Tätowierte Faust im Gesicht

17.6.2015, 10:21 Uhr
Tätowierte Faust im Gesicht

© Rurik Schnackig

In der Hausgemeinschaft in einer Neumarkter Altstadtgasse herrscht nicht eitel Sonnenschein. Alkohol und Drogen prägen das Klima. Aber auch hier müssen Regeln sein.

So hatte ein Bekannter einer Mieterin Hausverbot, weil, wie der Angeklagte sagte, der auch schon mal in den Hausgang uriniere. Deshalb habe er ihm gesagt, als er im Oktober letzten Jahres wieder einmal auftauchte, er solle sich verpissen.

Da sei eben jene Frau eingeschritten und habe gerufen: „Er bleibt da“. Daraufhin soll es den umstrittenen Faustschlag gesetzt haben. Der arbeitslose Mauerer behauptete aber, er sei von der Frau geschubst worden und habe nur zurück geschubst. Sein Kumpel bestätigte das mehrfach mit den immer gleichen Worten. Das klang schon etwas sehr eingeübt.

Tür abgesperrt

Es gab aber einen weiteren Zeugen, der in der Wohnung der Frau saß. Er habe, sagte er, an der Eingangstür eine tätowierte Faust an einem tätowierten Arm ins Gesicht des Opfers, seiner heutigen Freundin, fliegen sehen. Dann sei es dieser gelungen, den Nachbarn und seinen Spezi zurückzudrängen und die Tür abzusperren. Gern hätte Richter Würth sie selbst gehört. Aber sie liege krank im Bett und habe keine Ladung erhalten.

Die Verprügelte war einem Neumarkter, den sie während einer Suchttherapie kennengelernt hatte, in dessen Heimatstadt gefolgt. Sie habe gute Ansätze gezeigt, verriet ihre Betreuerin, die als Zeugin in dem Fall die allgemeinen Umstände schildern sollte. Die seien geprägt von einer tiefen Abneigung zwischen dem Opfer und dem mutmaßlichen Täter. Die Frau habe im Gespräch angekündigt, dass sie „dem da“ gerne eine reinwürgen würde. Tatsächlich sei es ihr gelungen, eine Bekannte zu überreden, ihn der Vergewaltigung zu bezichtigen. Erst auf der Heimfahrt nach der Anzeige bei einer Kripo-Beamtin aus Regensburg habe sie der Betreuerin gestanden, dass das gelogen war. Unverzüglich wurde deshalb die Anzeige zurück genommen.

Treppensturz nur kurz zuvor

Zu denken gab dem Gericht auch, dass die Geschädigte nur wenige Tage vor der Auseinandersetzung mit ihrem Nachbarn mit Gehirnerschütterung und gebrochener Nase ins Klinikum gebracht worden war. Sie sei eine Treppe runter gestürzt, hieß es. Es war also nicht auszuschließen, dass die Tage später diagnostizierte Schädelprellung von diesem Unfall herrührte. Darauf wollte auch Pflichtverteidiger Jürgen Mederer hinaus.

Nachdem spät, aber rechtzeitig eingeräumt wurde, dass es tatsächlich zu einem Faustschlag gekommen sein könnte, fand Staatsanwaltschaftsvertreter Thomas Leykam, dass hier noch eine Geldstrafe drin sei. 60 Tagessätze zu 15 Euro schienen ihm angemessen.

Allerdings hat der Angeklagte schon einiges auf dem Kerbholz. Fünf der neun Vorstrafen sind einschlägig. Wegen gemeinschaftlicher Brandstiftung, schweren Landfriedensbruchs und der Verwendung verfassungswidriger Symbole war er 1993 von einem Rostocker Gericht zu drei Jahren Jugendhaft verurteilt worden, die er auch absaß. Das ruft Erinnerungen wach an das Wüten des Mobs im August 1992 in Rostock-Lichtenhagen, wo eine Aufnahmestation für Asylbewerber und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Gastarbeiter über Tage angegriffen wurde.

„Wie immer halt“

Das derzeitige Problem des 42-Jährigen ist nicht mehr seine Gesinnung, sondern der Alkohol. „Wie steht‘s damit?“, wollte Richter Würth wissen. Angeblich sei eine Therapie in Vorbereitung, so die Antwort. Sein Kumpel, der zu seinen Gunsten ausgesagt hatte, beantwortete die Frage nach seinem Alkoholkonsum an diesem Tag mit gewissem Stolz: „Wie immer halt, ein Kasten Bier und ein paar Schnäpse, wenn es sein muss“.

Verteidiger Jürgen Mederer beschönigte nichts, bat jedoch die finanzielle Situation seines Mandanten zu berücksichtigen. Das tat Würth und beschränkte sich auf 50 Tagessätze, zahlbar in Raten von 30 Euro.