„Menschen in Not muss man helfen!“

10.2.2015, 08:15 Uhr
„Menschen in Not muss man helfen!“

© Eisenbrand

Gut eine halbe Stunde spricht der 40-jährige Rechtsanwalt vor knapp 40 Besuchern, viele davon sind Parteifreunde; man kennt sich, spricht sich in der anschließenden Diskussion freundschaftlich mit „Du“ an. Doch es gibt auch Gäste, die das förmliche „Sie“ bevorzugen, und die sind dem Abgeordneten, seiner Partei und deren Politik weniger wohlgesonnen, wie sich noch zeigen wird.

Zunächst einmal ist Westphal daran gelegen, bestimmte Begriffe, „die in der Diskussion oft durcheinandergeraten“, wie er sagt, zu klären: Wer bekommt Asyl, wer genießt Flüchtlingsschutz, was ist ein Kontingentflüchtling, warum und für wen gibt es Abschiebeverbote, welche Begründungen liegen der sogenannten „Duldung“ zugrunde? Und Westphal stattet seine Zuhörer mit statistischen Werten aus: Er benennt die Hauptherkunftsländer der Flüchtlinge (Syrien 22 Prozent, Serbien 10, Eritrea 7,6, Afghanistan 5,3), die wachsende Zahl der Erstanträge (203 000 im Jahr 2014; 2013: 127 000; 2012: 77 500) und die Quote der Anerkennung als Asylbewerber: weniger als zwei Prozent.

Das Publikum lauscht still und konzentriert, nur bei manchen Zahlen ist ein deutliches Aufstöhnen zu hören – und ein trotziges Kopfschütteln zu sehen: 8,5 Millionen Euro gibt Bayern derzeit pro Jahr allein für die rund 300 000 unbegleiteten Minderjährigen im Freistaat aus; 32 Prozent aller Asylanträge in der EU werden in Deutschland gestellt; im bayerischen Doppelhaushalt 2015/2016 sind 900 Millionen Euro für die Bewältigung der Flüchtlingsangelegenheiten eingestellt. Zahlen, die offensichtlich viele Menschen nicht verstehen, die sie zweifeln lassen an der Politik und deren Personal.

Und Manuel Westphal lässt keinen Zweifel daran, dass er auch mit so manchen Entwicklungen unzufrieden ist: „Es muss eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Europa geben“, lautet eine seiner zentralen Forderungen. Eine weitere ist die „Ausdehnung der Zahl sicherer Herkunftsländer“, also Länder, die – wie zuletzt einige Balkanstaaten – per Verordnung als frei von politischer Verfolgung erklärt werden, um Asylbewerber von dort ohne langes Verfahren abschieben zu können. Auch wenn Menschenrechtsorganisationen die Lage in solchen Ländern oft ganz anders einschätzen.

„Konsequente Abschiebung“

Des Weiteren mahnt Westphal „mehr Personal“ beim Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF) ebenso an wie „zusätzliche Erstaufnahmelager“ und eine „konsequente Abschiebung bei fehlendem Aufenthaltsrecht, auch um sich mehr um die anerkannten Asylbewerber kümmern zu können“.

Damit bedient der Offizier der Reserve seine konservative Wählerklientel, was ihm auch an diesem Abend Beifall einbringt. Doch in der anschließenden Diskussion zeigt Westphal, der für die CSU im Landtagsausschuss für „Verfassung, Recht und Parlamentsfragen“ sitzt, auch deutlich die Grenzen dessen auf, was für ihn an Kritik noch zulässig ist – und was nicht.
Etwa wenn ihn ein Zuhörer mit dem Beispiel Frankreichs konfrontiert, vor Ghettos in unseren Städten und vor Flüchtlingen warnt, die sich nicht intergrieren ließen und auf Dauer das Sozialsystem belasteten. Da nimmt sich Westphal durchaus die Freiheit, darauf hinzuweisen, dass man sich „Asylbewerber nicht nach deren Qualifikation aussuchen“ könne, dass die gefürchteten Pariser Trabantenstädte „historische, aus der Kolonialzeit stammende Ursachen“ hätten, und dass „Asyl ein Grundrecht ist, und dazu stehe ich!“.

