Irrsinn trifft Weisheit

26.9.2015, 15:00 Uhr
Irrsinn trifft Weisheit

© Foto: Tim Händel

Dass einen ein Kunstwerk gefangen nimmt, sagt sich leicht. Die Floskel passt ja auch ganz gut, so lange jedenfalls, bis Stefan Panhans ins Spiel kommt. Dessen Videoarbeiten fordern mehr. Wesentlich mehr. Wer sich ihnen aussetzt, wird mit Augen, Ohren, ach was, dem ganzen Körper absorbiert. Er nähert sich einer Welt, die zum Sog wird. Keine Chance, gleichgültig zu bleiben. Was hier abläuft, packt uns. Direkt und unausweichlich.

Da ist zum Beispiel diese Person mit den stahlblauen Augen in Stefan Panhans Video mit dem Titel „Sieben bis zehn Millionen“. Atemlos, angespannt und zutiefst involviert in ihr Tun berichtet sie vom Kauf irgendeines Technikdings. Ihr Einsatz, ihre Hingabe für diesen einen Kaufmoment könnte belanglos erscheinen, komisch fast. Wäre da nicht die Vertrautheit mit ihren Sätzen, die sich beim Zuhören einschleicht. Es ist exakt diese Art von Leidenschaft für irgendwelche Konsumentscheidungen, die sich längst überall breit gemacht hat.

Wie oft möchten wir schließlich weit mehr als irgendeinen Gebrauchsgegenstand erwerben? Marke, Verfügbarkeit und Image unserer Einkäufe senden Botschaften aus, die unsere Identität formen und abbilden sollen. Eine im Grunde äußerst merkwürdige Idee, die der Künstler in seinen Arbeiten zuverlässig bloßstellt.

Mit der größten Selbstverständlichkeit greift Panhans heraus, was unser Dasein heute zu bestimmen scheint. Die andauernde Sehnsucht nach Selbstoptimierung etwa, die Fitness und wohlgeformte Körper als höchstes Ziel zu erreichen trachtet. Reicht das? Bei weitem nicht. Vernetzt sein gehört dazu. Wissen, was läuft. Dabei sein. Chatten, bloggen, posten. Am besten wäre es ohnehin, wenn jeder ein Ein-Personen-Show-Event darstellt. Wobei keinesfalls die Pflicht vergessen werden darf, dem Körper die angesagte Wellness zu gewähren.

Überlegt bis ins Detail

Klingt anstrengend? Ist es ja auch. Wieso sollte es dann entspannend sein, sich auf die Arbeiten des 1967 im Rheinland geborenen Künstlers, der heute in Berlin und Hamburg lebt, einzulassen? Dafür entfalten die Videos einen großen Reiz, der nicht zuletzt in der bewundernswerten Sorgfalt liegt, mit der er seine Werke ausstattet. Die meist in geschlossenen Innenräumen aufgenommen Szenen sind bis ins Detail überlegt und ausgeführt. Kostüme, Maske, Lichtregie und Requisiten setzen die Zuschauer auf Gedankenfährten, werden zu Spuren, die in absurd-poetische Sphären locken.

Neben den Videos hat der Künstler Fotoarbeiten ins Bühlers gebracht. Stillleben, die sich unter dem Titel „Items for possible Video Sets“ treffen. Zur Beschaulichkeit laden auch diese Aufnahmen nicht ein. Es sind Collagen aus beiläufigen bis aberwitzigen Fundstücken, die kaum als Skizzen für künftige Videoarbeiten dienen werden. „Ich habe große Freude an diesen Arbeiten“, gesteht Stefan Panhans. Ihm gehe es darum, „verschiedene Geschichten anzutriggern“. Was er nicht will, ist eine simple Auflösung der Zeichen, die er auslegt. „Das kann nämlich ganz schnell kippen und lesbar werden.“ Handliches Entschlüsseln soll es nicht geben: „Ich arbeite daran, dass das nicht passiert.“

Was stattdessen passiert, ist ein plötzliches Aufleuchten von Originalität und Eigenheit. Spuren exakt jener Qualitäten, die den weise gezeichneten Protagonisten seiner Videoarbeiten im Kampf mit dem Zeitgeist verloren gegangen sind.

„The best ones make you feel as fearless as Beyoncé”: Bühlers (Königswarter Str. 22). Mittwochs bis freitags 11-15 Uhr und unter Tel. 93 27 61 60. Bis 15. Januar.

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