Kultur in Erlangen völlig barrierefrei

30.12.2016, 15:00 Uhr
Kultur in Erlangen völlig barrierefrei

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Dass Pop für alle leider nicht stattfinden kann, wissen manche nur zu gut. In der Disko abfeiern, auf Konzerte gehen, mit Freunden um die Häuser ziehen — das ist für Menschen mit Behinderung alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Um auf die damit einhergehende Ausgrenzung vom kulturellen Leben aufmerksam zu machen und durch Workshops und Diskussionen einen nachhaltigen Erfahrungsprozess in der gesamten mittelfränkischen Kulturszene anzustoßen, hat „Pop! Rot Weiß“ eine kunterbunte, lehrreiche, fröhliche und nicht zuletzt musikalische Festivalwoche ins Leben gerufen: das „Popkultur trifft Handicap“-Festival.

Das soll, betont Andreas Jäger, Populärmusikbeauftragter des Bezirks Mittelfranken, zwar sensibel Austausch und gegenseitige Öffnung herstellen, doch in erster Linie ein Konzertfestival ohne Berührungsängste für alle Musikbegeisterten sein. „Pop für alle eben!“ Wie wichtig Inklusion als öffentliches Thema ist, weiß der mittelfränkische Bezirkstagspräsident Richard Bartsch zwar eigentlich, darf es aber bei der Pressekonferenz direkt am eigenen Leib erfahren, als Gebärdendolmetscherin Silke Weßling ihn bittet, langsamer zu sprechen und Pausen zu machen.

Doch es ist genau dieses Maß an Umsicht und Achtsamkeit, auf das die Aktion, auf die Richard Bartsch als „Eisbrecher für Mittelfranken“ große Hoffnungen setzt, aufmerksam machen will. Denn „Barriere“ kann so viel bedeuten: Entsprechende Zugangsmöglichkeiten oder sanitäre Anlagen für Rollstuhlfahrer, die Gestaltung und Handhabe von Kommunikationsmitteln wie Webseiten oder Flyern, bei denen beispielsweise darauf zu achten ist, dass Schrift groß und Sprache einfach gehalten ist. Oder die Verfügbarkeit von Hilfen, die einen Kinobesuch für jedermann und -frau ermöglichen. Eine solche Hilfe ist die App „Greta & Starks“, wie Elnaz Amiraslani von der Veranstaltungsagentur „Parvenue“ begeistert erzählt. Denn statt für einen Kinobesuch für blinde oder taube Menschen teure Gerätschaften zu organisieren, können diese sich mithilfe der App Untertitel und Audiodeskription im Vorfeld ganz bequem und vor allem kostenlos herunterladen.

So sind Beschaffung und Handhabe solcher Hilfen Teil des breiten Programms der Festivalwoche, mit der man im Dialog Möglichkeiten entwickeln, Chancen aufzeigen, Denkprozesse anstoßen will. Um Menschen mit Behinderung nicht länger auszugrenzen, sondern „Brücken zu bauen und — sich gegenseitig befruchtend — Neues zu schaffen“, wie Michael Kläver von der Sparkasse Nürnberg betont: „Grenzen gibt es nur in den Köpfen.“

Und die dürfen im Lauf der Festivalwoche ruhig ein wenig rauchen, gibt es doch haufenweise zu lernen und erleben bei den 15 Veranstaltungen zwischen Konzert, Workshop und Podiumsdiskussion, die im Erlanger E-Werk, dem Fürther Con-Action und in Nürnberg in Z-Bau und in der Kulturwerkstatt „Auf AEG“ stattfinden.

Die Musikgruppe „Blind & Lame“, deren Name schon so viel verrät, gibt eine Jamsession und erzählt aus ihrem Alltag als Band mit Handicap. Die blinden Speed-Skater des 1. FCN Roll- und Eissport e. V. machen alle fit für die Rollerdisko. Lena Dobler, Aushängeschild der mittelfränkischen Musikszene, lässt ein komplettes Konzert von Laura Schwengber, Deutschlands bekanntester Musik-Gebärdendolmetscherin, übersetzen. „Wie barrierefrei ist unsere Kulturlandschaft?“ wollen Kulturschaffende und -konsumenten mit und ohne Behinderung in einer Podiumsdiskussion erörtern. „Jeder kann tanzen!“, weiß Tanzlehrer Rob Lawray und macht im Workshop Musik und Bewegung für Gehörlose, Hörgeschädigte und Hörende erfahrbar.

Am Ende der Woche steht der krönende Abschluss in Form eines kunterbunten Musikfestivals: 

Sieben Bands und Künstler treten in Nürnberg im Z-Bau auf die Bühne und machen, was sie am besten können. Inklusive Bands (Stereomat), blinde (Vokuz) und gehörlose (Deaf Kat Night) Rapper und die weltkleinste Dragqueen BayBJane geben sich die Ehre, der bayerische Spitzenrapper Fatoni ist auch dabei. Sie alle werden von Gebärdendolmetscherin Laura Schwengber komplett übersetzt und die Zuschauer vom „asymmetrischen Comedian“ Martin Fromme schwarzhumorig durch den Abend geführt. „Eine meiner Kolleginnen“, erzählt Elnaz Amiraslani, „hat neulich gesagt: Das wird ein sehr behindertes Programm – und darauf freuen wir uns sehr!“ Weil Pop und Kultur eben für alle da sind.

„Popkultur trifft Handicap Festival“, 9. bis 14. Januar in Nürnberg, Fürth und Erlangen; Anmeldungen unter inklusion@pop-rot-weiss.de, weitere Infos unter www.pop-rot-weiss.de/festival; Tickets für Lena Dobler & das Abschlussfestival an allen bekannten Vorverkaufsstellen.

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