Mit dem Schlotfeger in luftiger Höhe

15.10.2016, 08:01 Uhr
Mit dem Schlotfeger in luftiger Höhe

© Tina Ellinger

Bäcker oder Schlotfeger? Das war die Frage, vor der Thomas Ruppert vor 35 Jahren auf der Suche nach einer Lehrstelle stand. Er hat sich für Letzteres entschieden und seine Wahl bis heute nicht bereut. „Man ist in jedem Haus zu Hause und genießt das Vertrauen der Kunden“, erklärt der Gunzenhäuser Schornsteinfegermeister, der außerdem bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger im Kehrbezirk 9 ist.

Dadurch darf er im Auftrag des Staates die so genannten hoheitlichen Tätigkeiten wie die Feuerstättenschau und die Abnahme von Feuerstätten durchführen. Zu den freien Tätigkeiten gehören beispielsweise die Immissionsschutz-Messungen von Heizungen und das Reinigen und Prüfen von Schornsteinen und Abgasanlagen. Dafür ist natürlich ein freier Zugang zu den Häusern notwendig, in seinem Bezirk in und um die Altmühlstadt sind es etwa 1800 Gebäude, für die Thomas Ruppert zuständig ist.

Verwaltungsaufwand gestiegen

Doch der Wandel der Zeit macht auch vor der Arbeit eines Schornsteinfegers nicht halt, und so muss er mittlerweile Termine für seine Besuche vereinbaren. „Früher hat man einfach an der Haustüre geklingelt“, erinnert sich der 50-Jährige. Heute ist tagsüber oftmals niemand zu Hause, so dass es ohne genaue Terminplanung nicht geht. War der Schlotfeger mit dem Fegen fertig, kassierte er gleich in bar die Gebühren. Jetzt läuft alles über Rechnung oder Bankeinzug. „Der Verwaltungsaufwand ist viel höher geworden, alles muss dokumentiert werden“, weiß der Handwerksmeister, der einer uralten Zunft angehört.

Denn kaum etwas war für die Städte im Mittelalter verheerender als ein Brand, der sich in den engen Gassen rasend schnell ausbreitete und riesige Schäden verursachte. Daher erließen die Landesherren so genannte Brand- beziehungsweise Feuerordnungen. Darin war unter anderem das regelmäßige Kehren des Schornsteins zwingend vorgeschrieben. Denn Rußrückstände oder auch ein Vogelnest, das den Kamin verstopft, können Auslöser für einen Brand sein. Die ersten Kehrbezirke für Schornsteinfeger sind in einer Urkunde der Stadt Breslau aus dem Jahr 1578 festgehalten. Wohl seit dieser Zeit gelten die „schwarzen Männer“ als Glücksbringer. Sie schützen Haus und Hof vor Feuer und waren gern gesehene Besucher. Und dieses Glück ist dem Volksglauben nach übertragbar: Dreht man beispielsweise an den goldenen Knöpfen der Schornsteinfegerjacke oder berührt sie an Arm oder Schulter, hat man selbst Glück. Auch einem Küsschen auf die Wange des „schwarzen Mannes“ wird dieser Effekt zugeschrieben, wie Thomas Ruppert von seinen Jahren in Dinkelsbühl erzählen kann. Vor allem die Touristen aus Japan gerieten bei seinem Anblick schier aus dem Häuschen, knipsten ein Foto nach dem anderen und ließen sich die Hände oder Wangen mit ein bisschen Ruß schwärzen. „Schließlich will man im Bus etwas zu erzählen und vorzuzeigen haben“, schmunzelt der Schlotfeger, der das Ganze gelassen über sich ergehen hat lassen.

„So viel Zeit muss einfach sein“, meint er und kramt noch ein wenig weiter in seiner persönlichen Erinnerungskiste. Die Hunde fallen ihm ein, die bei ihm das ein oder andere mal frühmorgens auf einem Bauernhof gehörig für Muffensausen gesorgt haben. Da hieß es dann „nichts wie schnell wieder rein ins Auto“. Oder der alte Brauch der Maurer, die sich beim Bauherrn für eine zu trockene Baustelle auf ihre ganz eigene Art bedankten: Sie mauerten kurzerhand eine Glasplatte in den Kamin ein. Schürte der Bauherr das erste Mal an, zog der Rauch nicht ab und der Schlotfeger musste ran. Oder der Neujahrssekt, mit dem die Kaminkehrer in der ersten Woche des neuen Jahres in vielen Häusern bedacht worden sind. „Da schickte der Geselle dann gerne den Auszubildenden rein, weil er selbst noch fahren musste.“

Zahlreiche Geschichten kann Thomas Ruppert erzählen und auf viele Jahre Berufserfahrung zurückblicken. Und diese Erfahrung zusammen mit der genauen Kenntnis des Gebäudes ist viel wert: „Man kennt das Haus, die Technik und die Leute und kann die Bewohner daher gut beraten“, ist er überzeugt. Das gilt etwa, wenn Gesetzesänderungen anstehen und sich Grenzwerte ändern oder auch, wenn eine neue Heizung eingebaut, ein Kaminofen angeschlossen oder eine neue Küche angeschafft werden soll. „Eine Beratung im Vorfeld ist sehr wichtig“, betont der Fachmann. Das spare dem Kunden in vielen Fällen Ärger und Geld, wenn nicht im Nachhinein Mängel beseitigt und beispielsweise Ofenrohre wieder versetzt werden müssen.

Dabei ist für den Vater zweier Kinder eines besonders wichtig: „Man darf in seiner Gewissenhaftigkeit nicht nachlassen!“ Dies diene nicht zuletzt dem Wohl des Kunden. „Man muss sich bewusst sein, was man macht. Es kann schließlich lebensgefährlich sein.“ Deshalb laute seine Devise: „Lieber ein Haus weniger, dafür aber gründlich.“

Beruf ist Berufung

In ganz Deutschland werden übrigens rund 1,2 Millionen Mängel im Jahr von Schornsteinfegern beanstandet. „Das beweist, dass wir gefragt und wichtig sind“, erklärt Thomas Ruppert, für den sein Beruf bei allen Anforderungen Berufung ist. Erholen kann er sich am besten auf dem Fahrrad, dann dreht er von seinem Haus in Höhberg aus am liebsten eine Runde um den Altmühlsee und genießt die jetzt durchgehend geteerte Fahrbahn.

Und sicherlich kommt ihm dabei ab und an der Leitspruch der Schornsteinfegerinnung in den Sinn: „Zum Glück gibt’s den Schornsteinfeger.“

 

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