Urheberrechtsreform: Über die Ignoranz mancher Erwachsener

Christoph Benesch

Erlangen

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31.3.2019, 11:00 Uhr
Urheberrechtsreform: Über die Ignoranz mancher Erwachsener

© Foto: Harald Sippel

Herr König, haben Sie schon einmal wissentlich im Internet gegen das Urhebergesetz verstoßen?

Ja. Ich denke sogar, es ist schwer, das nicht zu tun.

Weil das Angebot zu verlockend ist?

Es fängt doch schon damit an, wenn man ein Video auf Youtube hochlädt und da sind einige Sekunden eines Chartsongs enthalten – hat man gegen Urheberrecht verstoßen. Aber das nimmt man als Internetnutzer nicht wirklich ernst, glaube ich.

Fehlt Ihrer Generation, die ja mit dem Internet aufgewachsen ist, generell Bewusstsein für Urheberrecht?

Das glaube ich nicht. Wenn jemand kurze Ausschnitte aus einem Film nimmt und einen Meme daraus macht, ihn also irgendwie witzig verändert, ist es streng genommen ja schon eine Urheberrechtsverletzung.

Ist es nachvollziehbar, wenn etwa Zeitungsverlage sagen, es muss etwas passieren, es wird zu häufig Urheberrecht verletzt im Internet?

Ja, das ist absolut nachvollziehbar. Aber ich denke, dass viele "normale Internetnutzer" gar nicht wissen, wieviel Arbeit in einem Film, einem Musikstück oder auch in Qualitätsjournalismus steckt.

Sie studieren Informatik – interessiert Sie diese Urheberrechts-Situation deshalb – und dem Rest Ihrer Generation ist das eigentlich egal?

Ich denke, das interessiert Informatikstudenten genau wie jeden anderen jungen Menschen, sofern er im Internet unterwegs ist. Und das sind nunmal nahezu alle.

Wie stehen Sie dann persönlich zur Urheberrechtsreform im Internet?

Ich begrüße, dass man dieses Problem angehen möchte, weil es wirklich ein gravierendes ist im Internet. Aber die Art und Weise, wie man es nun versucht zu lösen, finde ich schlampig. Vor allem Artikel 13.

Da geht es um den umstrittenen Uploadfilter.

Ja, der ist schlichtweg nicht umsetzbar. Rieseninternetkonzerne wie Google versuchen ja bereits, Content-ID-Systeme zu entwickeln, die sagen: Das ist eindeutig aus einem Film genommen, daher werden die Einnahmen aus dem Clip an den Urheber des Films weitergegeben. Aber das funktioniert nicht einmal in 40 Prozent der Fälle. Bei 60 Prozent klappt es schlichtweg nicht, weil eine Urheberrechtsverletzung zum Beispiel in einer Parodie nicht erkennbar ist. Dann zu sagen: Es ist verpflichtend, dass jede Seite ein System einrichtet, das zuverlässig alles herausfiltert ist technisch schlichtweg nicht möglich.


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Wozu führt so ein Filter dann?

Es werden vermutlich 50 Prozent mehr Inhalte herausgefiltert.

Würde man das überhaupt registrieren als User? Immerhin gibt es zahllose Uploads pro Minute allein auf Youtube.

Ich fände es schlimm, wenn man selbst etwas hochladen will und es nicht geht. Dann fühlt man sich drastisch eingeschränkt und zensiert.

Ein Eingriff in die Kunstfreiheit?

Ja, definitiv. Und in meinen Unterhaltungskonsum.

Sie sagen: Die Umsetzung ist schlampig. Wie könnte man sie sinnvoller gestalten?

Die Idee, dass man große Unternehmen haften lässt, ist richtig. Aber dass man urheberrechtlich geschützte Dinge gar nicht mehr hochladen darf, ist für mich der falsche Ansatz. Aktuell funktioniert es auf Youtube schon halbwegs, dass man sagt: Die Einnahmen von Uploads, die Urheberrecht verletzen, werden dem Urheber gezahlt. Das ist der bessere Weg. So würden aber ja die Einnahmen für den Urheber wegfallen – am Ende verlieren also alle. Ansonsten ist es bei einem Gesetzesentwurf doch notwendig darauf zu achten, dass die Technologie möglich ist.

Geltende Gesetzgebung ist, dass man Content mit Urheberrechtsverletzungen entfernen muss, sobald der Urheber das verlangt.

