Roßtal: Richtige Rebellensinfonie zum Klingen gebracht

22.6.2015, 12:42 Uhr
Roßtal: Richtige Rebellensinfonie zum Klingen gebracht

© Foto: Horst Linke

Étienne-Nicolas Méhul (1763-1817) galt als Napoleons Hofkomponist. Getragen vom Furor der Französischen Revolution und sich in der Gunst des Kaisers der Franzosen sonnend, schrieb er mehr als 30 Opern mit stürmischen Libretti, dazu Chormusik und Messen, aber nur fünf Sinfonien, wobei die Letzte erst vor zwei Jahren aus dem Dornröschenschlaf der Archive erwachte und in Nürnberg zur Aufführung kam. Mit Napoleons Sturz fiel auch Méhul in Ungnade. Fortan sprach er lieber mit den Blumen als mit Menschen, wurde zum Sonderling, starb eines frühen Todes und geriet in Vergessenheit.

Der Märchenprinz, der die fünfte Sinfonie wachküsste, heißt Eric Juteau, stammt aus Tours, und ist Dirigent und Chef der Kapella 19, ein Ensemble, das sich 2013 in Nürnberg gründete und dem Originalklang verschworen hat. Zur Aufführung gelangt am 4. Juli Méhuls 3. Sinfonie (1808-1810). Ein Werk, von dem Juteau schwärmt: „Total romantisch, pompös und brillant, mit einem schwermütigen Andante. Eine richtige Rebellensinfonie. Allein schon die Eröffnungsfanfare reißt den Zuhörer absolut mit.“ Rebellisch? Das klingt verdächtig nach dem jungen Beethoven, deshalb ebnet im Konzert der große Ludwig mit der Coriolan-Ouverture und seiner 2. Sinfonie dem unbekannten Étienne Méhul den Weg zu den deutschen Ohren. Stichwort Fanfare: Juteau bevorzugt zwar die Originalinstrumente vom Anfang des 19. Jahrhunderts, doch den Grundsätzen der historischen Aufführungspraxis steht er etwas skeptisch gegenüber. Deshalb bezeichnet er die Aufführungspraxis der Kapella 19 als „historisch informiert“.

Ursprünglich als deutsches Orchester gegründet, kann sich Juteau vor Bewerbungen aus dem Ausland gar nicht mehr retten, selbst aus Kanada und den USA kommen Anfragen. 31 Mann ist die Kapella 19 stark, das Alter bewegt sich zwischen 25 und 40 Jahren, eine recht junge Truppe also.

Wie aber verfiel Eric Juteau auf Roßtal für die deutsche Erstaufführung? Dies kam durch den Kontakt mit dem Unternehmensberater Otmar Potjans zustande, der Juteau den Ort und die Laurentiuskirche empfahl. Ein Adventssingen mit Posaunenchor im Dezember 2014 gab den Ausschlag: „Die Akustik, die Stimmung, das Ambiente, das war derart zauberhaft, dass ich beschlossen hatte, hier soll die Aufführung sein.“ Bei Pfarrer Jörn Künne rannte Juteau offene Kirchentüren ein. „In Frankreich ist das ganz anders, da heißt es: Wie bitte, Sie wollen in unserer Kirche spielen?“, wundert sich der Dirigent.

Öffentliche Proben

Und noch eine Besonderheit: In der Probenwoche ab 28. Juni bis zum Konzert darf von 14 bis 22 Uhr jedermann die Kirche betreten und den Proben lauschen – natürlich unter Wahrung der Stille und bei abgeschaltetem Handy. Die Musiker selbst wohnen in der Woche bei Gastfamilien in Roßtal. „Wir hatten einen Aufruf im Amtsblatt gestartet, und im Nu hatten sich genügend Familien gemeldet“, vermerkt Bürgermeister Johann Völkl nicht ohne Stolz.

Klingen Berlin, Köln, München, oder das Fürther Stadttheater nicht verlockender? Eric Juteau winkt ab: „Ich hatte immer davon geträumt, Musik in eine kleine Stadt mit Atmosphäre zu bringen und dort etwas zu bewirken, was Wurzeln schlagen kann.“

Konzert am Samstag, 4. Juli, um 19.30 Uhr in St. Laurentius in Roßtal. Vorverkauf 10, Abendkasse 12 Euro. Wiederholung am Sonntag, 5. Juli, um 17 Uhr in der Jakobskirche in Nürnberg

Verwandte Themen


Keine Kommentare