Erlanger Schau zeigt muslimische Vielfalt in Deutschland

30.1.2015, 09:13 Uhr
Erlanger Schau zeigt muslimische Vielfalt in Deutschland

© Harald Sippel

Kamal Hadi ist in Erlangen fast so etwas wie eine Institution. Sein Theatercafé in der Garage ist fast immer voll, die Gäste mögen ihn und seine Küche, für Diskussionen, selbst über den Islam, nimmt der Gastronom sich meistens ein bisschen Zeit. Weniger bekannt aber ist, dass der gebürtige Iraner während des Iran-Irakkriegs 1985 vor dem Kriegsdienst über die Türkei nach Deutschland geflohen ist — und heute zwei Staatsbürgerschaften hat.

Das alles und noch viel mehr erfährt der Betrachter in der höchst informativen und ansprechenden Zusatz-Hängung „Muslime in Erlangen“. Die Hauptschau „Muslime in Deutschland“, eine Wander-Ausstellung der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, sollte (wie es das Stadtmuseum oft und gerne macht) mit eigenen Bildern um einen regionalen Bezug ergänzt werden, berichtet Museumschef Thomas Engelhardt.

Miniaturbilder aus dem Iran

Eine Idee, die sich auszahlt. Die Bilder und Interviews, die die Erlanger Kuratorinnen Ingrid Moor und Grit Nickel in nur wenigen Monaten zusammengestellt haben, stellen Fragen, klären auf — und bleiben lange im Gedächtnis. Sie zeigen, wie „unsere“ Muslime in „unserer“ Stadt leben.

Kamal Hadi etwa ist natürlich auch in seinem Lokal zu sehen, aber ebenfalls vor dem Kunstpalais, wo er öfter hingehen würde, wenn er mehr Zeit hätte, wie er sagt. Auch persönliche Gegenstände liegen in einer Vitrine neben den Fotos, kleine Minitaturbilder aus seiner Heimat und ein Buch über den Iran. Muslim aber, erzählt er und blickt dabei auf sein Konterfei hinter sich, sei er nicht. „Ich wurde in eine muslimische Familie hineingeboren, aber religiös bin ich nicht.“

Erlanger Schau zeigt muslimische Vielfalt in Deutschland

© Harald Sippel

Dennoch läuft auch er unter dem Ausstellungs-Motto „Muslime in Erlangen“. „Man wird da hineingeboren und gilt als Muslim“, erzählt er, „man kann nicht einfach austreten“. Wenn er aber sieht, wie kleine Mädchen im Namen des Koran zwangsverheiratet werden, könne er das nicht nachvollziehen. Auch die tödlichen Anschläge auf die Satirezeitung Charlie Hebdo verurteilt er aufs Schärfste. Wenn sich Muslime bei Gewalttaten auf den Islam beziehen, sei das eine „Sauerei“. Aus Zeitgründen aber habe er leider am Hugenottenplatz nicht mitdemonstrieren können. „Wir sind doch ein Teil von Erlangen“, sagt er, „nur gemeinsam sind wir stark.“

Diese Worte dürften Bürgermeisterin Elisabeth Preuß, die vor allem für Integrations- und Flüchtlingsfragen zuständig ist, freuen. Kein Wunder, dass sie die Ausstellung an diesem Sonntag mit Museumsleiter Engelhardt eröffnen wird.

Trotz — oder vielleicht gerade wegen — seiner dezidierten Meinung hat Kamal Hadi lange überlegen müssen, ob er sich in der Ausstellung exponieren möchte. „Wer weiß, was die Leute denken, ich verkaufe und trinke Alkohol, deshalb wollte ich mich zuerst nicht äußern und zeigen.“

Gut, dass sich Kamal Hadi letztlich anders entschieden hat — so wie sieben weitere Erlanger Muslime. Da ist beispielsweise Amin Rochdi, der an der Werner-von-Siemens-Realschule islamischen Religionsunterricht gibt. Fotos zeigen ihn als Lehrer, als Familien-Vater und beim Comic-Lesen. Sein Haddsch-Gürtel (dort verstauen Pilger ihre Gegenstände) ist zu sehen — und seine Stimme zu hören. Was Fotos und Begleittexte fast zu richtigem Leben erwecken, sind die O-Töne der Porträtierten aus einem Kopfhörer.

Ergänzt wird das Ganze durch ein drittes Projekt der Ernst-Penzoldt-Mittelschule; dabei berichten Schüler mit so genanntem Migrationshintergrund über sich und ihre Religion.

So persönlich die Bilder aus Erlangen sind, so künstlerisch sind die zum Teil prämierten Werke der Wander-Ausstellung. Bei den hiesigen Aufnahmen steht der Mensch, der Vater, die Mutter, der Berufstätige und ja, auch der gläubige Muslim in der Moschee, in Zentrum; die Szenen konzentrieren sich auf den Alltag, sind Momentaufnahmen. Die Schau „Muslime in Deutschland“, die vor allem Fotos aus der Metropole Berlin zeigt, hält ebenfalls Details wie eine Frau mit Kopftuch oder Männer beim Rauchen einer Wasserpfeife fest. Mehr als der Inhalt aber spielt der künstlerische Anspruch eine Rolle.

Die Fotografin Feriel Bendjama hat beides, Inhalt und Form, perfekt verbunden: Sie zeigt in geschickt inszenierten Selbstporträts drei verschiedene Sichtweisen auf das Kopftuch. Für ihr Werk erhielt sie den renommierten Zenith-Fotopreis. Das ist toll anzusehen, keine Frage; mehr ans Herz aber gehen die Porträts von Kamal Hadi — und den anderen Erlanger Muslimen.

Die Ausstellung wird am Sonntag, 1. Februar, 11 Uhr, im Erlanger Stadtmuseum, Martin-Luther-Platz 9, für die Öffentlichkeit eröffnet. Auch die porträtierten Erlanger sind anwesend. Die Schau läuft bis 26. April 2015, Di/Mi 9 — 17 Uhr, Do 9 — 20 Uhr, Fr 9 — 17 Uhr, Sa/So 11 — 17 Uhr.

Weitere Informationen zu Begleitprogramm und Führungen finden Sie unter
www.erlangen.de/stadtmuseum

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