5100 Euro pro qm: Wohnen in Forchheim wird teuer

Ulrich Graser

Stv. Redaktionsleiter, Nordbayerische Nachrichten für Forchheim und Ebermannstadt

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30.1.2019, 06:00 Uhr
In der Löschwöhrdstraße entstehen in der alten Landwirtschaftsschule und in einem pyramidenförmigen Neubau Wohnungen.

© Roland Huber In der Löschwöhrdstraße entstehen in der alten Landwirtschaftsschule und in einem pyramidenförmigen Neubau Wohnungen.

Für 5100 Euro pro Quadratmeter erhält der Interessent in der Löschwöhrdstraße 5 entweder eine 77 qm große Dreizimmerwohnung (Gesamtpreis 392.700 Euro) oder eine 124 qm große Wohnung mit vier Zimmern (632.400 Euro). Nicht eben günstig, dafür wohnt man dann aber in Forchheims erstem Pyramidenbau (Baubeginn: jetzt. Fertigstellung: Sommer 2020).

Oder man lässt wohnen. Denn aus Sicht von Immobilienexperten stellt derzeit die Investition ins so genannte „Betongold“ nichts anderes dar als eine „Seitwärtsbewegung“: „Weil es auf der Bank keine Zinsen mehr gibt, wird das Geld in Immobilien investiert“, sagt ein Forchheimer, der selbst mehrfacher Hausbesitzer ist.

Der Laden an der Ecke Apothekenstraße/Hornschuchallee steht seit über einem Jahr leer. Niemand fragt nach. Liegt er zu weit außerhalb der 1A-Lage?

Der Laden an der Ecke Apothekenstraße/Hornschuchallee steht seit über einem Jahr leer. Niemand fragt nach. Liegt er zu weit außerhalb der 1A-Lage? © Roland-Gilbert Huber-Altjohann

Immobilienbesitzer vergeben ihre Häuser und Wohnungen nur in den seltensten Fällen für wenig Geld an Arme und Bedürftige. Sie wollen ihre Investition über die Miete wieder refinanziert bekommen. In diesem Zusammenhang ist wichtig: Forchheim ist seit Jahren Zuzugsgebiet. Die Stadt hat bereits über 32.000 Einwohner. Auf dem heutigen Jahn-Gelände und im südlichen Kersbach werden große Flächen für Hunderte von Wohneinheiten entwickelt. Sie sind dringend vonnöten, um wenigstens ein bisschen Druck vom Immobilienmarkt zu nehmen.

Die Nachfrage nach Wohnraum bleibt auf konstant hohem Niveau. Vor Weihnachten sagte Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD): Das am häufigsten in seiner Sprechstunde vorgebrachte Problem ist die Frage nach günstigen Wohnungen. Wer hier fragt, der kann sich nicht die Neubau-Wohnungen leisten, die derzeit übers ganze Stadtgebiet verteilt gebaut werden: In der Hainbrunnenstraße auf dem Gelände des früheren Altenheimes; in der früheren Spinnerei; in der alten Landwirtschaftsschule nebst Pyramide in der Löschwöhrdstraße; im Hornschuchpark gegenüber der Spinnerei; auf dem früheren Schlossereigelände in der Schönbornstraße. Oder im früheren Brauhaus, Badstraße 14: 3916 Euro kostet einer von 119 Quadratmetern in drei Zimmern — 466.000 Euro Gesamtpreis.

Mitten im Strukturwandel

Der häufige Gebrauch des Wortes „früher“ in der obigen Aufzählung macht klar: Forchheim steckt mitten im Strukturwandel. Ehemalige Industrieflächen, die teils Jahrzehnte brach lagen, werden im Zeichen des Booms mit hochwertigen Immobilien neu belebt. Käufer oder Mieter zu bekommen ist offensichtlich kein Problem. Forchheim dient hier auch als Ausweichquartier für Erlangen und Nürnberg: Wer dort nichts mehr bekommt, wird in Forchheim fündig. Was macht das mit der fränkisch modernen Stadt mit altem Kern? Droht die „Gentrifizierung“? Die Verdrängung alteingesessener Bevölkerung durch wohlhabende Neubürger inklusive der Infrastruktur? Eigentlich wäre das zu erwarten. Die weniger Begüterten müssten buchstäblich an den Rand gedrängt werden.

