Endlich Autofahren: Blinde in Forchheim geben Gas

9.5.2015, 14:14 Uhr
Manfred Voit ist hochgradig sehbehindert, möchte aber testen wie es ist, als Blinder Auto zu fahren. Deshalb setzt er die Dunkelbrille auf.

© Carmen Schwind Manfred Voit ist hochgradig sehbehindert, möchte aber testen wie es ist, als Blinder Auto zu fahren. Deshalb setzt er die Dunkelbrille auf.

"Der fährt wie ein Blinder!" So wird in dem einen oder anderen Auto durchaus mal geschimpft. Am Samstag dagegen durften Blinde und Sehbehinderte zeigen, dass sie mit Hilfe eines professionellen Beifahrers richtig gut im Auto unterwegs sind, denn in Forchheim fand auf dem Freigelände an der Boschstraße das vom Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund (BBSV) organisierte Event „Autofahren für Blinde“ statt.

Fahrlehrer Andy Zacher vom Verkehrsbildungsinstitut (VBI) erzählt, dass normal sehende Fahrschüler beim ersten Versuch Auto zu fahren den Motor meistens abwürgen. Sehbehinderten und Blinden würde das nicht passieren: „Die haben einfach ein anderes Feingefühl.“ Um den blinden oder sehbehinderten Fahrer die Richtung angeben zu können, nutzen die Fahrlehrer das Prinzip der Uhr. „Die meisten kennen ein Ziffernblatt und wissen, wohin sie lenken müssen, wenn ich sage: Fahr jetzt Richtung zehn Uhr“, erklärt Andy Zacher. Neu bei dieser Veranstaltung war, dass die Gäste auch einen LKW lenken durften. Und das wollten Petra Rupp und Anja Vogler unbedingt einmal ausprobieren.

"Leb' dein Leben jeden Augenblick"

Petra Rupp war mit ihrem Ehemann Josef gekommen. Sie ist sehbehindert und seit zehn Jahren nicht mehr Auto gefahren – und LKW noch nie. Josef Rupp freut sich für seine Frau, die seit ihrem Unfall nur noch zehn Prozent Sehkraft hat. „Wir standen damals mitten im Leben. Die Kinder waren aus dem Haus und wir wollten unser Leben genießen“, erzählt Rupp. Das Leben hatte sich für das Ehepaar komplett geändert: Radtouren macht er nur noch alleine und es bleibt mehr Hausarbeit an ihm hängen. „Ich kann nur raten: Leb‘ dein Leben jeden Augenblick, denn es kann ganz schnell etwas passieren“, empfiehlt Josef Rupp.

Anja Vogler dagegen hatte als Kind von acht Jahren eine Makuladegeneration und sieht noch weniger als Petra Rupp. Sie fand das als Kind gar nicht so schlimm, denn plötzlich kümmerten sich alle um sie. „In der Mitte sehe ich gar nichts. Außen ist es wie mit einer falschen Brille. Und Farben kann ich auch nicht sehen“, versucht sie ihre Sehfähigkeiten zu beschreiben. Und dann geht es los. Die beiden werden von Andy Zacher eingewiesen und geben im LKW kräftig Gas. Jeder Besucher darf 15 Minuten fahren, dann wird gewechselt. Nach ihrer Fahrt sind die beiden aufgedreht und erzählen, wie super die Fahrt war.

Ilona Schreml vom BBSV, die selbst sehbehindert ist, hatte die Veranstaltung für Blinde aus dem westlichen Oberfranken organisiert. Tatkräftige Unterstützung bekam sie von Josef Metzner, Kreisvorsitzender im Landesverband Bayerischer Fahrlehrer. Der hatte nicht nur Bierzeltgarnituren organisiert und aufgebaut, sondern lotste im Auto auch blinde Fahrer durch das Gelände. Einer seiner Fahrer war Wolfgang Kurzer, der für Autofahrer Tipps hat, wie diese mit Menschen mit Blindenstock umgehen sollen: Langsamer fahren und aufmerksamer sein. Wenn ein Blinder eine Straße überqueren will, dann anhalten und aus dem Auto rufen, dass er gehen kann. Oder gar aussteigen und über die Straße helfen. „Problem haben wir mit E-Autos, die wir nicht hören“, erklärt Kurzer.

Walter Bogensberger war früher leidenschaftlicher Autofahrer gewesen und in den Urlaub nach Kroatien gefahren. Seit zehn Jahren ist er auf einem Auge blind und kann auf dem anderen nur noch 20 Prozent sehen. Er ist begeistert, dass er hier mal wieder ans Steuer eines Autos darf. Der Bamberger Bezirksgruppenleiter des BBSV, Manfred Voit, ist hochgradig sehbehindert. Mit Fahrlehrer Alexander Scheid ließ er sich auf ein besonderes Experiment ein: Er wollte testen, wie es ist, als Blinder Auto zu fahren und setzte eine sogenannte Schwarzbrille auf. „Da muss man sich wirklich ganz auf den anderen verlassen, wie im echten Leben“, erzählt er nach der Fahrt. Auch habe er keinerlei Orientierung gehabt.

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