Täglich mit der Bahn nach Nürnberg

9.5.2015, 07:00 Uhr
Täglich mit der Bahn nach Nürnberg

© Ellinger

Man nimmt die Dinge hin, die nicht zu ändern sind“, gibt sich der Gunzenhäuser pragmatisch.

Was nicht heißen soll, dass ihn ein Zugausfall nicht auf die Nerven geht. Vor allem in jüngster Zeit wollen die Störungen durch Baustellen und Streiks offensichtlich überhaupt kein Ende nehmen. „Wenn man Termine einhalten muss, ist es ärgerlich, wenn Züge ausfallen“, erklärt Horst Koller. Kritik übt er besonders an der Informationspolitik der Bahn. Würde eine Verspätung oder ein Ausfall früher bekannt gegeben, hätte man oft noch die Möglichkeit, eine andere Verbindung, etwa über Ansbach oder Treuchtlingen, zu nehmen.

Netzwerk der Pendler

Doch die Wirklichkeit schaut oftmals anders aus: Der Zug hält beispielsweise aus zunächst nicht erkennbarer Ursache irgendwo auf der Strecke an, eine Durchsage der Zugbegleiter lässt jedoch auf sich warten. „Die Fahrgäste werden lange im Ungewissen gelassen“, weiß der Gunzenhäuser aus Erfahrung. Allerdings will er kein pauschales Urteil fällen: „Es gibt auch Zugbegleiter, die sich um Information bemühen.“

Und die Pendler wissen sich zu helfen: „Dank der Bahn-App wissen wir manchmal mehr als das Zugpersonal“, erklärt Christian Keller, der mittlerweile seit 2000 zum Kreis der täglichen Bahnfahrer aus der Altmühlstadt zählt. Dazu kommt, dass sich aus den Reihen der regelmäßigen Zugfahrer ein kleines Netzwerk gebildet hat, die sich via Kurznachricht gegenseitig über Behinderungen auf der Strecke informieren. Dadurch haben diejenigen, die erst später los müssen, die Möglichkeit, auf eine andere Verbindung auszuweichen.

In dieser Gruppe, den sogenannten „Zugvögeln“, sind sämtliche Berufsgruppen vertreten – das reicht vom Beamten über den Bankmitarbeiter bis hin zur Oma, die ihre Enkel in der Noris betreut. Auf Initiative von Christian Keller, der in der Wirtschaftsförderung der Stadt Nürnberg beschäftigt ist, treffen sich die „Zugvögel“ ein paar Mal im Jahr außerhalb ihres angestammten Terrains und gehen gemeinsam zum Essen. Die vielen netten Leute, die der 31-Jährige durch das Zugfahren kennengelernt hat, möchte er nicht mehr missen. „Sie zu treffen, ist für mich die morgendliche Aufstehmotivation. Es sind echte Freundschaften entstanden.“

Dass sich die Pendler mit der Zeit untereinander kennen, hat noch eine zweite angenehme Seite: Einige von ihnen fahren mit dem Auto nach Pleinfeld und nehmen dann die anderen auch mal mit nach Gunzenhausen zurück, wenn die Seenland-Bahn Verspätung hat oder ausfällt.

Horst Koller kann sich noch an die Zeiten des roten Schienenbusses erinnern, dem Vorgänger der jetzigen Seenland-Bahn. Damals zählte er zu den Stoßzeiten etwa 20 Fahrgäste, heute sind es rund 80 Personen, die den Weg in die Noris regelmäßig wegen des Jobs auf sich nehmen. Die Gründe dafür liegen für ihn auf der Hand: „Das Arbeitsangebot in Gunzenhausen ist zurückgegangen.“ Vermehrt sind laut seiner Beobachtung auch Auszubildende, Studenten und Berufsschüler unter den Pendlern zu finden.

Unterstellmöglichkeit fehlt

Verbessert hat sich die Anbindung an Nürnberg, seit der Zugtakt der
Linie Treuchtlingen-Nürnberg angepasst wurde. Doch nach wie vor müssen die Gunzenhäuser in Pleinfeld umsteigen. Das ist vor allem im Winter und bei schlechtem Wetter wahrlich kein Vergnügen, auf dem zugigen Bahnsteig auf den Anschlusszug zu warten. Schon seit Jahren ist das Bahnhofgebäude in Pleinfeld nicht mehr zugänglich, eine Toilette sucht man vergebens. Hat der Zug dann auch noch Verspätung, kann es ganz schön ungemütlich werden. Bewährt hat sich für diesen Fall seiner Meinung nach der Bäckerwagen, der am Pleinfelder Bahnhof Station macht. Dort kann man sich wenigstens mit warmen Getränken eindecken.

