"next to normal": Hypnose inklusive

29.4.2015, 12:30 Uhr

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Die deutschsprachige Erstaufführung im Oktober 2013 und die sich anschließende Aufführungsserie gilt als einer der größten Triumphe der langen Intendanten-Ära Müller. Die Wiederaufnahme (für alle Abende gibt es noch Tickets) ist morgen in identischer Besetzung — mit einer Ausnahme. Als Dr.Fine/Dr. Madden ist der gebürtige Erlanger Armin Kahl neu im Ensemble. Er gehörte zur Premieren-Crew des Udo-Jürgens-Musicals „Ich war noch niemals in New York“ in Hamburg, war, ebenfalls in der Hansestadt, der „Tarzan“-Titelheld, war in „Mamma Mia!“ in Stuttgart auf dem Abba-Trip und ist in Kürze in München in der Uraufführung von „Gefährliche Liebschaften — das Musical“ als Vicomte de Valmont zu erleben. Mit Kahl sprachen die FN über Musicals mit Tiefgang, über Bühnen-Brimborium und eine Heimat, die nach Schäufele riecht

 

.Die Musicalbranche boomt unentwegt, kaum eine Großstadt, die hierzulande keine Produktion im Angebot hat. Wie würden Sie jemandem, der von „next to normal“ noch nie etwas gehört hat, schmackhaft machen, dass er nach Fürth muss?

Kahl: Ich würde ihn zunächst vorwarnen. Es ist nämlich ein Musical mit viel Tiefgang. Es kommt rüber wie ein Schauspiel, ist sehr auf die Handlung bezogen und reiht keine hohlen Popballaden aneinander. „next to normal“ spiegelt die emotionale Reise der Hauptdarstellerin wider. Die Musicalgänger-Generation, die wir in Deutschland haben, haben wir uns in den achtziger Jahren großgezogen — eine Zeit, die nicht schlecht war. Aber das Genre hat sich weiterentwickelt. Wie, das kann man bei „next to normal“ sehen. Wenn also jemand Lust hat auf ein modernes, zeitgenössisches Musical, dann ist er hier richtig.

 

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Regisseur Titus Hoffmann?

Kahl: Wir kennen uns seit 2007, er war maßgeblich beteiligt an der Entwicklung von „Ich war noch niemals in New York“, wo wir uns über den Weg liefen. Er ist Franke, ich auch, das verbindet. Ich bin damals nicht zum „next to normal“-Casting, es ging zeitlich nicht. Und ich dachte, verdammt, da kommt jetzt mal so ein richtig gutes Stück, und du kannst nicht dabei sein. Für die Wiederaufnahme jetzt hat es sich ergeben, was mich sehr froh macht. Fürth ist inzwischen ein Name auf der Musical-Landkarte, das Stadttheater gilt als Vorreiter im Entdecken von Werken, vor denen andere Häuser zurückscheuen.

 

Sie waren und sind an allen wichtigen Musical-Standorten im deutschsprachigen Raum. Wie schafft man das?

Kahl: Ich habe mich zehn Jahre lang dort hingearbeitet. Vielleicht muss man zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Außerdem war ich nie ein Ein-Rollen-Typ, das hat mir die Frische erhalten.

 

Beim Musicaldarsteller mischen sich die Schauspieler-Gene mit den Sänger-Genen. In welcher Gewichtung sind die bei Ihnen verteilt?

Kahl: Ich wollte immer Schauspieler werden und habe mich nur bei einer Musicalschule beworben. Ich bin froh, dass ich in München eine sehr gute, schauspielerisch arbeitende Schule hatte. Aber was bin ich? Ich würde sagen, ein singender Schauspieler, der sich gut bewegen kann. In dieser Reihenfolge.

 

Sind Sie auf der Bühne lieber der Held oder der Schurke?

