Fränkische Initiative engagiert sich für "Tschernobylkinder"

26.12.2017, 19:33 Uhr
Fränkische Initiative engagiert sich für

© Foto: Initiative Hilfe fürTschernobyl-Kinde

Karin Schaepe kommt gerade aus dem Steigerwald zurück. Dort hat die Vertreterin der Organisation in dem kleinen Dorf Koppenwind eine Gastfamilie besucht, die in der Weihnachtszeit ein Kind aus Weißrussland aufnehmen möchte. Ihre Mission, strahlengeschädigten Kindern im Alter von sieben bis 17 Jahren regelmäßig im Sommer und gelegentlich zu Weihnachten gesunde Ferien zu ermöglichen, treibt die ehemalige Bankkauffrau aus Stein durch die ganze Region.

Ihre Weihnachtskinder hat sie jetzt glücklich in Stein, Hohenstadt, Nürnberg, Koppenwind und Regensburg untergebracht. Die jungen Leute werden am 23. Dezember in Deutschland eintreffen und bis 7. Januar bleiben. "Wir sagen immer, dass die Gastgeber ihr ganz normales Familienleben leben sollten. Sie müssen den Kindern keine aufwendigen Ausflüge und Einkäufe bieten, denn wenn das dann im nächsten Jahr ausbleibt, sind sie enttäuscht", erzählt Karin Schaepe. Wer einen Gast beherbergt, kann sich ein Mädchen oder einen Jungen wünschen, wobei unabhängig vom Geschlecht sämtliche Formalitäten — die Kinder brauchen Visa — für die Helfer jede Menge Büroarbeit bedeuten.

Dringend muss auch an eine Vollmacht für eventuelle medizinische Eingriffe gedacht werden. "Es war in den ersten Jahren unserer Aktion: Ein Kind hatte einen Abszess, der nicht behandelt werden konnte, weil das Einverständnis der Eltern zum Eingriff fehlte", so Schaepe. Mühsam wurde per Telefon die Erlaubnis aus Weißrussland beschafft.

Die Steiner "Hilfe für Tschernobylkinder" kam 1992 zustande, weil die achtjährige Johanna Kurig im Radio einen Mann von "kranken Kindern aus Tschernobyl" erzählen hörte, die Hilfe brauchen. Das war der vom Bayerischen Rundfunk verbreitete Aufruf des Münchner Strahlenmediziners Edmund Lengfelder. Johanna überzeugte ihre Mutter vom "Ferienkind aus Tschernobyl"— das dann im Sommer 1993 anreiste.

Mehr als 20 Mal zu Gast

Ein Jahr später beteiligte sich die Familie Schaepe an der Aktion. Es kam Ina, siebeneinhalb Jahre alt. Mittlerweile ist Ina 32, spricht Deutsch und arbeitet in einer Firma in Minsk. Ina, die inzwischen mehr als 20 Mal zu Gast war, ist ein gutes Beispiel für die Hilfe zur Selbsthilfe der Steiner.

Und obwohl die Reaktorkatastrophe mehr als 30 Jahre zurückliegt,
ist die Strahlenbelastung im weißrussischen Gürtel des radioaktiven Fallouts nicht besser geworden. Lebensmittel, auf kontaminierten Böden gezogen, sind verseucht. Kinder, die in den Ferien kommen, leiden an Schilddrüsenerkrankungen, sie haben ein geschwächtes Immunsystem, Magen- und Darmprobleme. Es reisen aber keine akut kranken Kinder an, die gar nicht ausreisen dürften, sondern nur solche, die Erholung brauchen. Manchmal lassen die weißrussischen Familien ihre Kinder nur ungern fahren. Dagegen hat Karin Schaepe ein unkonventionelles, aber probates Rezept: Sie überzeugt die Skeptiker mit netten Worten und einem Fläschchen Wodka.

Karin Schaepe, die die Hilfe unter dem Dach der Paul-Gerhard-Kirchenstiftung praktisch allein bewältigt, verwendet die 5000-Euro-Spende der VR-Bank, um einen der Busse zu chartern, mit denen mehr als 100 Kinder Sommer für Sommer aus Weißrussland nach Stein kommen. 16 000 Euro kostet die Ferienaktion insgesamt, wenn man Fahrtkosten, Versicherungen und gemeinsame Veranstaltungen zusammenrechnet.

Einen der wichtigsten Sponsoren fand Schaepe in Eltersdorf: Andreas Landgraf von "defacto Software" richtet seit zwölf Jahren in Stein für die Tschernobylkinder ein fröhliches Sommerfest aus. Und er bezahlt das Schulmaterial, das Lehrerinnen, die die Kinder begleiten, für ihren Unterricht kaufen dürfen.

Auf 40 Stammgastfamilien kann Schaepe zählen. Um alle Kinder aufnehmen zu können, die regelmäßig in zwei Bussen anreisen, braucht es jedoch rund 80 Gastgeber. Wer sich meldet, kriegt dann Besuch von der rührigen Dame aus Stein.

ZInteressierte, die nächsten Sommer von 7. Juli bis 4. August ein Tschernobyl-Kind aufnehmen wollen, können sich unter www.pg-hilfe-fuer-tschernobylkinder.org Infos holen oder sich per E-Mail an K.Schaepe@pg-hil wenden.

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