Frauen dürfen nicht versuchen, Männer zu kopieren

Timo Schickler

Lokalredaktion Nürnberg

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21.11.2017, 11:56 Uhr
Frauen dürfen nicht versuchen, Männer zu kopieren

© Stefan Hippel

Auf Christine Bruchmanns sehr aufgeräumtem Schreibtisch landet immer nur ein Vorgang. Bis der bearbeitet ist, stören kein Smartphone, keine E-Mail. Weil Bruchmann sich dieser Sache widmen will "und da mein Bestes geben". Ständige Verfügbarkeit? Hält Christine Bruchmann eh für schlecht.

Dem Teenager Tine wäre das wohl anders gegangen. Der war wild, hat geraucht, die Zeit am liebsten in der Disco oder auf Rockkonzerten verbracht, bei Pink Floyd, Led Zeppelin.

Das Geld dafür hat sie schon als Kind verdient, zuerst beim Vater, von dem man Sparen lernen konnte. Der hat das Wohnzimmer im Thoner Reihenhaus schon mal als Lager genutzt. Wer Papa dann beim Einladen des VW geholfen hat, hat verdient. Später putzt Bruchmann auch im Familienbetrieb.

Das Verdiente fließt bei ihr in Kassetten und Tabak. Irgendwann wettet sie mit ihrem Vater um 2.000 Mark, dass sie das Rauchen aufgeben kann — und verliert. Der Vater kassiert, Geschäftssinn lässt sich von ihm lernen. Mehr aber beeinflusst Bruchmann doch ihre Mutter, "mit Leib und Seele Hausfrau". Doch wie sie nach der Trennung vom Vater, "so wollte ich nie werden, finanziell abhängig von einem Mann".

Und vom Familienunternehmen. Deswegen geht sie ihren eigenen Weg, der über Gillette oder Randstad (als Geschäftsführerin Vertrieb) führt. Leicht ist der Weg nicht, "man muss kämpfen, jeden Tag". Auch für den Traum von Karriere und Familie. "Ich habe mir aber gesagt: Das schaffe ich." Sie hat es geschafft, ihr Sohn ist 23, Christine Bruchmann, 57, Chefin von 4000 Mitarbeitern.

"Ich bin ja nicht krank, los geht’s"

Frauen an der Spitze findet Bruchmann oft "zu verbissen, vielleicht, weil sie auf vieles verzichtet haben". Sie nicht, "ich hatte den richtigen Mann". Er übernimmt die Erziehung, sie sitzt noch vier Wochen vor der Entbindung beim Jahresgespräch mit Großkunden. Auf deren Frage, ob es denn geht, antwortet sie lässig: "Ich bin ja nicht krank, los geht’s." Als ihr Sohn da ist, gibt es Momente, wo auch sie sich fragt, ob es das alles wert ist. Und Frauen beneidet, die mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen. Am Ende sagt sie sich: "Hör auf zu lamentieren." Mit Erfolg und einem strengen Credo: Unter der Woche viel Arbeit, aber am Wochenende kein Job!

Und: Bruchmann delegiert. Auch als sie, obwohl zuvor die Karriereleiter in Berlin oder Köln weiter hinaufgeklettert, dem Ruf ihres Vaters in die Fürst-Gruppe folgt. Der hat einen anderen Führungsstil und gerne alles unter Kontrolle, würdigt aber die Art der Tochter: "Du machst das anders, aber du machst das gut." Auch als es in der Firma kriselt und die 57-Jährige 20 Jahre Managementerfahrung nutzt, um ihr Unternehmen durch die schwierige Zeit zu steuern.

Christine Bruchmann helfen dabei "schon eine Portion männliche Gene und gesundes Selbstbewusstsein". Als "kleines Piepsmäuschen" komme man nicht sehr weit. Und doch sind gerade Frauen "mein Spezialgebiet", die sie gerne "fordert und fördert". Aber mit viel Verständnis, schließlich "war ich auch mal arbeitslos - mit Kind daheim". Für viele ist sie deshalb wohl nicht nur Mentorin - sondern auch Vorbild.