Kahl: Die Abwechslung ist schön. Der böse Charakter in einem Stück ist sicher das Salz in der Suppe. Dr. Madden in „next to normal“ ist ja auch zunächst ein schwer durchschaubarer Typ. Er begleitet die depressive Diana, macht Hypnose. Titus sagt: Der Zuschauer darf nicht denken, dass er sie mit der Hypnose ausnutzt. Ein schmaler Grat, aber sehr interessant.

 

Sie sind gebürtiger Erlanger. . .

Kahl:. . .und aufgewachsen in Höchstadt/Aisch. Und in Röttenbach habe ich erst mal was Anständiges gelernt: Zahntechniker.

 

Umso mehr interessiert uns die Antwort auf die Frage: Wie wird man im Erlangen-Höchstädter Landkreis vom Musical-Virus infiziert?

Kahl: Meine Eltern waren sehr theateraffin. Das erste Musical, das ich sah, war „West Side Story“ in Berlin. Und dann kam 1997 „Elisabeth“ in Wien. Das war der Abend, an dem ich wusste: Das will ich machen. Und nun stehe ich mit der Elisabeth von damals wieder mal gemeinsam auf der Bühne: Pia Douwes. Ich habe erst vor ein paar Tagen bei der Probe zu ihr gesagt, Mensch Pia, ist es nicht einfach unglaublich? „Elisabeth“ war eine Riesenshow, unvergesslich. Aber ich bin froh, dass wir in fast 20 Jahren das ganze Brimborium zurückschrauben konnten. Es geht jetzt auch ohne fünf Hebe- und Senkbühnen, die pausenlos im Einsatz sind.

 

Welches Musical sollten die Fürther unbedingt aufführen und warum?

Kahl: Zunächst einmal hat das Fürther Haus einen großen Pluspunkt: seine Größe. 740 Plätze, optimal. In Wien haben Sie zwar zig Theater, aber das sind alles sehr große Kästen, deren Intendanten das Risiko fürchten, mit einem sperrigeren Stoff Schiffbruch zu erleiden. Es gibt ganz tolle Sachen, die im deutschsprachigen Raum leider nicht funktionieren. „Natürlich blond“ lief am Broadway rauf und runter. In Wien ging es gar nicht, denn diese US-Cheerleader-Tussis waren für das Publikum wie ein Raumschiff vom anderen Stern. Dabei ist das Stück musikalisch sehr interessant und fein gemacht.

 

In Ihrer Branche ist man heute hier, morgen dort. Was bedeutet Heimat für Sie? Wo fühlen Sie sich zuhause?

Kahl: Ich bin seit zweieinhalb Jahren in Wien und habe noch meine Hamburger Wohnung, in der ich knapp acht Jahre gelebt habe. Doch meine Heimat wird immer Franken sein, ich hab’ das erst jetzt wieder gemerkt, als ich in Nürnberg aus dem Zug stieg: Alles fränkelt, und ich bin sofort entspannt. Die Schäufele, die Architektur, dieser typische, rötliche Sandstein hier — wunderbar.

 

Ihr Ratschlag für junge Leute, die genau das machen wollen wie Sie?

Kahl: Du musst es wollen, weil viele Steine auf deinem Weg liegen werden. Wenn du diesen Beruf erlernen möchtest, dann sei dir bewusst, dass du am Anfang schlechter bezahlt wirst als in dem Nebenjob, den du gerade machst. Es ist richtig harte Arbeit. Aber wenn man’s wirklich will, dann macht man’s auch.

Wiederaufnahme: „fast normal — next to normal“, morgen, 19.30 Uhr, Stadttheater. Weitere Termine: 1./2. Mai (jeweils 19.30 Uhr), 3. Mai (18 Uhr), 8./9. Mai (jeweils 19.30 Uhr), 10. Mai (18 Uhr), 31. Mai (18 Uhr). Karten (11-50 Euro) beim FN-Ticket-Point (Rudolf-Breitscheid-Straße 19, Tel. 77 98 70).

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