Städtepartner: Steckt Forchheim in der Beziehungskrise?

Ulrich Graser

Stv. Redaktionsleiter, Nordbayerische Nachrichten für Forchheim und Ebermannstadt

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9.4.2019, 07:00 Uhr
Die Partnerschaften Forchheims mit sechs anderen europäischen Städten sind in die Jahre gekommen. Genauso wie die entsprechenden Tafeln an den städtischen Einfallstraßen.

© Ralf Rödel Die Partnerschaften Forchheims mit sechs anderen europäischen Städten sind in die Jahre gekommen. Genauso wie die entsprechenden Tafeln an den städtischen Einfallstraßen.

Pößneck? Da war doch mal was. Am 3. Oktober 1990 unterzeichneten Oberbürgermeister Franz Stumpf und sein Kollege Michael Roolant den Freundschaftsvertrag. Es ging darum, die Teilung „unseres deutschen Vaterlandes“ zu überwinden. Zu diesem Zweck sollte es von der Politik bis zum Sport vielfältige Beziehungen und Austausch geben.

Heute, sagte Nico Cieslar von der Tourist-Info (die Städtepartnerschaften sind ihm zugeordnet), passiert in Richtung Pößneck nichts mehr. Zwar gebe es einen Partnerschaftsbeauftragten, aber außer dass jährlich drei Thüringer zum Annafest (mit touristischem Rahmenprogramm) kommen, sei die Partnerschaft praktisch tot.

Die Diagnose bei den anderen fünf Patienten lautete unterschiedlich kritisch: Mit Rovereto läuft ein vielfältiger Austausch herüber und hinüber, das Komitee und dessen Leiter Reinhold Otzelberger (Stadtrat, CSU) sind sehr aktiv.

Heuer werden 30 Jahre Partnerschaft in Italien gefeiert, zum Stadtfest sind die Roveretaner mit zwei Chören vertreten, die Feuerwehren halten engen Kontakt, der Schüleraustausch läuft und die Damenmannschaft des 1. FC Burk nimmt jedes Jahr am Osterturnier in Rovereto teil.

Auch für Le Perreux (beauftragt: Stadtrat Stefan Schick, FDP) stellte Cieslar eine gute Prognose: Sportlicher Besuch kommt zum Wettkampf während des Stadtfestes, es gibt Schüleraustausch, Annafest-Besuch und einen Stand am Weihnachtsmarkt — außer im letzten Jahr, als Forchheim die Franzosen mit ihren Spezialitäten vom Rathausplatz ins Kaiserpfalzgewölbe verpflanzen wollte. Da blieben sie lieber daheim.

Am Rathausplatz stand derweil wie immer eine Partnerschaftsdelegation aus dem rumänischen Gherla, befreundet seit 1995. Forchheim unterstützt eine Lehrkraft für Deutsch in Gherla, eine Delegation reist im Juni zum Stadtfest nach Rumänien. Die Rumänen kommen auch zum Annafest. Am 18. Mai soll es im Kellerwald ein Benefiz-Konzert zugunsten von Hilfsprojekten geben. Die Partnerschaft hängt stark vom Engagement des Beauftragten Gerhard Käding (Stadtrat, CSU) ab.

Amt niedergelegt

Fürs tschechische Broumov gilt laut Cieslar wie für Pößneck: Außer einem Besuch zum Annafest „passiert da nichts“. Der Beauftragte hat sein Amt aus Altersgründen kürzlich niedergelegt. Neue Partnerschaftsbeauftragte werden künftig vom Hauptausschuss gewählt. Es können, müssen aber nicht Stadträte sein.

Bleibt noch Roppen in Tirol, Partnerschaftsbeauftragter ist Stadtrat Ulrich Schürr (JB/CSU). Die regelmäßigen Aktivitäten, außer Annafest-Besuch: „Skifahrt nach Roppen in einem Rhythmus von zwei Jahren“.

Die weniger gut laufenden Partnerschaften verglich Manfred Hümmer (FW) mit langjährigen Ehen: Gewohnheit siegt über die Schmetterlinge im Bauch. Dabei hält er gelebte Partnerschaften für ein gutes Mittel gegen „separatistisches Denken“. Thomas Werner (CSU) nannte die 6000 Partnerschaften deutscher Kommunen „die größte Friedensbewegung der Welt“.

Albert Dorn (FW) erlebte 1974 die Gründung der Partnerschaft mit Le Perreux mit. Viele Jahre habe es mit den Franzosen auf unterschiedlichen Ebenen Kontakte gegeben, heute höre er davon fast nichts mehr. Freilich: „Man muss auch die Sprache können.“ Für Thomas Schuster (CSU) ist etwas anderes entscheidend: gemeinsame Aktivitäten. Aus Erfahrungen mit Rovereto weiß er: „Wenn ich Sportler bin oder Musiker, dann habe ich ein gemeinsames Thema, das ist eine Sprache für sich.“

Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD) sagte zu Forderungen nach einem höheren Budget (aktuell: 25.000 Euro): „Am Geld wird’s nicht scheitern. Wir brauchen Menschen, die eine Partnerschaft auch leben.“
Alle Stadträte zusammen einigten sich auf eine Absichtserklärung, die Nico Cieslar in Beratungen mit den Fraktionen jetzt in ein Programm verwandeln soll: neue Impulse für die Partnerschaften. Man müsse sich, fasste Hümmer zusammen, mit den Partnern zusammensetzen und besprechen: „Was wollen wir überhaupt?“

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