Fülle jüdischen Lebens in Baiersdorf

10.11.2015, 18:00 Uhr
Fülle jüdischen Lebens in Baiersdorf

© F.: Harald Sippel

Lange Zeit war die Meerrettichstadt Zentrum jüdischen Glaubens im Markgrafentum Bayreuth. Sachkundig und detailreich erklärt Stadtführer Horst Gemeinhardt. Hier wirkte der Oberrabbiner, der auch für die umliegenden jüdischen Landgemeinden zuständig war. Gemeinhardt belegt das unter anderem mit einem vom Rabbinat in Baiersdorf unterzeichneten Hochzeitsvertrag eines Brucker Bräutigams mit einer Braut aus Pahres im Landkreis Neustadt/Aisch.

Jüdisches Leben in Baiersdorf scheint über viele Jahre hinweg normales, integriertes Stadtleben gewesen zu sein. Laut Gemeinhardt hat es seit Bestehen einer jüdischen Bevölkerung — Historiker gehen bislang vom 15. Jahrhundert aus — nie ein Ghetto in Baiersdorf gegeben. Jüdische Bürger wohnten am Oberen und am Unteren Marktflecken, einige auch in der Judengasse. Die aber hat ihren Namen nur daher, dass an ihrem Ende sowohl die Synagoge, das Rabbinerhaus und der jüdische Friedhof lagen.

Anhand einiger Häuser, in denen jüdische Bürger wohnten, erzählt Gemeinhardt Familiengeschichten und Anekdoten, wie die von Samson Salomon, der um 1700 den Markgrafen mit Geld versorgte und dadurch selbst zu beträchtlichem Wohlstand kam. Er stiftete die Synagoge in Baiersdorf und auch die in Bruck.

Überhaupt die Stifter. Dazu zählt vor allem die Familie Seligmann, später amerikanisiert „Seligman“. Die wanderte 1840 nach Amerika aus, gründete eine Bank zur Zeit des Goldrauschs und florierte vor allem, weil sie im Bürgerkrieg die Nordstaaten mit Krediten finanzierte. Später eröffnete sie auch Filialen in Europa. Henry Seligman kehrte nach Deutschland zurück, genauer nach Frankfurt — und erinnerte sich an die Heimatstadt seiner Familie. Stiften sei Herzensanliegen eines gläubigen Juden, so habe Seligman 1906 den ersten Kindergarten in Baiersdorf gestiftet — den Seligmann-Kindergarten.

Spendabel war auch die Familie Gerngros. Sie stiftete die Replik des Neptunbrunnens, der im Nürnberger Stadtpark steht. Aber auch das Künstlerhaus in Nürnberg, das in jüngerer Zeit als „Komm“ bekannt geworden ist.

Baiersdorf, das machte Horst Gemeinhardt deutlich, hat eine reiche jüdische Geschichte, die von den Nazi-Schergen jäh beendet wurde. 1938 lebten gerade noch drei jüdische Bürger in der Stadt. Das Ehepaar Kohn wurde 1942 abtransportiert und in Izbica ermordet. Einzig überlebende Jüdin in Baiersdorf war Marie Schübel, die von ihrem christlichen Ehemann geschützt wurde. Sie blieb in Baiersdorf bis zu ihrem Tod 1957.

Die Führung endete auf dem jüdischen Friedhof in Baiersdorf. Auch der wurde zum Teil von den Nazis geschändet. Erst vor kurzem sind Bruchstücke von jüdischen Gräbern wieder hierher zurückgebracht worden. Anhand ausgewählter Grabstätten verdeutlichte Horst Gemeinhardt die Symbolik der Inschriften und übersetzte, etwa den wiederkehrenden Wunsch „Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens“.

Am Ende legte Bürgermeister Andreas Galster namens der Stadt und ihrer Bürger einen Kranz auf dem Friedhof nieder zum Gedenken an die Opfer der Nazis, verbunden mit dem Appell: „Wir müssen alles dafür tun, dass sich das bei uns nicht wiederholt“.

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