Das Mittwochsinterview: Wie kann man Achtsamkeit im Alltag lernen?

4.4.2018, 09:00 Uhr
Das Mittwochsinterview: Wie kann man Achtsamkeit im Alltag lernen?

© Valentin Brandes/PR

Frau Mielniczek, sind wir beide jetzt gerade achtsam?

Kasia Mielniczek: Definitiv. Wir hören einander aufmerksam zu und konzentrieren uns auf die Sache.

Darum geht es bei der Achtsamkeit?

Mielniczek: Es geht um ganz viel. Und Definitionen gibt es viele. Ich finde am wichtigsten, dass man absichtsvoll und aufmerksam im Hier und Jetzt ist — ohne ständig zu bewerten. Das ist schwerer als es klingt, da wir im Alltag mit unseren Gedanken und unserer Aufmerksamkeit bei vielen Dingen gleichzeitig sind. Und das bewerten und beurteilen läuft quasi ständig im Hintergrund mit. Meist bekommen wir das aber gar nicht mit.

Müssen wir das nicht auch?

Mielniczek: Zahlreiche Studien sagen, dass wir 60 000 Gedanken am Tag denken. Aber nur drei Prozent dieser Gedanken sind aufbauend.

Dürfte schwierig sein, mit dem Denken aufzuhören.

Mielniczek: Das ist richtig. Wir können es nicht einfach abschalten. Aber wir können es uns bewusst machen, dass wir ununterbrochen denken. Dabei hilft es, wenn man quasi aus sich heraustritt und wie auf einer Meta-Ebene beobachtet, was da gerade passiert. Etwa: Ah, da kommt dieser und jener Gedanke — und jetzt geht er wieder.

Und was passiert dann mit mir ?

Mielniczek: Sie werden achtsam. Und zugleich aktiv und lebendig. Es gibt ein wunderschönes Zitat des amerikanischen Philosophen Howard Thurman: Frage nicht, was die Welt braucht. Frage dich selbst, was dich lebendig macht, und gehe und tue das. Denn was die Welt braucht, das sind Leute, die lebendig geworden sind.

Wie sind Sie selbst zur Achtsamkeit gekommen?

Mielniczek: Ich komme eigentlich eher aus dem Businessbereich. Habe im Marketing gearbeitet. Vor vier Jahren habe ich mein erstes Kind bekommen. Das war ein Wendepunkt. Ich habe sehr viel mit anderen Müttern gesprochen und habe erlebt, wie gestresst und beansprucht sie in der Balance aus Arbeit, Kinder, Partnerschaft und Haushalt sind. Ich nehme mich davon nicht aus, aber oft hatte ich das Gefühl, dass ich den Belastungen doch ein klein wenig mehr entgegen zusetzen habe. Da wollte ich noch genauer hinspüren.

Der Beginn der Achtsamkeit?

Mielniczek: Zunächst mal habe ich mich viel allgemeiner interessiert. Für Coaching, Persönlichkeitsentwicklung und Methoden. Irgendwann kam ich an den Punkt, an dem ich merkte: Das alles bringt mir nichts, wenn ich es nicht mit Werten verbinde. Ich wollte authentisch sein. Das führte mich zur Achtsamkeit.

Wie haben Sie angefangen das zu trainieren?

Mielniczek: Indem ich nicht mehr versucht habe, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun und den Autopilot abgeschaltet habe. Selbst wenn man Zähne putzt, kann man dies ganz bewusst und in der vollen Aufmerksamkeit machen. Das gleiche gilt für essen oder sich anziehen. Wenn Sie morgens ganz bewusst aufstehen, dann tun Sie das auf eine andere Weise, als wenn sie automatisiert aus dem Bett steigen.

Wir machen ja oft deshalb vieles gleichzeitig, weil wir Zeit sparen wollen.

Mielniczek: Genau das ist der Trugschluss. Denn streng genommen haben wir nur eine Aufmerksamkeit. Wenn wir vieles simultan machen, wird es in der Regel nicht so gründlich, als wenn wir mit der vollen Aufmerksamkeit dabei sind.

Welche Veränderungen haben Sie dabei gespürt?

Mielniczek: Ich war gelassener, mein Kopf war viel freier. Ich erlebe das Leben in vollem Umfang. Körperliche Beschwerden haben nachgelassen, meine Kraft hat zugenommen.

Sind Sie jetzt eine Meisterin der Achtsamkeit?

Mielniczek: Ich würde sagen: Ich bin eine Meisterin, die übt. Man kommt da nicht an einen Punkt, an dem man sagt: Okay, jetzt habe ich es raus. Es ist ein ständiges Lernen. Das versuche ich auch in meinen Seminaren und Workshops zu vermitteln.

Sind Smartphone und Internet eigentlich die natürlichen Feinde der Achtsamkeit?

Mielniczek: Dieser Ansicht war ich mal. Ich dachte es geht darum, mich völlig frei davon zu machen. Mittlerweile denke ich aber, wenn ich die Medien beherrsche und nicht sie mich, kann ich gut damit leben. Außerdem gibt es sogar für Achtsamkeit eine sehr gute App.

Ist das nicht ein Widerspruch in sich?

Mielniczek: Keineswegs. Ich habe eine, die mich mit einem sehr sanften Ton daran erinnert, fünf Minuten inne zu halten. Das nutze ich regelmäßig, weil auch ich das im Alltag mal vergesse.

Sind Ihre Seminare ausschließlich für Frauen?

Mielniczek: Wir würden keinen Mann vor der Tür stehen lassen. Aber meist kommen Frauen statt Männer zu mir.

Dabei hätten die es doch nötig. Es heißt ja immer, wir könnten nicht gut zuhören.

Mielniczek: Meine Erfahrung ist anders. Männer sind oft fokussierter, bei Frauen läuft gedanklich ganz viel parallel ab. Ich kenne übrigens viele Männer, die sehr gute Zuhörer sind.

Der nächste ImPuls-Abend für mehr Achtsamkeit im Alltag findet am 4. Mai um 14 Uhr ist im Yoga-Haus Kraftshof, Kraftshofer Hauptstraße 181, statt. Kontakt: www.kasia-coaching.com

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