Deutlich zeigen, was man kann

Was Frauen sich von Männern, beispielsweise in Bewerbungsgesprächen, abschauen können? Da hat Julia Bangerth durchaus einen Vorschlag: Sich selbst mehr in den Fokus rücken, die eigenen Leistungen besser präsentieren. Denn: "Frauen sagen gerne ,wir‘", weiß die Personalleiterin der Datev, die im kommenden Juli Personalvorstand wird. Sie hat aber auch das Gefühl, dass Frauen inzwischen schon deutlicher zeigen, was sie können.

Gut so. Denn die 44-Jährige sagt mit Nachdruck: "Frauen müssen Frauen bleiben und dürfen nicht versuchen, Männer zu kopieren." Das hat auch Bangerth nie versucht, obwohl sie Jura studiert hat - wie ihr Vater. "Aber auch weil es mich fasziniert hat, wie er gegen mich argumentieren konnte, wenn ich etwas wollte", lacht sie. Julia Bangerth will irgendwann nicht mehr als Anwältin arbeiten, obwohl "ich Spaß am Studium und mit der Aufgabe in der Kanzlei meinen Wunschjob hatte", erinnert sie sich. Doch ihr fehlt der Kontakt zu den Menschen, "vor allem die Arbeit im Team". Sie wagt den Bruch - und wechselt in die Live-Entertainment-Branche - und binnen kurzer Zeit auch in eine Führungsposition. Lohn für ihren Mut.

Ihr erstes Kind bekommt sie quasi "zwischendurch", nimmt keine Elternzeit ("Dass mein Mann selbstständig ist, erleichtert natürlich vieles"). Vor dem zweiten Kind macht die gebürtige Würzburgerin auch beruflich den nächsten Cut, "weil es in der Organisation von Veranstaltungen auch keine Fünf-Tage-Woche gibt".

Mutig, das weiß sie, ist der Schritt, aber Sorgen, deswegen die Chance auf eine Führungsposition auf lange Zeit zu verspielen, hat Bangerth nicht. "Auch wenn ich einen Schritt zurück bin, war das bewusst - und zu diesem Zeitpunkt das Richtige." Karriere machen, das heißt für Julia Bangerth, "das zu tun, was man wirklich möchte und mit dem man einen wesentlichen, sinnvollen Beitrag leisten kann". Karriere sei außerdem nicht immer nur vertikal zu sehen, sondern gehe auch, indem man sein Arbeitsspektrum erweitert.

Sie wollte immer beides

Dass sie eine Frau ist, habe ihr in ihrer Arbeit nie Schwierigkeiten bereitet. Eine Familie neben dem Vollzeitjob als Führungskraft zu haben - ihre Tochter ist acht, der Sohn zwölf -, ist "organisatorisch anspruchsvoll". Aber sie wollte schon immer beides, "ich hatte immer das Ziel, in meinem Beruf zu bleiben", der sie jetzt nach Nürnberg geführt hat.

Bei Einstellungen achtet die Datev-Personalleiterin nicht auf Mann oder Frau, wohl aber auf Diversity, also auf soziale Vielfalt. "Es ist immer gut, wenn sich ein Team zwischen jung, alt, lange und kurz im Unternehmen oder eben auch Mann und Frau mischt." Was die Führungspositionen angeht, geht sie ohnehin davon aus, dass sich vieles verändert, weg vom einen Chef hin zu einem Führungsteam - in dem dann auch Teilzeit möglich ist. Die Frage, ob sie als Frau in der Geschäftsleitung noch immer eine Exotin ist, lässt sie schmunzeln, "weil ich das selbst nie so gesehen habe". Für sie sei das eben normal, aber nicht für jeden um sie herum. Meistens allerdings eher für andere Frauen, nicht für Männer.

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