Tagesstätte "Willy" hilft in Erlangen Obdachlosen

10.2.2015, 06:00 Uhr
Tagesstätte

© Michael Matejka

„Wenn er Schnaps getrunken hat, brauchte es jemanden, der ihn in Schach hält. Er war bekannt und gefürchtet.“ Karl Ostermeier, Leiter der Tagesstätte „Willy“ des Vereins für Obdachlosenhilfe, erinnert sich an einen früheren Gast der Einrichtung. Der Mann sei Alkoholiker und gewalttätig gewesen, sagt Ostermeier. Er habe rund die Hälfte seines Lebens hinter Gittern verbracht. Ostermeier: „Konflikte kommen immer mal wieder vor. Meist können sie aber schnell geschlichtet werden.“

Dass ein Gast einen anderen bedroht, sei jedoch die Ausnahme. Im „Willy“ bekommen Langzeitarbeitslose, Süchtige, psychisch Kranke und Obdachlose wochentags ein warmes, kostenloses Essen. Zudem gibt es Sanitäranlagen und einen Werkraum. Auch Musikinstrumente stehen zur Verfügung. Das schlichte Ambiente erinnert an eine Hochgebirgshütte für Wanderer. Es ist gemütlich und warm. „Wir haben rund 50 Gäste pro Tag“, sagt Ostermeier. Einige kämen seit 15 Jahren in die Einrichtung, die sich bis 2013 noch in der Heuwaagstraße befand. Finanziert wird „Willy“ von Stadt und Spenden.

Die Einrichtung entstand im Zuge der Kooperation, zweier kirchlicher Initiativen mit Sozialamt und Wohlfahrtsverbänden. Um das Ziel ein Begegnungszentrum für arme Menschen zu realisieren, gründete sich 1999 der Verein für Obdachlosenhilfe. Im Jahr 2000 war es soweit: Die Einrichtung in der Heuwaagstraße eröffnete. Seitdem ist Ostermeier ihr Leiter.

Tagsüber finden Bedürftige im „Willy“ Zuflucht, während es für die Nacht, laut Ostermeier, zwei Notunterkünfte gebe: Die Wöhrmühle und das ,Fischerhäusla‘. Im Winter käme es schon mal vor, dass dort die Aufnahmekapazitäten an ihre Grenzen stoßen, räumt Sozialamtsleiter Otto Vierheilig ein. Da die Stadt jedoch niemanden abweisen dürfe, bestünde dann die Möglichkeit, Obdachlose in Gaststätten unterzubringen.

Darüber hinaus existiert der gesetzliche Anspruch auf eine Verfügungswohnung. Dort dürfen Bedürftige ohne Mietvertrag leben, bis sie eine andere Bleibe gefunden haben. „Es soll so sein, dass jeder unterkommt. Aber es gibt Leute, die nicht in die Einrichtungen wollen. Das sind Einzelgänger oder Menschen, die schlechte Erfahrungen in den Einrichtungen gemacht haben“, so Ostermeier. Vierheilig bestätigt, dass es in Erlangen Menschen gebe, die auf der Straße schlafen. Erfroren sei jedoch noch niemand.

Einzigartige Zusammenarbeit

Das Sozialamt leistet in Zusammenarbeit mit der reformierten Gemeinde einen Beitrag dazu, dass Leute gar nicht erst in die Obdachlosigkeit abrutschen. Diese Art der Kooperation sei bundesweit wohl einzigartig, sagt Pfarrer Johannes Mann.

Auf sein Wirken hin entstand 2010 der Sonderfonds gegen Armut und Obdachlosigkeit, dessen Ziel es sei, „Menschen unbürokratische Hilfe zu leisten“.

Der aus Spenden gespeiste Fonds interveniert erst, wenn alle Möglichkeiten finanzieller Unterstützung vom Staat ausgeschöpft sind und ein Verteilungsausschuss der Hilfe zugestimmt hat. Mann betont: „Es ist nicht das Ziel, den städtischen Haushalt zu entlasten“. Als Ultima Ratio hilft der Fonds also sozial schwach situierten Personen, sich aus arger finanzieller Schieflage zu befreien. So wird zumindest ein Teil der Menschen vor dem Sturz in die Obdachlosigkeit bewahrt.

Mann erläutert, es sei wichtig „nachhaltig zu helfen, und die Ursachen zu begreifen“. An dieser Stelle kommt die Stadt ins Spiel. Das Sozialamt beschäftigt seit 2008 drei Sozialpädagogen, die von Obdachlosigkeit bedrohte Menschen beraten und unterstützen. Eine vierte Stelle sei genehmigt worden, erklärt Vierheilig. „Es gibt hohen Beratungsbedarf“, bestätigt Mann. Die Kombination aus finanzieller Unterstützung einerseits und professioneller Beratung andererseits ist jedoch sehr erfolgreich. Johannes Mann: „Es gibt kaum Rückfälle“. Zudem sei die Zahl der benötigten Verfügungswohnungen in den letzten Jahren stark gesunken, sagen Vierheilig und Ostermeier übereinstimmend.

In einer solchen Wohnung lebte auch der Gast der Tagesstätte „Willy“. Ostermeier erinnert sich an ihn, den exzessiven Trinker, und ist bewegt:

„Er hatte eine harte Schale, aber einen weichen Kern. Schrieb Gedichte. Keiner glaubte, dass er die Kurve kriegt. Doch als er mal wieder im Gefängnis saß, hat es in ihm Klick gemacht. Er blieb trocken.“ Die letzten Monate seines Lebens habe er in Freiheit verbracht. „Wenn man jemand solange kennt und der sich dann so verändert, ist das sehr bewegend.“

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