Fürth: Inklusionsbetrieb rückt in die Ferne

30.1.2018, 11:00 Uhr
Fürth: Inklusionsbetrieb rückt in die Ferne

© Hans-Joachim Winckler

Das Anfang 2017 in Kraft getretene Bundesteilhabegesetz hat Jürgen Liedtke ermutigt, sein Geschäftsmodell zu erweitern. Liedtke, Inhaber der Fürther Rösterei Lapuzia und ehemaliger Unternehmensberater, möchte nicht nur fair gehandelte und biologisch wertvolle Produkte anbieten, sondern auch den Inklusionsgedanken umsetzen. Einen Kooperationspartner hat er in den Dambacher Werkstätten der Lebenshilfe gefunden. Seit August verpacken hier Menschen mit Behinderung in seinem Auftrag den Kaffee der Rösterei.

Mit 150 Millionen Euro will der Bund in den nächsten drei Jahren den Ausbau von Inklusionsbetrieben vorantreiben. Bis zu 4500 neue Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung sollen dadurch entstehen. Einige davon würde Liedtke gerne selbst schaffen. Weil aber weder sein bisheriger Betrieb an der Adenaueranlage noch die Lebenshilfe über genug Platz verfügen, muss ein Neubau her. Nach langer Suche fand Liedtke in Langenzenn ein 2000 Quadratmeter großes Areal für ein zweistöckiges Betriebsgebäude mit 800 Quadratmetern.

Kaffeerösterei, Verpackungsbetrieb und einen Bioladen will er hier ansiedeln. Arbeit für zunächst sechs Mitarbeiter – drei davon mit Behinderung. Letztere sollen in den Bereichen Verpackung, Etikettierung, Logistik und produktionsbegleitende Tätigkeit eingesetzt werden. Die behindertengerechte Gestaltung des Betriebs ist allerdings teuer. Auf 400 000 Euro schätzt der Fürther Kaffeeröster die Gesamtinvestition. Das für die staatlichen Fördermittel zuständige Integrationsamt in Nürnberg bezuschusst jedoch nur Personal und Umbauten, aber keine Neubauten. Und die "Aktion Mensch", an die Liedtke von der Behörde verwiesen wurde, unterstützt wiederum keine Privatpersonen.

Um an Zuschüsse der Sozialorganisation zu kommen – 250 000 Euro wurden dem Kaffeeröster in Aussicht gestellt –, müsste er seinen Betrieb in eine gemeinnützige GmbH umwandeln. "Die darf aber keine Gewinne abwerfen und mir steht nur ein Gesellschaftergehalt zu", erläutert der Geschäftsmann die Problematik.

Immer neue Forderungen

Nicht geheuer kommt ihm zudem die Aufforderung des Integrationsamtes vor, jetzt auch noch die Umsatzzahlen seiner Rösterei offenzulegen. Schließlich habe er bereits einen detaillierten Businessplan eingereicht, der Aufschluss über alle finanziellen Fragen gebe. Mit immer neuen bürokratischen Forderungen sieht sich der Geschäftsmann konfrontiert und gibt zu bedenken: "Ich bin Kaffeeröster und kein Beamter."

Die Hängepartie hat Liedtke mürbe gemacht. "Das ganze vergangene Jahr habe ich für das Projekt geopfert und mir keinen Urlaub gegönnt. Jetzt stehe ich da, wo ich vorher schon war." Vergeblich hat er gehofft, bei den Behörden einen Ansprechpartner zu finden, der ihn durch den Dschungel der Fördermodalitäten dirigiert.

Als Vorsitzender der Fürther Lebenshilfe bedauert auch Oberbürgermeister Thomas Jung, dass die bürokratischen Hürden für Inklusion so hoch sind. Liedtkes Bemühungen stuft er als "absolut vorbildlich" ein. Jung rät dem Kaffeeröster, geförderte Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung in seinen bestehenden Betrieb zu integrieren, wie es auch die Stadt Fürth schon praktiziere. Doch dafür fehlt Jürgen Liedtke der Platz.

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