Auch den schiefen Vergleich mit den deutschen Flüchtlingen nach Ende des Zweiten Weltkriegs, den ein Fragesteller bemüht, lässt der Abgeordnete nicht gelten: Den Maßstab von 1945, als halb Europa in Schutt und Asche lag, könne man nun wahrlich nicht auf die heutige Zeit anlegen, in der es uns insgesamt sehr gut gehe. Und er betont noch einmal sein Credo: „Menschen in Not muss man helfen.“

„Mieten sind sehr moderat“

Ein gern gestreutes Gerücht taucht natürlich auch an diesem Abend auf: dass nämlich die Vermieter von Flüchtlingsunterkünften sich „daran eine goldene Nase“ verdienten. Westphal verweist dies prompt in das Reich der Fabel und kontert: „Zu mir sind schon Vermieter gekommen, die klagten, dass sie viel zu wenig Geld bekämen.“ Und Gunzenhausens Bürgermeister Karl-Heinz Fitz sekundiert: Er wisse vom Landrat, dass beispielsweise die Miete für die Erstaufnahmeeinrichtung auf der Mackenmühle bei Pleinfeld „sehr moderat ist. Da wird öffentlich leider sehr viel Stimmung gemacht.“

Richtiggehend patzig wird Westphal, als einer der Kritiker ganz tief aus der rechtspopulistischen Ecke zu schwadronieren beginnt: Wenn er durch München gehe und die vielen Migranten sehe, komme ihm, so wörtlich, „das Kotzen“. Und außerdem könne er nicht verstehen, dass sich Asylbewerber  mit Hilfe eines Rechtsanwalts gegen ablehnende Bescheide juristisch zur Wehr setzen dürften.
Sprüche, die mehr als einen Hauch von „Pegida“ durch das Gastzimmer wabern lassen, die dem Rechtsanwalt sichtlich zuwider sind, und die er scharf kontert: Ein Spaziergang durch die Landeshauptstadt löse bei ihm keineswegs Brechreiz aus – und die Regeln unseres Rechtsstaats gälten selbstverständlich auch für diese Menschen. Und ein Zuhörer grummelt zustimmend: „Manche Leute wollen eben immer nur die ihnen angenehmen Seiten akzeptieren.“

Erfreulicherweise melden sich auch andere Stimmen zu Wort: Ein Mann aus Gräfensteinberg, wo 30 der derzeit 446 im Landkreis wohnenden Asylbewerber untergebracht sind, unter ihnen mehrere Kinder, berichtet von intensiven Bemühungen der dortigen Kirchengemeinde, „die Leute mit ins Boot zu holen“. Es habe eine Weihnachtsgeschenk-Aktion gegeben, pensionierte Lehrer böten Deutsch­unterricht an: „Denn die Leute wollen ja was lernen.“

Eine Frau, ganz offensichtlich in der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit tätig, betont, dass die Menschen vom Balkan, auch wenn sie aus vermeintlich sicheren Staaten kämen, „das gleiche Recht haben wie alle anderen“. Denn es sei keineswegs garantiert, dass ihnen zu Hause keine Verfolgung drohe. Sie sei der Ansicht: „Flüchtlinge müssen kein unlösbares Problem sein, man muss sich aber mit ihnen beschäftigen, um sie integrieren zu können.“

Just an dieser Stelle brandet zum ersten und einzigen Mal während der mehr als einstündigen Diskussion Beifall auf, wogegen sich bei den Anti-Asyl-Tiraden keine Hand zum Applaus rührte. Sodass Westphals Einschätzung, trotz aller Kritik aus dem Pegida-Dunstkreis, wohl doch zutreffend ist: „Die Asylbewerber werden bei uns gut aufgenommen. Und das ist auch gut und wichtig so.“ 

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