Knapp am Totschlag vorbei

12.2.2015, 18:18 Uhr
Knapp am Totschlag vorbei

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„Nicht nur das Opfer hatte Glück, dass die Verletzungen nicht so schlimm waren. Auch sie haben Glück, dass sie nicht wegen versuchten Totschlags auf der Anklagebank sitzen, sondern ,nur‘ wegen gefährlicher Körperverletzung.“ Diese Nuance bei der Anklageerhebung war der Grund, warum Oberstaatsanwalt Bernd Lieb (Bamberg) den Weg ans Amtsgericht Forchheim gefunden hatte. „Das ist eine ganz heiße Kiste, eine Gratwanderung, saugefährlich.“

Sonst sind am Amtsgericht meist einfache Staatsanwälte anzutreffen. Drei Jahre und vier Monate Haftstrafe — so lautete das Urteil des Schöffengerichtes unter Vorsitz der Strafrichterin Silke Schneider, das im Grunde dem Plädoyer des Anklagevertreters folgte.

„Deutliches Zeichen“

Der hatte drei Jahre und sechs Monate gefordert. Ohne Bewährung. „Daran verschwenden wir keinen Gedanken,“ so Oberstaatsanwalt Lieb, der sich ein deutliches Zeichen der Justiz wegen sich häufender Messerattacken in der Region wünschte.

Der 49-jährige Angeklagte, ein Arbeiter aus Forchheim, machte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, indem er vorgab, sich an nichts erinnern zu können. Vor knapp einem Jahr war es um 2 Uhr nachts in einer Bierkneipe in Forchheim zu einer zuerst verbalen, dann handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen. Zwei Männer, die sich von früher gut kannten, liefen sich dort vor dem Lokal zufällig über den Weg. Drinnen gab es Bier auf Bier, und ein derbes Wort gab das andere.

Plötzlich spürte das Opfer, das als Zeuge geladen war, die Faust des Angeklagten in der Leistengegend. „Der Schmerz kam erst kurz danach. Da hatte ich das Messer bereits gesehen, wie er es aus der Wunde gezogen hatte.“ Danach rastete der Verletzte, dessen Hose inzwischen blutverschmiert war, aus. Wohl auch, um weitere Stiche abzuwehren. Es kam zu einer wüsten Schlägerei vor der Bierbar, in deren Folge er dem Angeklagten eine Kopfplatzwunde und Prellungen zufügte. Erst die Polizeistreife konnte die Streithähne trennen und den zu diesem Zeitpunkt immer noch aufgebrachten Mann mittels Handfesseln ruhigstellen.

„Ich konnte mich einfach nicht beruhigen,“ so das Opfer der Messerstecherei, das im Klinikum Forchheim ambulant behandelt wurde, um die drei Zentimeter breite und fünf Zentimeter tiefe Stichwunde zu nähen. „Nur zwei Zentimeter weiter oben oder unten, und sie hätten die Beinschlagader getroffen. Dann wäre ihr Opfer in zwei Minuten verblutet“, so Lieb.

Ein gefährliches Werkzeug und eine das Leben potentiell bedrohende Handlung seien die Hauptmerkmale der gefährlichen Körperverletzung. Außerdem frage er sich, warum der Angeklagte mit einem Messer in die Kneipe ginge, „übrigens nicht zum ersten Mal.“

Das Opfer erzählte von der Unterhaltung am Tresen: „Er hat mir mehrfach ein Klappmesser gezeigt und mir gesagt, er wolle mich damit schneiden, oder andere, die es verdient hätten.“ Ob das von der Polizei auf der Straße vor der Bierbar gefundene Messer die Tatwaffe war? Keine Spuren waren daran zu finden. Ob der Angeklagte überhaupt eine Klinge dabeihatte? Das hatte niemand außer dem Opfer beobachtet. Warum das anfänglich ruhige Gespräch so eskalierte? Weder die Beteiligten, noch die Zeugen, darunter die Bedienung und der Koch, konnten es erklären.

Vielleicht lag es ja daran, dass der Angeklagte sich vor Jahren 1000 Mark geborgt hatte, um seinen Führerschein, den er wegen Trunkenheit und Unfallflucht verloren hatte, wiederzubekommen. Die Summe hatte er nie zurückbezahlt. Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Rainer Frisch (Erlangen), versuchte vergeblich, Zweifel an der Version der Staatsanwaltschaft zu säen, Widersprüche in den Aussagen des Opfers in den Vordergrund zu rücken und damit einen Freispruch zu erwirken. „Ein Geständnis und eine Entschuldigung hätten sich hier positiv ausgewirkt,“ so der Anklagevertreter.

Elf Vorstrafen in 18 Jahren

Dass der Angeklagte in den letzten 18 Jahren elf Vorstrafen angesammelt hatte, und mit der Messerattacke gegen die Bewährungsauflagen der letzten Verurteilung von 2013 verstoßen hatte, berücksichtigten Amtsrichterin Silke Schneider und ihre beiden ehrenamtlichen Schöffen zuungunsten des Angeklagten. Auch die erhebliche Alkoholisierung von fast 2,5 Promille half dem Angeklagten nicht.

Zuerst muss der Verurteilte acht Monate „Vorwegvollzug“ absitzen, bis er seine einjährige Einweisung in eine Entziehungseinrichtung antreten kann. Die psychiatrische Gutachterin vom Universitätsklinikum Erlangen, sprach von einer krankhaften seelischen Störung, die durch den Alkohol zu Kontrollverlust führe. „Es sind weitere, wohl schwerere Straftaten zu erwarten,“ so Richterin Schneider.

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