Das ist auch nicht realistisch, wenn man sieht, dass 300 Stunden pro Minute an Videomaterial hochgeladen werden auf Youtube. Da sind wir beim Anfangsbeispiel, dem Video mit den wenigen Sekunden eines Popsongs – wenn das Youtube löscht, wäre unter Umständen die Meinungsfreiheit eingeschränkt, wenn ich in den Minuten um den Song herum etwas erzähle. Da müssen sich Leute noch etwas ausdenken, die schlauer sind als ich.

Jetzt profitieren aber Urheber auch von der Verbreitung und Reichweite Ihres Contents. Schießt man sich nicht ins eigene Knie, wenn man jetzt eine Verbreitung generell schon mit Upload verbietet?

Das ist ganz definitiv der Fall. In Spanien wollten Verlage mal für die Verbreitung ihrer Nachrichten über Google Geld haben – Google hat daraufhin diese Seiten gar nicht mehr in der Trefferliste angezeigt. Und weil Google derart riesig ist, hat sich das massiv ausgewirkt, indem die Zugriffe auf diese Nachrichtenseiten deutlich eingebrochen sind.

 "Jetzt wähle ich sie erst recht"

Herr König, Sie dürfen heuer erstmals an der Europawahl teilnehmen. Hat die Entscheidung zum Urheberrecht auf Ihre Wahl Einfluss?

Im positiven Sinne höchstens derart, dass ich die Leute, die gegen die Urheberrechtsreform waren, jetzt erst recht wähle. Auf lange Sicht werden die, die dafür gestimmt haben, ein Problem bekommen: Wenn man im Internet unterwegs ist, ist dem Hashtag #niewiederCDU nicht mehr zu entkommen, der steht wirklich überall.

Ist das die Meinung vieler Menschen aus Ihrem Freundeskreis?

Es sind doch vor allem die, die jetzt an die Decke gehen, die noch nicht wählen dürfen. Aber die werden diese Entscheidung und die Ignoranz gegenüber ihrer Proteste, da bin ich mir sicher, nicht vergessen, bis sie wählen dürfen. Es geht nicht um eine kleine Menge Internetnutzer, die eben mal verärgert ist, sondern um nahezu die komplette Jugend, die nunmal das Internet tagtäglich stundenlang nutzt.

Das Parlament hat auch gegen eine Petition, unterzeichnet von rund sechs Millionen Menschen, gegen zehntausende Demonstranten, für die Urheberrechtsreform entschieden. Es wurden die Gegner, die sich engagiert haben, verhöhnt . . .

Das kann nicht der Sinn von Volksvertretern sein zu sagen: Wir sehen Protest, aber wir nehmen den nicht ernst. Schlimmer noch, es wird behauptet, die, die auf die Straße gehen, seien bezahlte Jugendliche. Das empfinde ich als zutiefst undemokratisch.

Wenn man den Bogen schlägt zu den Schülern und Studenten, die bei den "Fridays for Future"-Demonstrationen auf die Straße gehen und ebenfalls von manchen mit Polemik überschüttet werden – wie empfindet man das als junger Mensch?

Es heißt ja immer gern: Jugendliche interessieren sich nicht für die Politik, sind immer desinteressiert. Jetzt waren zwei große Themen für die Jugend in der öffentlichen Diskussion – und bei beiden werden sie belächelt oder ignoriert. Ich merke daraus, dass das Mitspracherecht für Unter-18- Jährige in der Demokratie nicht vertreten ist. Es sollte dringend mehr Mitspracherecht für Jugendliche geschaffen werden.

Also die Wahl ab 16?

Warum nicht ab 14? Ich persönlich denke, das schon der Aufwand ins Rathaus zu fahren beweist, dass diejenigen getrost mitwählen können, weil sie sich offensichtlich mit der Wahl intensiv auseinandersetzen.

Die würden nicht einfach nur eine weitere Stimme abgeben für die Partei, von der Mama und Papa sagen: Die sollst du wählen, Kind?

Das kann natürlich sein. Aber genauso gut wäre es möglich, dass erwachsene Leute, die normal nicht wählen gehen, sich von Freunden überreden lassen für eine Partei zu stimmen. Das allein wäre für mich kein Kriterium es zu verbieten.

Sollte das Urheberrecht so Gesetz werden: Was sagt der Informatiker, wie wird sich das aufs Internet auswirken? Wird Google keine Treffer mehr ausspucken?

Weil es wie gesagt technisch nicht möglich ist, wird sich auf den ersten Blick nicht viel ändern. Aber ich denke, dass diese 300 Stunden pro Minute, die hochgeladen werden auf Youtube, sich auf 250 oder 200 reduzieren. Man kann sagen, damit kann man ja leben. Kann man sicher auch – aber will man einen derart krassen Eingriff in die Kunst- und Meinungsfreiheit wirklich einfach so hinnehmen?

 

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