Tatsächlich können die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften nicht im selben Maß günstigen Wohnraum für Wenigverdiener schaffen wie die Bauträger Luxusappartements für Reiche hochziehen: Sie verfügen weder über die Flächen noch die Mittel.

Im Unterschied zu den Bauträgern: „Deutschlandweit“, sagt FW-Fraktionschef Manfred Hümmer, „hat Forchheim bei Immobilienpreisen mit die höchsten Steigerungsraten.“ Ursachen gibt es mehrere: Zuzug aus dem Ballungsraum, Flucht vom Sparbuch ins Betongold und Zuwanderung älterer Bevölkerung aus dem Landkreis — alles zusammen genommen, so Hümmer, verändere Forchheim schon seit Jahren.

Macht sich die Entwicklung auch im Handel bemerkbar? Wird Forchheim von hochpreisigen Läden überrannt? Davon kann (noch?) keine Rede sein. Das zeigt ein kleiner Rundgang durch die Altstadt: Martini Schmuckzeit am Paradeplatz, ein Schwabacher Unternehmen mit sieben Filialen, hat Insolvenz beantragt. Der Laden ist dicht.

Der hochpreisige und -wertige Thailänder in der Vogelstraße ist schon länger zu, wegen Personalmangels, wie es hieß. Inhaber Friedrich Schneider sucht einen Nachfolger, „am besten wieder einen Asiaten“, weil die entsprechende Einrichtung ja vorhanden ist (Pacht: 1600 Euro für 215 qm). In der früheren Venezia, Hauptstraße 28, will Andreas Dießner sein Schnellrestaurant namens GuDiess Ende Februar wiedereröffnen. Die Vermieter Bülent und Zenal Kirici sind nach eigenen Angaben guten Mutes, nach langem Umbau auch die neun Wohnungen im Haus an den Mann und die Frau bringen zu können. In der Hauptstraße 46 ist mit „Bijou Brigitte“ ein Filialist für Modeschmuck eingezogen. Nicht gerade das Hochpreissegment.

"Wir jammern nicht"

Hell und freundlich renoviert zeigt sich seit kurzem Blumen Betz, Hauptstraße 50, ein alteingesessener Laden. Chefin Gertrud Dittrich erhält „viel positive Rückmeldung“, wie sie sagt. Ihre Branche unterliegt einem tiefen Wandel, nicht zuletzt wegen der geänderten Begräbniskultur: weg von der Erd- hin zur Urnenbestattung, wo der Blumenschmuck nicht so üppig ausfällt. Aber Dittrich sagt: „Wir jammern nicht, wir entwickeln uns nach vorne.“

Blumen Betz liegt am Bächla in 1A-Lage. Wenige Meter weiter, Ecke Apothekenstraße/Hornschuchallee, steht seit langem der ehemalige Gewürzladen leer. Inhaberin Annette Prechtel wundert sich: „Es gibt gar keine Interessenten.“ Die 1B-Lage sei offenbar schon nicht mehr so attraktiv. Von einer „Gentrifizierung“ will Prechtel, als FGL-Chefin auch Kommunalpolitikerin, noch nicht sprechen. Sie sieht zwar auch: „Bezahlbares Wohnen ist das nicht, was gerade entsteht.“ Aber: „Die Durchmischung passt noch.“ Gleichzeitig sei die Altstadt „das Stiefkind der Stadtentwicklung: Gerade die Hornschuchallee hinkt hinterher.“ Hier müsse die Stadt dringend etwas tun. Der Strukturwandel geht also munter weiter.

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