Das Wanken rationaler Weltbilder

24.8.2015, 09:30 Uhr
Das Wanken rationaler Weltbilder

© Foto: Verleih

Wieder sind es vier hauseigene Produktionen, mit denen das Stadttheater ein Publikum zu locken versucht, das nicht erst auf die Rezensionen der Kritikergilde wartet. Das „Recht der ersten Nacht“ teilen jedoch noch immer nicht allzu viele Fürther; in der Vorsaison nahmen es 150 Abonnenten wahr. Da ist — fünf Euro ins Phrasenschwein — noch Luft nach oben, obgleich die erste Premiere geradewegs nach ganz unten führt.

Nach „Bahn frei“ 2010 und „Petticoat & Schickedance“ 2007 kommt es mit „Der Tunnel“ erneut zu einer Zusammenarbeit der beiden Fürther Kulturpreisträger Thilo Wolf und Ewald Arenz mit Regisseurin Jean Renshaw. Die Musical-Fassung des Romans des Fürthers Bernhard Kellermann stehe programmatisch für das Spielzeitmotto, so Dramaturg Matthias Heilmann.

„Der Tunnel“, 1913 bei S. Fischer erschienen und einer der ersten deutschsprachigen Bestseller, spiegele die Faszination für die moderne Technik wider, zeige aber auch die Folgen des ungebändigten Kapitalismus’ — „ein unglaublich aktuelles Stück“, so Heilmann. Ingenieur MacAllan will binnen weniger Jahre einen Tunnel von Amerika nach Europa bauen, doch der Traum der Ingenieurs mutiert zum schieren Albtraum. Arenz hat den Kellermann-Stoff auf sechs Personen reduziert, von Thilo Wolf, zuletzt Arrangeur bei „Mademoiselle Marie“ in Cadolzburg, stammt die Musik. Im Ensemble gibt es neue und bekannte Gesichter. Alen Hodzovic (MacAllan) war schon im „Lächeln einer Sommernacht“ zu sehen, Caroline Kiesewetter in „Petticoat“, Oliver Fobe in „Graf Oederland“. Premierentermin ist der 16. Oktober.

Dann heißt es drei Monate Durchschnaufen, ehe am 14. Januar „Caligula“ sein Haupt erhebt. Über die Unberechenbarkeit von Macht macht sich Albert Camus in seinem 1945 (!) in Paris uraufgeführtem Vierakter Gedanken. Ein zu Beginn noch guter Herrscher (Sebastian König) wird nach dem Tod seiner Schwester zum Tyrannen, bis ihm sein Irrtum bewusst wird und er seine eigene Ermordung fördert. Kein leichter Stoff, der nie ganz aus den Spielplänen verschwand, zuletzt aber selten zu sehen war; am Volkstheater München lief „Caligula“ in der Vorsaison, davor an der Wiener Burg.

Fürther Regiedebütantin ist Petra Wüllenweber aus Saarbrücken. Zunächst Regisseurin an den Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld/Mönchengladbach, ist sie seit 2000 freischaffend und arbeitete unter anderem in Köln, Linz und Bremen. Für das Theater Bamberg schreibt sie das Stück „Auf Eis“, das im März 2016 uraufgeführt wird.

Und gleich noch ein Nachkriegs-Klassiker: In „Homo faber“ (3. März) zeigt Max Frisch den Gegensatz von Technik und Natur sowie die Auflösung eines rationalen Weltbildes — Hauptfigur Walter Faber ist Ingenieur vom Scheitel bis zur Sohle — durch einen Flugzeugabsturz. Fürth zeigt die Dramatisierung des Romans durch Volkmar Kamm, die 2009/10 großen Erfolg am Landestheater Salzburg hatte. Kamm beschränkt sich auf fünf Figuren, wobei er den Titelhelden aufspaltet in Homo und faber.

Auch Ulrike Arnold inszeniert zum ersten Mal am Stadttheater. Als Schauspielerin war sie von 2002 bis 2009 festes Ensemblemitglied des Bayerischen Staatsschauspiels. Fürs Metropoltheater München inszenierte sie unter anderem Dylon Thomas’ „Unter dem Milchwald“. „Ein wunderbares Theatererlebnis“, schwärmte die Süddeutsche Zeitung nach der Premiere im Januar 2014.

Am Jungen Theater Göttingen ist Tobias Sosinka Künstlerischer Leiter und stellvertretender Intendant. Der gebürtige Potsdamer ist im Premierenreigen der dritte Fürther Regie-Neuling. „Der Held der westlichen Welt“ des Iren John Millington Synge, 1907 uraufgeführt, ist kein Bühnen-Dauerbrenner, kam jedoch 2004 in Berlin in einer Opernfassung auf die Bühne. In Fürth geht’s aber auch ohne Musik.

Im Mittelpunkt steht der schüchterne junge Mann Christy, der im Streit seinen eigenen Vater erschlägt und auf der Flucht in einem irischen Dorf am Ende der Welt landet. Im Pub erzählt er einem staunenden Publikum seine Geschichte und merkt rasch, dass ihm Bewunderung und Begeisterung entgegenschlagen — in dem Kaff ist endlich mal was los. Bis auf einmal der „erschlagene“ Vater quicklebendig auftaucht.

„Eine sehr gute Komödie über menschliches Verhalten und Prahlerei“, urteilt Dramaturg Heilmann. Premiere ist am 3. Juni.

Abo-Neubestellungen — das Premieren-Abonnement kostet zwischen 74 und 124 Euro — nimmt das Stadttheater Fürth (Königstraße 116) bis 2. Oktober entgegen. Infos und Bestellzettel befinden sich im Spielplanheft zur Saison 2015/16.

Keine Kommentare