Auf Nuancen kommt es an

5.2.2015, 18:00 Uhr
Auf Nuancen kommt es an

© Gruber

Sprache trägt mitunter zur Identifikation bei. Neben dem mehr oder weniger banalen Transport von Nachrichten und Informationen kann sie bestenfalls auch Rückschlüsse auf die charakterlichen und intellektuellen Merkmale von Menschen offenlegen. Allerdings sind Absender und Empfänger beileibe nicht vor fatalen Fehleinschätzungen gefeit. So kann der obligatorische Urlaubsflirt mit einer verführerischen Provinznymphe unter südlicher Sonne durchaus zu folgenschweren Missverständnissen führen. Bisweilen sind Nuancen dafür ausschlaggebend, ob man(n) unvorhergesehen in die Bredouille gerät oder nicht.

Statt „Bella Donna“ bezeichnet der des Italienischen nur unzureichend Mächtige sein Objekt der Begierde irrtümlicherweise als „Bella Nonna“ – und schon ist es passiert. Testosteronbedingter Überschwang verkehrt sich prompt ins Gegenteil: Der verhinderte Galan kriegt von der rassigen Dorfpomeranze eine „gezimmert“, dass er die Sterne Apuliens noch drei Wochen später als kosmisches Gewitter in der teutonischen Heimat registriert. So weit muss es aber nicht kommen. Sprache soll insbesondere zu einem gedeihlichen Austausch und Miteinander beitragen. Diese Ansicht vertreten explizit die im oberfränkischen Bamberg wirkenden Rolf-Bernhard Essig und Gudrun Schury.

Sie vermitteln mit jeder Menge Humor und guter Laune ein wahres Sammelsurium an Wissen. Wer hätte gedacht, dass Tasse einen französischen, Kaffee arabischen, Toast englischen, Joghurt türkischen, Marmelade portugiesischen oder Müsli „schwyzerdütschen“ Ursprung hat? Etliches hat sich im Lauf der Jahrhunderte durch „Sprachpanscherei“ verändert, informieren die Autoren und fügen hinzu, dass manch „erzdumme Parolen“ von national gesinnten „Reinhaltern und Puristen“ den Siegeszug der Vielfalt nicht verhindern konnten. Asylanten, Fremdarbeiter, Migranten, Zuwanderer, Neubürger – „ohne sie käme unsere Sprache nicht aus“, versichern Essig und Schury. Denn: „Sie wäre ärmer, farb­loser und langweiliger.“

Auch die Deutschen sind von jeher ein „buntes Gemengsel“ gewesen, lassen die Protagonisten wissen. Es gibt fast keine Weltgegend, die das Sprachengefüge in der Wortrepublik nicht bereichert hat. Vom Schwedischen und Slawischen über das Turko-Tatarische, Chinesische, Griechische, Malaiische, Hebräische bis hin zu Hindi und Afrikaans reicht der „Einfluss“. „Und deshalb lassen wir auch das Twittern, den Latte macchiato und die Vuvuzela rein.“

In der Manier des populären Fernseh-Ratespiels „Wer wird Millionär?“ muss zur Lösung der Publikumsjoker gezogen werden. Stammt das Wort „Kartoffel“ aus dem Aztekischen, Irischen, Spanischen oder Italienischen? Letzteres trifft zu. Der Eroberer Francisco Pizarro beförderte die schmackhafte Knolle von seinen Raubzügen aus Südamerika nach Europa. Im Italien des späteren 16. Jahrhunderts angekommen, weckte die der einheimischen Delikatesse „Tartufo“ (Trüffel) ähnelnde Feldfrucht alsbald das Interesse bei den „Feinschmeckern“ nördlich der Alpen. „Tartufolo“, „Tartufula“, „Tartuffeln“, „Tartüffeln“, „Kartoffeln“ – gut Sprachding hat eben Weile. Zum „Schmusen“, oder? Nein, „Kinkerlitzchen“ sind hier nicht gefragt!

Schury und Essig haben noch unzählige weitere tolle Beispiele auf Lager, die beim Publikum im „M 11“ Erstaunen und Schmunzeln hervorrufen. Ach ja, mit Inbrunst gesungen wird ebenfalls. Ein Kanon für drei Stimmen von Carl Gottlieb Hering sorgt für viel Heiterkeit, von der hohen Qualität des Chors ganz zu schweigen. Dazu darf der „Caffee“ selbstverständlich nicht fehlen, ansonsten könnte es dem einen oder anderen wohl „blümerant“ werden. „Bleu mourant“ heißt es eigentlich und bedeutet so viel wie „blassblau“. Wieder einmal hatten die Franzosen dem einstigen „Erzfeind“ ins Handwerk gepfuscht.

Trotz des zu gleicher Zeit stattfindenden Theaterabends in der Stadthalle war die Lesung in den Räumen des Kunstforums Fränkisches Seenland bestens besucht. Darüber freute sich ganz besonders Vorsitzender Klaus Seeger, der sich – wie alle anderen – von den mit geschliffener Sprache zelebrierten Wortspielen inspirieren ließ. Logisch, dass es während der Pause und im Anschluss der Veranstaltung noch einiges mit Gudrun Schury und dem „Sprichwort-Papst“ Rolf-Bernhard Essig zu „klären“ galt. ULI GRUBER

Keine Kommentare