Vorlesereigen als idealer Ort für Begegnungen in Erlangen

Stefan Mößler-Rademacher

Redaktion Erlanger Nachrichten, Leiter der Kulturredaktion

E-Mail

26.8.2018, 17:56 Uhr
Vorlesereigen als idealer Ort für Begegnungen in Erlangen

© Harald Sippel

Upps, war hier gerade von "supergepflegten 40-plus-Blondinen" und den Blicken aus einem Lichtschacht unter deren Röcke die Rede? Auf der Wiese des Schlossgartens schnappt man regelmäßig Sätze auf, die verwirren. Was zunächst wie Pennäler-Lyrik klingt, entpuppt sich bei Thomas Klupp schnell als Satire auf die feine Gesellschaft. Also: hinterher und hören, was der gebürtige Erlanger über seinen neuen Roman "Wie ich fälschte, log und Gutes tat" nach der Lesung auf dem Nebenpodium zu sagen hat.

An der Zahl der Literaturfans, die einem Autor dorthin folgen (Neuhochdeutsch könnte man von "Followern" reden), lässt sich leicht abschätzen, wie gut ein Text ankam — oder wie sehr er zumindest die Neugierde auf eine Erklärung geweckt hat. Extrem charmante und unterhaltsame Diskurse zum eigenen Werk gab es beispielsweise von Tanja Maljartschuk. Bei der Ukrainerin, die seit 2011 in Wien lebt, war zu bestaunen, wie sehr die deutschsprachige Literatur-Szene von Einflüssen und neuen Stimmen aus aller Welt profitiert (selbst, wenn ihre Bücher noch übersetzt werden). Eindrücke, die sich auch beim Besuch der "Langen Nacht des Weiterschreibens" (Bericht folgt) oder einem Abstecher in die drei Zelte des preisgekrönten "Poetry Project" bestätigten. Hier wurden die Ergebnisse der multilingualen Schreibgruppen mit geflüchteten und deutschen Jugendlichen präsentiert.

Zu einer Reise rund um den Globus lud Rolf-Bernhard Essig ein. Mit einer Weltkarte in der Hand und einer kleinen, tragbaren Verstärker-Anlage ausgestattet, streifte er durch den Schlossgarten und animierte die Festival-Besucher zum munteren Sprichwort-Raten. Das Spiel ist ganz einfach: Ein Sprichwort wird vorgetragen, die Zuhörer müssen zuordnen, aus welchem Land das Sprichwort stammt. Beispiele gefällig? "Hundescheiße hat keine Dornen und dennoch hinken wir, wenn wir hineingetreten sind." Oder: "Jetzt hilft nur noch, einen Bradbury zu machen." Wer die Antworten verpasst hat: Ab Ende September ist der "Indiana Jones der Sprachschätze" gleich mehrfach zu Gast im Erlanger Stadtmuseum.

Apropos Gäste: Was machen, wenn sich mehr Menschen für eine Veranstaltung in der Orangerie interessieren, als darin Platz haben? Ganz einfach: Die Lesungen und Gespräche per Verstärker-Anlage nach außen übertragen. Ein Prinzip, das selbst dann galt, wenn es sich um eine Abendveranstaltung mit Eintritt handelte. Eine gute Entscheidung. Eine gute Werbung für’s Poetenfest. Denn auch hier war zu beobachten, wie sich sogar zufällig vorbeikommende Flaneure von klugen Sätzen in den Bann ziehen ließen. Auch die SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl schlenderte übers Festival-Gelände. Ihren

Bekanntheitsgrad wird Natascha Kohnen zwar nicht sonderlich erhöht haben. Gefallen hat es ihr offensichtlich dennoch. Nicht zuletzt, da sie in ihrem früheren Leben als Lektorin tätig war.

Keine Kommentare