Frankreich-Wahl: "Ich hatte schon ein bisschen Bammel"

8.5.2017, 15:33 Uhr
Frankreich-Wahl:

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"Natürlich haben wir die Stichwahl aufmerksam verfolgt", sagte Christa Nitschke, die Vorsitzende des Freundeskreises St. Luce — Herzogenaurach. "Ich habe noch am Samstag eine Haitzinger-Karikatur zu unseren französischen Freunden geschickt." Auf diesem Bild sieht man den europäischen Stier, an dem sowohl Marine Le Pen als auch Emmanuel Macron zerren. Sie will das Euro-Tier zur Guillotine zerren, er weg davon. "Ihr habt die Wahl", hat Christa Nitschke ihren Freunden in Frankreich gesagt.

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Üblich sei es ja nicht, dass man von Deutschland aus Wahlempfehlungen gebe. "Auch jetzt haben wir natürlich nicht direkt gesagt, wie zu wählen ist", betont Nitschke, "aber gerade bei dieser Stichwahl haben doch viele das Gespräch gesucht." Denn bei einem Engagement in einem Freundeskreis oder Partnerschaftsverein gehe es ja nicht nur darum, privat neue Freunde zu finden. "Sondern es geht um den europäischen Gedanken." Und wenn der unter die Guillotine zu kommen droht: "Da sollte man schon auch etwas sagen dürfen." Und Christa Nitschke ist sich sicher: Den meisten Freunden in Frankreich musste man gar nicht viel erzählen, auch sie sind durch und durch Europäer.

Ob es geholfen hat? Jedenfalls war St. Luce am Sonntag eine Macron-Hochburg: 82,73 Prozent stimmten für den Liberalen, nur 17,27 Prozent für Le Pen. Die Wahlbeteiligung lag bei 83,29 Prozent.

Ähnlich deutlich war der Ausgang in St. Robert, der Partnergemeinde von Oberreichenbach. Dort gewann Macron mit 78,33 Prozent, auf Le Pen entfielen 21,67 Prozent. Auch hier lag die Wahlbeteiligung bei über 80 Prozent.

Auch in Oberreichenbach gibt es natürlich einen Partnerschaftsverein. "Ein anderer Wahlausgang als der Sieg von Macron wäre schon ein großes Problem für Europa geworden", ist sich dessen Vorsitzender Klaus Dambeck sicher. Auch er glaubt, so wie Christa Nitschke in Herzogenaurach, dass sich die Mehrheit der Mitglieder wohl für Macron entschieden hat, weil "es um den europäischen Gedanken geht". Wie sich die französischen Freunde in St. Robert fühlen, können die Oberreichenbacher bald wieder erspüren. Um Christi Himmelfahrt machte sich eine etwa 20-köpfige Gruppe auf in den Limousin.

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Durch seine global agierenden Firmen hat Herzogenaurach natürlich auch viele französische Bürger. So wie Carole Mittelheisser, die bei adidas arbeitet und bei der Turnerschaft erfolgreich Handball spielt. "Es ist das erste Mal, dass ich eine Wahl vom Ausland aus verfolge", so die 27-jährige Französin. Das sei für sie interessant gewesen, weil sie so gesehen habe, wie Frankreich von außen betrachtet werde. Fernsehnachrichten in Deutsch und ab und zu französischen Zeitungen, so hat sich Carole Mittelheisser ihr eigenes Bild gemacht. Ergebnis: "Ich bin froh, dass es Le Pen nicht geschafft hat."

Da denkt sie ähnlich die Agathe Zakarian, die seit Anfang 2017 in Herzogenaurach arbeitet. "Das Ergebnis war schon eine große Erleichterung", so die 26-Jährige, die einen französischen und einen deutschen Pass besitzt. "Ich hatte schon ein bisschen Bammel", räumt sie ein. Obwohl Marine Le Pen so stark auf die französische Nation setzt, "wären ihre Ideen schlecht für Frankreich". Agathe Zakarian möchte am liebsten gar nicht darüber nachdenken, was bei einem Wahlsieg der EU-Gegnerin Le Pen passiert wäre. Der EU-Austritt, zumindest eine Volksabstimmung darüber? Nein, so wie es jetzt gekommen ist, ist es der Neu-Herzogenauracherin schon lieber.

 

Rosa Abel arbeitet bei der Stadt Herzogenaurach und kümmert sich dort um die verschiedenen Städtepartnerschaften. Natürlich hat auch die Französin in städtischen Diensten mit großer Aufmerksamkeit die Wahl verfolgt und war „sehr erleichtert“. Allerdings: „Es beunruhigt mich schon, dass so viele Franzosen denken, dass Marine Le Pen ihre Lebensbedingungen verbessern kann.“
Mit dem Sieg bei der Stichwahl sei Emmanuel Macron natürlich noch nicht am Ziel. „Ich hoffe, er wird von Politikern von links wie von rechts unterstützt.“ Wichtig sei nun die Parlamentswahl im Juni, da werde sich erweisen, ob er sich auf ein starkes Bündnis stützen kann.
Einfach werde es jedenfalls nicht für den neuen Präsidenten. Denn es gebe eine große soziale Schieflage. Zum einen gebe es hohe Jugendarbeitslosigkeit, zum anderen aber auch soziale Errungenschaften, „die man vielleicht überdenken muss“. Rosa Abel nennt etwa das durchschnittlich sehr niedrige Renteneinstiegsalter. „Ich kenne sehr viele, die schon mit 58 oder 59 Jahren in Rente gehen.“ Ob das so bleiben könne, fragt sich die Französin? „Die Deutschen hat es sicher auch nicht gefallen, als das Rentenalter auf 67 Jahre erhöht wurde.“ Es werde nicht leicht für Macron, „aber er hat das Zeug dazu und braucht jetzt Unterstützung von allen Seiten.“

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