Flüchtlinge: Turnhalle in Treuchtlingen steht bereit

12.9.2015, 13:11 Uhr
Flüchtlinge: Turnhalle in Treuchtlingen steht bereit

© Limes-Luftbild.de

„Die Regierung hat uns aufgefordert, einen Notdienst rund um die Uhr einzurichten“, sagte der Landrat am Freitag bei einem kurzfristig anberaumten Pressegespräch. Zudem solle sich der Landkreis für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge rüsten für den Fall, dass sich Ähnliches wie am vergangenen Wochenende wiederholt. Da waren über Ungarn und Österreich rund 20.000 Menschen nach München gekommen.

Die konnten zwar in einem Kraftakt alle aufgenommen werden, sagt Karin Vedder, juristische Staatsbeamtin und im Landratsamt Leiterin der Abteilung kommunale und soziale Angelegenheiten. Aber damit seien die Aufnahmekapazitäten in der Landeshauptstadt weitgehend erschöpft: „Wenn jetzt also noch mal 20.000 Flüchtlinge kommen sollten, müssen alle bayerischen Landkreise auf Notfallaufnahmen vorbereitet sein.“

Wägemann und seine seit Monaten unter Dauerstress stehenden Mitarbeiter entschieden deshalb, im Ernstfall erstmals eine Turnhalle zur Notaufnahmeeinrichtung für 120 Menschen zu machen: die Zweifachhalle der Senefelder-Schule in Treuchtlingen.

Halle kann sofort genutzt werden

Die sei, so Vedder, aus mehreren Gründen dafür besonders gut geeignet: „Es ist alles ebenerdig, man kann dort alles, was man braucht, gut anliefern.“ Zudem seien, anders als in anderen Hallen, keine zeitraubenden Vorarbeiten notwendig, die Halle könne sofort genutzt werden. Zwar finde am Wochenende in der Dreifachhalle ein großes Basketball-Turnier des VfL Treuchtlingen statt, die Zweifachhalle bleibe davon aber unberührt.

Obwohl die Anweisung aus München erst am Mittwoch im Amt einging, ist bereits alles so gut wie möglich organisiert: „Wir haben mit dem THW und dem Bauhof besprochen, wie Matratzen und Decken geliefert werden können“, sagt Vedder. Das BRK sei darauf eingestellt, mit einer Feldküche und medizinischen Diensten zu helfen, „und viele Kollegen aus dem Landratsamt haben sich bereit­ erklärt, uns zu unterstützen - auch solche aus anderen Bereichen“. Ob der Alarmruf aus München komme, könne derzeit niemand sagen, so Vedder: „Aber wenn er kommt, müssen wir gerüstet sein.“

Derzeit hofft man im Landratsamt, dass die Belegung der Turnhalle nur von kurzer Dauer sein wird: Nach ein bis zwei Tagen sollten die Flüchtlinge bereits weiterverteilt, die Halle wieder leer sein. Vedder: „Falls es doch länger dauert, müssen wir neu überlegen und eventuell eine andere Halle belegen.“ Eine Absicht, die der Landrat bestätigt: „Falls es bis Ende nächster Woche noch nicht vorbei ist, müssen wir die Halle räumen, weil die Abtrennung zur Schule nicht möglich ist.“ Dann müssten Alternativen gesucht werden, bei denen allerdings umfangreichere Vorarbeiten in Sachen Brandschutz notwendig wären.

Weißenburger Turnhalle als Alternative?

Ganz vorne auf der Liste steht dabei die Weißenburger Turnhalle am Seeweiher, die, ebenso wie die Treuchtlinger Halle, in absehbarer Zeit einem Neubau weichen soll. „Man nimmt ja für solche Zwecke nicht gern eine neue Halle her“, sagt Gerhard Wägemann. Außerdem eigne sich die Halle, weil ihr ebenerdig gelegener Tischtennisraum gut als Catering-Station genutzt werden könnte. Prinzipiell gilt aber für den CSU-Politiker: „Wir möchten Turnhallen nicht dauerhaft belegen, weil sie für den Schul- und Vereinssport gebraucht werden.“ Er hoffe, darum herumzukommen, bis der Landkreis eine Traglufthalle gebaut habe.

Von der großen Politik fühlt sich der Landrat hörbar im Stich gelassen. „Wenn ich Aussagen lese wie ,800.000 Flüchtlinge sind doch kein Problem‘, dann denke ich mir schon: Das sind doch alles Theoretiker, und es ist leicht, solche Aussagen zu treffen, wenn ich die Praxis nicht kenne.“ Und sogar die Kanzlerin bleibt von Wägemanns Kritik nicht verschont, wenn er der Berliner Politik vorwirft, für Angela Merkels Besuche in Flüchtlingsunterkünften nur „die Besichtigung von Vorzeige-Projekten“ zu inszenieren. Vor Ort sei die Lage nicht mehr nur „schwierig“, wie er am Freitag in der Zeitung las, sondern „extrem; und sie wird noch dramatischer“.

"Kein Licht am Ende des Tunnels"

Bisher habe der Landkreis in der Flüchtlingsfrage „hervorragend“ gearbeitet, so Wägemann, „auch dank großartiger ehrenamtlicher Unterstützung. Ohne die wäre es nicht gegangen.“ Und auch 800.000 Flüchtlinge seien verkraftbar, sagt Wägemann, „aber nicht in diesem Tempo“. Er jedenfalls sehe derzeit „kein Licht am Ende des Tunnels“, die Zahlen, die die Regierung „Woche für Woche mitteilt, gehen immer nur nach oben“.

Allein in der vergangenen Woche seien 40.000 Menschen in Müchen angekommen, und es sei „rührend, wie sie dort empfangen wurden“. Aber Wägemann sorgt sich auch, wie diese Bilder wohl in der Heimat der Flüchtlinge wirken werden: „Was löst das aus?“, fragt er und befürchtet, dass sie weitere Menschen zur Flucht nach Deutschland animieren.

Die bayerischen Landräte jedenfalls seien sich parteiübergreifend einig, dass es so nicht weitergehen könne. Selbst der Grünen-Landrat von Miesbach, Wolfgang Rzehak, habe beim jüngsten Kollegentreffen erklärt: „Wir stoßen überall an Grenzen.“ Deshalb, so Wägemann, müsse es endlich eine EU-weite Regelung geben, nach der die Flüchtlinge gerecht verteilt werden. „So wie es jetzt ist, ist die Situation nicht mehr bewältigbar.“

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