Die Sonne des Südens

2.6.2016, 19:00 Uhr
Die Sonne des Südens

© Foto: Thomas Scherer

Wer sich im Obergeschoss der Volksbücherei umsieht, fühlt sich schnell in mediterrane Gefilde versetzt. Tatsächlich vermitteln die Gemälde von Christa Schüssel, die gerade noch am Rande der Figürlichkeit und Gegenständlichkeit arbeitet, eine Atmosphäre von vorderem Orient, von Nordafrika und Südspanien. Das rührt nicht nur von der stolzen Haltung der Figuren her, von den zarten hellen Farbtönen, wie sie im Schatten der sengenden Sonne anzutreffen sind. Das liegt auch an der Anmutung der Farben, die eine Massivität annehmen, wie man sie eher Stein und Mauerwerk zuschreibt.

Es sind vor allem Frauen, die die Szene dominieren, Männer sind kaum auszumachen. Kleopatra und die Königin von Saba walten gewissermaßen als Matronen über die heile Welt der Entspannung, der Mittagsstunde, in der sich Tier und Mensch zur Siesta zurückziehen und zu ihrer Mitte finden. Wo Christa Schüssel eine Gratwanderung zwischen Figürlichkeit und Abstraktion anbietet, steht der Betrachter angesichts von Marlene Weindlers Farbexplosionen ziemlich alleingelassen da. Das Auge schweift über die wilden Farbzusammenstellungen, der Assoziationssektor im Hirn läuft auf Hochtouren.

Woran erinnert das? Könnte sich diese oder jene Form zu einem wiedererkennbaren Ding fügen? Fehlanzeige! Aber das Zusammenspiel von Farbflächen, Sprenkeln und Linien allein ist nicht das, was Marlene Weindlers Werke interessant macht, sondern wie sie die Oberfläche und Tiefenschichten der Farben, ihre Textur und ihren Körper behandelt. Da zeichnen sich Grate und feinste Reliefs ab, verstreuen sich Knötchen und Kügelchen, reißt der Rakel rücksichtslos eine Farbfassade auf und legt darunter verborgene Schichten bloß.

Und so findet sich der Betrachter von Marlene Weindlers Gemälden dann doch in einer neuen Rolle wieder: als Archäologe, der sich vorsichtig durch Farbschichten tastet. Die Ausstellung ist noch bis 23. Juni eingerichtet.

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