Atila Karabag will für Forchheims SPD in den Landtag

Ulrich Graser

Stv. Redaktionsleiter, Nordbayerische Nachrichten für Forchheim und Ebermannstadt

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5.10.2018, 11:00 Uhr
Atila Karabag will für Forchheims SPD in den Landtag

© Foto: Roland Huber

Wenn Atila Karabag Straßenwahlkampf macht, entkommt er seinen türkischen Wurzeln nicht. Keinen anderen Kandidaten, keine andere Kandidatin würde ein Passant auf den türkischen Präsidenten ansprechen und fragen: "Was bespricht der jetzt in Berlin mit der Merkel?" Was die beiden in Berlin besprechen weiß Karabag genau so wenig wie jeder andere. Mit der Landtagswahl hat das Thema auch nichts zu tun. Aber der Kandidat bleibt ganz ruhig, wendet die Frage ins Positive und sagt: "Ich habe zur Türkei eine klare Haltung." Rechtsstaatlichkeit müsse dort herrschen, meint er, und Pressefreiheit.

Karabag, 1972 in Forchheim geboren und am Fuß des Kellerwaldes aufgewachsen, ist schon als junger Mann Deutscher geworden. Seinen türkischen Pass musste er dafür abgeben. Warum hat er das gemacht? "Weil", sagt er, "ich mit dem Land verbunden bin. Man lebt hier, man gehört dazu, da muss man sich auch einbringen."

Eigentlich sollte im Jahr 2018 der Migrationshintergrund eines Landtagskandidaten in der Medienberichterstattung keine Rolle mehr spielen. Es gibt längst Abgeordnete, auch in Bayern, deren Eltern einst aus der Türkei als Arbeitsmigranten nach Deutschland gekommen sind. Karabag: ein Kandidat wie viele andere?

Nein. Dass der Migrationshintergrund heute noch, oder besser: heute wieder eine Rolle spielt, hat mit dem Erstarken von Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung von Minderheiten zu tun. "Man muss sich einbringen": Atila Karabags Credo ist in doppeltem Sinne zu verstehen.

"Sich einbringen" zum einen im Sinne von gesellschaftlichem, ehrenamtlichem Engagement. Der zweifache Familienvater steht dem Elternbeirat in der Annaschule vor, er arbeitet in der Arbeiterwohlfahrt mit, gehört dem Musikverein Forchheim-Buckenhofen an, wirkt als Spielplatzpate im Forchheimer Norden. Auch im Türkischen Kulturverein engagiert er sich, in der Gewerkschaft und natürlich beim Bündnis "Bunt statt Braun".

"Nicht zuschauen"

"Sich einbringen" hat für Karabag aber auch eine zweite Seite. Seine Motivation, bei der Landtagswahl zu kandidieren, führt er auf das Ergebnis der Bundestagswahl vor einem Jahr zurück. Damals schaffte mit der AfD eine rechtsnationale Partei auf Anhieb den Einzug ins Parlament. Karabag: "Man darf da nicht zuschauen, man muss handeln." Auf der Straße erklärt er Passanten, die sich von ihm ansprechen lassen: "Die Demokratie ist der richtige Weg." Die AfD hetze nur und spalte so das Land: "Ich möchte, dass dieses Land erhalten bleibt."

Ein Land, dem Atila Karabag alles verdankt, was er hat und kann. Er weiß: "Sozialer Aufstieg durch Bildung funktioniert in Deutschland." Wenn auch nicht von alleine: "Man muss viel arbeiten." Er ist selbst das beste Beispiel für seine These: "Meine Eltern waren von Haus aus zwar sozialdemokratisch geprägt, aber sie kamen eher aus einer bildungsfernen Schicht: Da hat sich zuhause niemand hingesetzt und hat mit mir Hausaufgaben gemacht." Trotzdem schufen die Eltern für ihren Sohn die richtigen Rahmenbedingungen, das ist das Entscheidende.

Atila Karabag durfte auf die Realschule, danach auf die Fachoberschule, er studierte Elektrotechnik und hatte mit 24 Jahren den Diplom-Ingenieur in der Tasche. Doch der Aufstieg durch Bildung ging weiter: An ein Fernstudium der Wirtschaftswissenschaften, parallel zur Berufstätigkeit, schloss sich schließlich die Promotion in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an. Seit 2015 steht ein "Dr." vor dem Namen Karabag.

Und demnächst ein "MdL" dahinter, für "Mitglied des Landtags"? Das anzunehmen wäre vermessen. Ein SPD-Kandidat gewinnt in Forchheim kein Direktmandat. Und auf der oberfränkischen Liste nimmt Karabag gerade mal Rang 7 ein. Er bräuchte schon sehr viele Stimmen aus dem Rest des Bezirks, und die SPD in Bayern bräuchte ein sehr gutes Ergebnis, damit Atila Karabag als Volksvertreter nach München wechseln könnte.

Doch heute ist nicht alle Tage. In fünf Jahren folgt die nächste Wahl. Karabags Themen Digitalisierung (beruflich ist er in der Softwareentwicklung tätig), Bildungsurlaub für Arbeitnehmer, kostenfreie, aber "qualitativ hochwertige" Kitas, Verbesserungen in der Pflege, bezahlbarer Wohnraum — sie werden uns noch auf Jahre hinaus begleiten. Dieser Kandidat hat allein schon durch seine persönliche Geschichte einen langen Atem bewiesen, mit ihm ist weiter zu rechnen.

Türkisch und Russisch

"Man muss nur mit den Leuten reden", sagt er, "dann öffnen sie sich auch". Der Satz gilt dem Haustürwahlkampf. Das "Öffnen" ist daher auch ganz wörtlich zu nehmen. Im Forchheimer Osten hat er schon Klinken geputzt, demnächst ist der Norden an der Reihe. Ein schwieriges Pflaster für alle Kandidaten. Die Wahlbeteiligung liegt hier in der Regel bei lediglich 20 Prozent. Doch Atila Karabag lässt sich davon nicht beirren. Er weiß sich zu helfen: "Ich habe mir Flyer in türkischer und russischer Sprache machen lassen." Wie praktisch, wenn die Ehefrau Russland-Deutsche ist.

Wenn Atila Karabag redet, merkt man ihm an, wie sehr er sich konzentriert. Ihm purzeln die Worte nicht so einfach aus dem Mund wie anderen Kandidaten. Hochdeutsch ist nicht Karabags Muttersprache. Bei manchen Begriffen denkt er länger nach als andere, ehe er sie ausspricht.

Er rechnet damit, dass das Publikum auf Fehler achtet und zwingt sich zu Disziplin. Doch seinen fränkischen Akzent kann er trotzdem nicht verbergen: Jeder zweite Satz endet mit "nä". Er sagt nicht "ein wenig", sondern "a bissla". Kein Zweifel: Der Mann ist von hier.

Die Landtagswahl-Direktkandidaten im Landkreis Forchheim finden Sie hier.

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