Spezialisierung schreitet immer weiter fort

7.9.2016, 07:17 Uhr
Spezialisierung schreitet immer weiter fort

© Marianne Natalis

Den „Generalisten“, der einen Patienten chirurgisch von Kopf bis Fuß versorgt, gibt es schon lange nicht mehr, erläutert Chefarzt Dr. Wilhelm Nothofer im Gespräch mit dem Altmühl-Boten. Längst werden die angehenden Mediziner „in schmalen Spektren gut ausgebildet“. Auch die Methoden sind wesentlich feiner geworden, oft wird beispielsweise mit Mikroskop opertiert. Für kleine Häuser, wie die Kliniken in Gunzenhausen und Weißenburg, ist das eine große Herausforderung, denn es braucht entsprechend Personal, um konkurrenzfähig zu bleiben, erläutert Nothofer.

Gerade im orthopädischen und chirurgischen Bereich ist die Spezialisierung bereits ziemlich fortgeschritten. Als Reaktion darauf werden am Klinikum Altmühlfranken deshalb nun die Abteilungen nach und nach neu organisiert, die Wirbel- und Neurochirurgie mit Dr. Alessandro Rustia als Leiter macht hier den Anfang. Ein Leiter, ein Stellvertreter und ein Assistenzarzt ist die Minimalbesetzung, damit eine solche Sektion auch tatsächlich arbeiten kann. Weshalb sich Rustia sehr über die Verstärkung in Form von Mahmud Kadhem freut.

„Zu zweit können wir mehr anbieten“, sagt Rustia und meint damit unter anderem den Bereich Notfälle. Die Neurotraumatologie befasst sich etwa mit Blutungen im Schädelbereich, hier können Rustia und Kadhem nun verstärkt arbeiten. Aber auch die Schmerztherapie, ein Projekt das Rustia schon lange am Herzen liegt, kann nun zu zweit ernsthaft angegangen werden.

Dazu kommen natürlich auch die Erkrankungen an der Wirbelsäule. Operationen haben hier in den vergangenen 15 Jahren deutlich zugenommen. Waren es um die Jahrtausendwende noch um die 50, so werden heute rund 350 stabilisierende Eingriffe am Rückgrat gezählt.

Immer mehr Patienten

Rustia bietet in Gunzenhausen, Weißenburg und Treuchtlingen Wirbelsäulensprechstunden an. Längst hat sich sein Ruf über die Landkreisgrenzen hinaus verbreitet, es kommen immer mehr Patienten nach Gunzenhausen. Sie schätzen dabei nach seinen Worten auch den guten und familiären Service, den das Klinikum bietet. „Wir sind näher am Patienten, näher am Menschen“, beschreibt das Rustia, und Nothofer ergänzt, dass es hier auch eine bessere Zuordnung zum behandelnden Arzt gebe.

Spezialisierung schreitet immer weiter fort

© Marianne Natalis

Eigentlich wollte  Kadhem um die Jahrtausendwende seine medizinische Laufbahn in England fortsetzen, zumal die Studiensprache am College of Medicine der Universität Al-Mustansiriya in Bagdad Englisch ist und der Fächerkanon dem britischen System angelehnt. Doch in Deutschland lebende Freunde wollten ihn überzeugen, hierher zukommen, und so ließ er sich zu einem Besuch überreden. Das sollte sich tatsächlich als schicksalhafter Schritt entpuppen. Denn gleich am ersten Tag lernte er seine spätere Frau kennen — und lieben. Da hatten sich die Englandpläne erledigt.
Mahmud Kadhem wurde 1973 in Khalus, etwa 50 Kilometer von Bagdad, geboren. Nach Schule und Studium sammelte er erste Erfahrungen als Allgemeinmediziner und Assistenzarzt für Innere Medizin in seinem Heimatland, bevor er 2001 nach Deutschland kam. Hier führte ihn sein Weg über Krankenhäuser in Straubing, Deggendorf und Eberswalde nach Bayreuth ins Wirbelsäulenzentrum und schließlich in die Neuro-Wirbelsäulenchirurgie in Kulmbach.
Im November 2014 erhielt Kadhem seine Anerkennung als Facharzt für Neurochirurgie durch die bayerische Landesärztekammer. Der 43-Jährige hat die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen und lebt mit seiner Familie in Gefrees. In Gunzenhausen hat der neue Oberarzt zunächst nur ein Zimmer.

Weitere Unterstützung erhält die Unfall- und Wiederherstellungschirurgie durch das neue 3-D-Röntgenbildwandlergerät, in das das Klinikum Altmühlfranken 350 000 Euro investiert hat. Mit im Preis inbegriffen ist eine neue Carbontischplatte, die notwendig wurde, um die Durchlässigkeit der Röntgenstrahlen auch während der Operation zu ermöglichen.

Das flexible und fahrbare C-Bogen-Gerät macht schon während des Eingriffs präzise Informationen aus jedem Winkel möglich. Das vermindert das Verletzungsrisiko während des Eingriffs, betont Rustia, zudem kann der Arzt sofort kontrollieren, ob das Implantat oder die Schrauben an der genau richtigen Stelle sitzen. Es ist, fasst es Nothofer zusammen, ein „exakter Wegweiser“ während einer Operation und wird vor allem bei komplexen Eingriffen im Bereich der Wirbelsäule, des Beckens, des Fersenbeins oder der Fußwurzel eingesetzt. Gerade in diesen schwierigen Gebieten bringt es nach seinen Worten „viel Sicherheit“.

Keine Kommentare