Im Auftrag der Liebe nach Fürth

12.4.2016, 19:15 Uhr
Im Auftrag der Liebe nach Fürth

© Archivfoto: Michael Matejka

Margaret Thatcher hatte auch so etwas auf dem Kopf. Die Älteren werden sich vielleicht an die eiserne Lady erinnern, für alle anderen genügt jetzt ein Blick auf Dieter Thomas Kuhns Haartracht. Akkurater Scheitel. Innenrolle. Geföhnt, nicht gewickelt. Vor allem aber: betonfest. Wer ihn je auf der Bühne erlebt hat, weiß: Diese Frisur hält. Und hält. Und hält. Herr Kuhn, ist das wirklich alles Natur?

„Meine Haare? Aber ja, das ist alles echt. Also bis auf die Brusthaare“, versichert die sehr dezent schwäbelnde Stimme am anderen Ende der Telefonleitung. „Meine Haare sind mein Kapital, die sind existenziell.“ Tatsächlich lässt sich Dankbarkeit heraushören, wenn Dieter Thomas Kuhn bekennt: „Solange bei mir noch Resthaar da ist, wird gefönt.“

Für die nötige Standfestigkeit, auch das will er gar nicht verheimlichen, sorgt Haarspray: „Eine halbe Dose pro Auftritt.“ Kistenweise habe man das Zeug dabei, wenn es auf Tour geht („Wir benutzen die gleiche Marke wie unser Bundestrainer“). Wie sieht es mit dem Stylisten aus, ist der auch mit an Bord? Kuhn lacht: „Aber nein, die Frisuren macht uns immer Howie, der Gitarrist.“ Zunächst habe wirklich eine Fachfrau Hand angelegt. „Aber am Anfang hatten wir überhaupt kein Geld, außerdem sind wir Schwaben.“ Zufällig entpuppte sich dann Howie als fähiger Haarkünstler: „Wir sind alle begabt in vielen Dingen.“

Dieter Thomas Kuhn, zum Beispiel, der als Thomas Kuhn 1965 in Tübingen zur Welt kam, machte vor seiner Schlager-Karriere eine Ausbildung als Medizinischer Bademeister und Masseur. Davon profitiert „der eine oder andere“ noch heute. „Da gibt es schon mal eine Nackenmassage.“

Vor 22 Jahren griff der seit Januar 51-Jährige zu Schlaghosen und Glitter, setzte den schönen Namen Dieter vor seinen eigenen und coverte fortan Schlager der Siebziger. Vier Jahre später waren er und seine Kapelle gefeierte Entertainer, gekrönt mit dem Deutschen Schallplattenpreis und dem Echo. Doch am 1. Oktober 1999 machte Dieter Thomas Schluss. „Wir waren ausgepowert, hatten das Gefühl, die Geschichte sei auserzählt.“

Er ist ich

Von seiner Idee, sich musikalisch neu aufzustellen, hielten die Fans, kurz gesagt: nichts. Stattdessen feuerten sie Aufrufe ab, deren Inhalt eine Botschaft hatte: Macht weiter. 2004 wurden sie erhört. Dieter Thomas kam zurück. „Die Figur hatte angefangen, mir zu fehlen.“ Längst hat Kuhn jeden Widerstand aufgegeben: „Irgendwann kam bei mir die Erkenntnis: Ich bin Dieter Thomas. Mein Leben dreht sich um ihn.“

Die Frage nach einem Abschied stellt sich für ihn heute nicht mehr: „Der Gedanke ans Aufhören ist einfach nicht mehr da. Ich würde den Teufel tun und so etwas sagen. Es gibt auch gar keinen Grund dafür. Ich stehe mitten Leben, was wir tun, macht uns Spaß. Mehr kann man doch gar nicht wollen.“

Unumwunden gibt Kuhn zu, kein Schlager-Fan der ersten Stunde zu sein. Bevor bei ihm die Liebe zum großen Shalala erwachte, waren Pink Floyd oder die Beatles seine Helden. Im Privatleben kultiviert er bis heute den klassischen Jeans-und-T-Shirt-Look und trägt die schulterlangen Haare ungefönt. Auch daraus macht er kein Geheimnis. Über die Pause, die er seinem Alter Ego Dieter Thomas damals verordnet hatte, ist er froh: „Als er zurückkam, haben wir ihm schärfere Konturen gegeben.“

Seine Anhänger – auf der Homepage sind allein elf Fan-Clubs verzeichnet – sind nicht nur treu, sondern quer durch alle Altersgruppen zu finden. Was, bitte, macht den Schlager so begehrenswert? Eine abgegriffene Frage, auf die sich der Künstler keine Standartantwort zurechtgelegt hat. „Diese Musik spricht auch junge Leute an, die muss ganz klar etwas haben“, überlegt er und weiß: „Sie vermittelt Leichtigkeit, es geht immer um Liebe und letztendlich um Beischlaf.“

Die wahre Botschaft hinter dem „knallroten Gummiboot“ und dem „Bett im Kornfeld“ verstehen die Fans augenscheinlich sehr wohl - nimmt man als Maßstab einfach mal die Wurf-Post, die zu Kuhn und seiner Kapelle bei Konzerten auf die Bühne geflogen kommt. „Die schönsten Exemplare dieser BHs und Strings kommen ins Archiv“, enthüllt der Sänger. „Ich habe da eine große Kiste im Keller. . .“

Umgekehrt ist der Bariton aber auch nicht kleinlich. Sein Brusthaar-Toupet, das er sich vor jedem Auftritt selbst aus Theaterpelz in Form zupft, überlebt selten einen Auftritt: „Das wird mir in der Regel von Zuhörerinnen abgerissen.“

Der Mann, der Dieter Thomas Kuhn wurde, wird bei der aktuellen Tournee mit neuen Bühnen-Outfits begeistern. Irgendwie retro werden seine Anzüge wieder sein, funkelnd und als Kopie schärfer, als es die Originale je waren. Ist das alles nicht reichlich unbequem? Allein die Plateaustiefel? Kuhn lacht: „Aber so was trage ich doch gar nicht.“ Die perfekte Illusion endet an den Füßen: „Ich habe argentinische Flamencoschuhe an. Damit kann ich tanzen, in Plateauschuhen können Sie allenfalls herumstaksen. Schauen Sie sich mal alte Abba-Videos an.“

Könnte man machen. Oder besser: Dieter Thomas Kuhn und Band am Freitag in der Stadthalle erleben. Da ist dann alles echt. Bis aufs Brusthaar, versteht sich.

 

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