Erst beim Signieren wurde Martin Walser müde

11.11.2015, 06:00 Uhr
Erst beim Signieren wurde Martin Walser müde

© Udo Güldner

Martin Walser liest nicht etwa im Sitzen, wie man es von einem Mann im Herbst des Lebens erwartet hätte. Während er seine wohlgesetzten Sätze mit einer frühlingshaften Frische vorträgt, steht er. Kein Erzähler führt den Leser durch das schmale Bändchen. Vielmehr sind es die Figuren selbst, die in Dialogen die Handlung vorantreiben. Wenn man bei einer trivialen Dreiecksgeschichte, in der ein alternder Regisseur seine langjährige Ehefrau und die natürlich viel jüngere Geliebte auf die Bühne bringt, davon sprechen kann. Trotzdem ist „Die Inszenierung“ ein Roman, und angesichts der heiteren, altersmilden Ironie, der spielerisch-eleganten Sprache und der kunstvollen Spiegelungen mit Tschechows trauriger Komödie „Die Möwe“ ein wunderbar inspirierender.

Es entwickelt sich ein fortwährendes Selbstgespräch des Autors mit seinen Stimmen, die er auf das zuvor jungfräuliche Papier gebannt hat. Ein romantischer Künstler umgeben von klar und nüchtern denkenden Frauengestalten, seien es Gattinnen wie Dr. Gerda oder Bettgesellinnen wie Ute-Marie oder Lydia, die dennoch dem Charme des angeschlagenen Womanizers erliegen. Buchstäblich, denn selbst auf dem Krankenbett im Klinikum zieht Augustus Baum die Frauen zuerst an und danach aus.

Das freilich sind Männerphantasien, die Martin Walser allerdings so lustvoll schildert und zugleich karikiert, dass einem eigentlich peinliche Rubbeleien zwar auffallen, sie den Roman jedoch nicht aus der erzählerischen Bahn werfen.

 „Er buchstabiert noch einmal die Wirkung ihres Kusses“, ist so ein typischer Satz, der Martin Walser irgendwo zwischen Pathos und Pianissimo entströmt ist. Denn er — und sein alter ego zwischen den Buchdeckeln — leiden am „seriösesten Leiden, der Liebe.“ Da bleibt auch manch kitschiger Ausrutscher nicht aus. Aber auch viele mutige, selbstentblößende Sätze, in denen von „der Begegnung zweier Geschlechtsteile“ parliert wird. Im Plauderton paaren sich die Paare, umarmen sich die Worte, lieben sich die literarischen Einflüsse, von denen es in der Inszenierung heißt: „Menschen vergesse ich, Texte nie.“

Nach der anstrengenden Lesung signiert Martin Walser noch fast genauso lange seine Bücher, spricht mit den Besuchern und schreibt Nachrichten am Smartphone. Erst da, als er den Kosmos seiner Figuren verlassen hat, als sie nicht mehr durch ihn sprechen, wirkt er alt und müde.

Wie sein im Grunde einsamer Held Augustus Baum, den das Leben gefällt hat.

Der „blätterWALD“ rauscht weiter:

Ringelhoff & Bollermann: Mittwoch, 11. Nov., 10.45 Uhr, Stadbücherei Forchheim;

Anja Jonuleit: Mi., 11. Nov., 19.30 Uhr, Bücherei Igensdorf;

Katrin Zipse: Do., 12. Nov., 10 Uhr, Gymnasium Fränkische Schweiz Ebermannstadt;

Tommie Goerz: Do., 12. Nov., 19.30 Uhr, Rittmayer Hallerndorf;

Patrick Grasser: Fr., 13. Nov., 10 Uhr, Grundschule Gräfenberg;

Daniel Scholz: Freitag, 13. Nov., Junges Theater Forchheim;

Tanja Kinkel: Samstag, 14. Nov., 19.30 Uhr, Haus der Generationen Neunkirchen;

Richard Dübell: So., 15. Nov., 11 Uhr, Jägersburg Bammersdorf.

Tickets: www.sparkasse.forchheim.de

Keine Kommentare