Straße einzog, der bis dahin bei seiner Mutter gelebt hatte.

„Er ist bei uns aufgeblüht, weil er Gleichgesinnte vorfand“, sagt der Leiter der Wohnstätten Michael Vogel. Außerdem gebe es in den Tagesstätten ein Programm für die Senioren und pädagogische Betreung.

Man erlebe etwas — dies sei in der Regel eine Steigerung der Lebensqualität. Gemeinsam Muffins backen, zum Beispiel, oder Ausflüge etwa zum Weihnachtsmarkt oder zur Bergkirchweih. „Für manche Klienten ist dies das Schönste“, sagt Barbara Ruckdeschel. Zwar werde es für manche zunehmend schwieriger, das Haus zu verlassen. „Aber wir versuchen, das noch hinzukriegen“, bekräftigt die Leiterin der Seniorentagesstätte und fügt bildhaft hinzu „Wir backen inzwischen sehr kleine Brötchen, aber sie schmecken noch.“

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