Erlebt haben er und Christian Keller schon so manches auf ihrem täglichen Weg zur Arbeit: Angefangen beim Ast, der auf die Windschutzscheibe des Führerhauses kracht, bis hin zum Kleinbus, der an einem unbeschrankten Bahnübergang gegen den Zug prallt. Ein Unfall, der drei Todesopfer forderte und der auch an den Zuginsassen nicht spurlos vorbei ging. „Daran denkt man schon immer wieder“, so Horst Koller. Besonders betroffen macht es, wenn das Wort „Personenschaden“ durch den Lautsprecher schallt, eine sehr technische Umschreibung für einen Suizid. Der bekennende Zugfan Christian Keller musste dies nicht nur einmal im Schwabacher Bahnhof miterleben, sondern bereits drei Mal im Fernverkehr. „Das sind Erlebnisse, die man nicht vergisst.“

Ein Ärgernis ist die jährliche Erhöhung der Preise, die laut Christian Keller zum Teil überdimensional ausfällt. Bisher seien es im Durchschnitt zwei bis drei Euro im Monat mehr gewesen, seit drei Jahren allerdings betrage die Erhöhung mehr als fünf Euro. Und für nächstes Jahr sind die nächsten 3,11 Prozent geplant, weiß der Gunzenhäuser und schüttelt den Kopf über diese Preispolitik: „Eigentlich müssten die Öffentlichen doch billiger werden, die wollen ja mehr Kunden“, lautet sein Argument. Und für Leute, die nur tageweise arbeiten und nach Nürnberg fahren, gebe es überhaupt kein Angebot. „Die müssen sich jedes Mal ein Tagesticket kaufen.“

Außerdem stimmt seiner Ansicht nach das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht immer: So gibt es in den Doppeldeckerzügen, die ab Pleinfeld eingesetzt sind, zwar einen Sitzplatz für alle, aber die Klimaanlage fehlt. „Das würde für mich zum Service gehören“, stellt der Gunzenhäuser fest. An heißen Tagen und bei vollen Wagen „ist es kaum auszuhalten“, zumal sich auch die Fenster nicht öffnen lassen.

Trotz allem bleibt die Bahn für ihn und seinen Mitfahrer das Verkehrsmittel Nummer eins, und das nicht nur wegen des günstigen Firmen-Abos. Neben dem Umweltgedanken spielt auch die räumliche Nähe ihrer Arbeitsplätze zum Hauptbahnhof eine Rolle: „Ich bin in fünf Minuten zu Fuß vom Bahnhof in meinem Büro im sechsten Stock“, erklärt Horst Koller, der bei der psd-Bank als Leiter des Vorstandssekretariats tätig ist. Einen Parkplatz würde er in dieser Lage nur sehr schwer finden, genausowenig wie Christian Keller, der direkt am Hauptmarkt arbeitet.

Außerdem nutzt Horst Koller die Zugfahrt gerne dazu, sich auszuruhen, zu lesen, etwas für seine Arbeit oder seine ehrenamtlichen Tätigkeiten vorzubereiten. Vor allem bei der Heimfahrt kann er richtig gut abschalten und kommt entspannt zuhause an. „Mit dem Auto wäre es sicher stressiger“, sind sich die beiden einig. Und es würde weder schneller gehen noch billiger sein, zudem bescheinigen sie der Bahn eine Pünktlichkeit zwischen 90 und 95 Prozent.

Direkte Verbindung wäre ideal

Auch wenn sie alles in allem ganz zufrieden mit dem öffentlichen Transportmittel sind – einen Wunsch hegen sie: „Eine direkte Verbindung von Gunzenhausen nach Nürnberg, das wäre ideal.“ So etwas hat es vor Jahrzehnten schon einmal gegeben, erinnert sich Horst Koller. Momentan aber  gehört das wohl zu den Dingen, die man nicht ändern kann und die man gelassen hinnehmen muss.

Keine Kommentare