Filmschnipsel lassen das alte Fürth lebendig werden

1.11.2016, 10:00 Uhr
Filmschnipsel lassen das alte Fürth lebendig werden

© Fritz Wolkenstörfer

Schon 15 Minuten vor Beginn kommen einem Besucher entgegen: „Da musst du nicht mehr hin, alles überfüllt!“ So ist es also um die Fürther Traditionsliebe bestellt: Die recht nüchterne Ankündigung „Fürth im Film. Stadtgeschichte(n) mit laufenden Bildern“ sorgt für einen kleinen Auflauf. Karin Jungkunz aber, die im proppenvollen Uferpalast-Saal gut 50 Gäste begrüßt, hält den Ball erst mal flach: „Das ist nur ein erster Versuch“, klärt sie auf, „nichts Besonderes, schaut es euch halt mal an.“

Jungkunz und Berthold haben Filmschnipsel zusammengetragen, von etwa 1918 bis 1984. Meist Amateuraufnahmen, die zeigen, was Fürther fast ein Jahrhundert lang an ihrer Stadt liebenswert fanden oder wenigstens wesentlich. Das Publikum ist äußerst kundig. Das heißt, dass viele natürlich auch solche Gebäude sofort erkennen, von denen (zunächst) nur Details zu sehen sind.

Und vor allem, dass sie die Leute auf den Bildern kennen, nicht nur die Prominenz, selbst wenn der Filmzeitpunkt ein halbes Jahrhundert her ist. „Schau her, der Metzger Stadler, mit anner gelbn Daschn“, tönt es aus dem Publikum. Oder: „’s Finanzamt, da liechd mei gaaanz Geld drin.“

Auf der Leinwand wird die Ludwigseisenbahn wieder lebendig, sie hält an einem belebten Platz, den jüngere Generationen nicht gleich erkennen dürften: der Nürnberger Plärrer in den 50ern. Andere Aufnahmen erinnern an düsterere Zeiten: Bombenangriffe, die 1945 dem Flugplatz auf der Hardhöhe galten.

Bilder verschiedener Amateurfilmer zeigen die ewig schmerzende Wunde jener Menschen, die am historischen Fürth hängen: den „Goonsberch“, enge Gassen, schiefe Häuser, ein bröckeliges Idyll; und dann minutenlang Aufzeichnungen vom Abriss, riesige Bagger, die schieben und stauchen, fallende Mauern, das Bild düster vom Staub, den man fast riechen kann . . . Das Viertel verschwand, Haus um Haus. Die verstörende „Flächensanierung“ wurde zur 20-jährigen Operation am offenen Herzen.

„Damals wurden nur Neubauten öffentlich subventioniert. Fürs Sanieren gab es kein Geld“, erläutert Karin Jungkunz den Hintergrund zum Radikalabriss nach dem Zweiten Weltkrieg mit Bedauern in der Stimme. „Ganz sicher würde das Urteil, das damals im Trend der Zeit lag, heute anders ausfallen“, schrieb schon ihre Vorgängerin, Barbara Ohm, vor Jahren in ihrer großen Stadtgeschichte. Man kann also aus den wackligen Filmbildern etwas lernen.

Rußig-schwarze Fassaden

Rührende Sequenzen sind dabei, etwa die, in der ein ehrgeiziger Amateur-Cineast einen Bund bunter Luftballons wohl vom Rathausturm aus mit dem Teleobjektiv durch die halbe Innenstadt verfolgt. Zittrig und wankelmütig flattern die aufgeblasenen Botschafter an Dachgiebeln vorbei, unter sich bald Rathausplatz, bald Hirschenstraße, wie ein Hochzeitsblumenstrauß, den niemand fangen konnte oder wollte.

Kann man sich im heutigen, generalsanierten Fürth noch erinnern, wie rußig schwarz bis weit in die 80er Jahre die Fassaden ganzer Straßenzüge waren? Wer weiß noch, dass die Hard- und Soldnerstraße so breit und stolz daherkommen, weil sie die alten Landebahnen des Hard-Flughafens nutzten? Am 6. April 1955 hob hier der letzte Flieger ab, fortan erst konnte der neu gebaute Nürnberger Flughafen genutzt werden (der alte wurde im Krieg zerstört). Anstelle des Flughafens entstand das Stadtviertel Hardhöhe, komplett am Reißbrett geplant.

So erzählen diese uneinheitlichen Kurzfilme die Geschichte der Stadt. Lothar Berthold hat die meisten gesammelt, jahrzehntelang, von diesem und jenem bekommen. 8-mm-Streifen, 35-mm-Profiaufnahmen, VHS-Videos. Dies alles von professionellen Dienstleistern digitalisieren zu lassen, wäre unbezahlbar gewesen. Glücklicherweise konnte Karin Jungkunz einen alten Freund aus dem Filmhaus im K4 überreden: Hans-Jürgen Wunderlich nahm sich der alten Streifen an. „Ein Nämbercher“ hat sich ums Kleeblatt verdient gemacht. Auf sieben DVDs ruht nun der 47-Minuten-Film. Und doch fehlt noch das ein oder andere, etwa ein Filmlein über den Vorgänger des Uferpalats, das Kino im Krawattenhaus.

Wegen der großen Nachfrage soll der Streifen erweitert und wieder gezeigt werden. Termine werden auf der Internetseite des Geschichtsvereins und in den FN bekannt gemacht.

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