Grippe-Welle hat Nürnberg im Griff: Die Wartezimmer sind voll

5.3.2018, 19:00 Uhr
Grippe-Welle hat Nürnberg im Griff: Die Wartezimmer sind voll

© Christina Sabrowsky/dpa

Von Jahresbeginn bis Ende Februar waren es 1168 Fälle. Fast genauso viele wie im selben Zeitraum 2017. "Die Welle ist mindestens genauso stark dieses Jahr." Sie begann etwas später im Dezember, erreicht dafür immer noch neue Spitzen, während die Zahlen vor einem Jahr schon wieder zurückgingen.aber eben nicht zwangsläufig. Dazu kam diesmal eine teils verfehlte Grippeimpfung. Der Standard-Impfstoff deckte den B-Virustyp nicht ab, und dieser dominiere jetzt auch eindeutig in den Nürnberger Meldungen, sagt Schaffer. Darunter sind vier grippebedingte Todesfälle, es seien ältere Patienten mit schweren Vorerkrankungen gewesen.

Über die tatsächliche Erkrankungshäufigkeit sagen die Daten allerdings nichts aus. Ans Gesundheitsamt gehen nur Diagnosen, die durch einen Labortest zustande kamen. Ärzte lassen eher schwer Erkrankte in Kliniken testen, um Influenza-Erreger von anderen Atemwegsinfekten abzugrenzen. In weit mehr Fällen wird gar nicht getestet. Für die Behandlung macht es keinen Unterschied.

Ein Ende der Viruswelle sei im Moment noch nicht abzusehen, sagt die Gesundheitsamts-Ärztin. Das zeigt sich in den Krankenhäusern. Sie sehen die gefürchtete Komplikation der Grippe, die schweren Lungenentzündungen. Alle Häuser des Klinikums Nürnberg haben derzeit ihre Plätze für Influenza-Patienten ausgeschöpft, sagt Sprecher Daniel Voigt. Elf im Norden, 15 im Süden, dazu einzelne in Lauf, Hersbruck und Altdorf: "Es sind gerade keine weiteren Isolierungen mehr möglich."

Die Mehrheit lasse sich ambulant kurieren

Volles Haus auch in der Cnopf’schen Kinderklinik. "Seit sechs Wochen geht es richtig zur Sache", sagt Chefarzt Prof. Wolfram Scheurlen. "Ich kann mich nicht erinnern, so viele gesicherte Grippekranke auf einmal erlebt zu haben." Die große Mehrheit lasse sich gut ambulant kurieren, da junge Menschen insgesamt gesünder seien als die erwachsenen Risikogruppen der Grippe.

Grippe-Welle hat Nürnberg im Griff: Die Wartezimmer sind voll

© Foto: Horst Linke

Die Erkrankung könne allerdings problematischer verlaufen, je jünger die Patienten seien. Gleichzeitig kursiere eine heftige Welle von RS-Viren, berichtet Scheurlen. Auch bei diesem Infekt setzen quälender Husten und Atemnot Babys und Kleinkindern schwer zu. Eine dramatische Überlastung von Notaufnahmen und Stationen durch zusätzliche Krankheitswellen beim Personal scheint in diesem Jahr allerdings auszubleiben. Kliniken in der Region schlugen um diese Jahreszeit deshalb früher schon Alarm.

Doppelt so viele Lehrer krank wie üblich

Im Arbeitsleben reißt der Spätwinter mit seinen Erkältungserregern Lücken. Ja, der Krankenstand der Lehrer sei gerade etwa doppelt so hoch wie üblich, bestätigt etwa Martin Chlechowitz, stellvertretender Leiter der Peter-Vischer-Schule. "Die Gesunden müssen’s ausbaden. Wir haben ein sehr leidensfähiges Kollegium." Ein Kindergarten in der Altstadt wiederum bat die Eltern bereits darum, ihre Kinder nach Möglichkeit zu Hause zu betreuen – nur noch zwei gesunde Mitarbeiterinnen sind übrig.

"Es ist wirklich die Hölle los", bestätigt Dr. Michael Bangemann, Hausarzt und Vorsitzender des Praxisnetzes Nürnberg-Süd. Er zählt zu den wenigen seiner Kollegen, die in diesen Tagen überhaupt noch ans Telefon zu bekommen sind. Rund ein Drittel mehr Patienten als üblich suchen Bangemanns Praxis auf. Grippale Infekte seien diesmal seltener dabei, die Mehrzahl habe sich die Grippe eingefangen. "Die Leute schauen schon verquollen aus." 40 Grad Fieber, Husten, starke Gliederschmerzen – die Betroffenen fühlten sich "hundeelend, und es gibt halt nichts dagegen", außer Bettruhe, Schmerzmitteln, Flüssigkeit. Bei fünf bis zehn Prozent stelle sich eine Lungenentzündung ein.

Warum eine Impfung auch jetzt noch sinnvoll ist

Wer einer Ansteckung vorbeugen will, kann dem Rat des Robert-Koch-Instituts folgen. Die staatlichen Infektionsmediziner empfehlen sogar jetzt noch eine Grippeimpfung mit dem umfassenderen Vierfach-Impfstoff, weil die Saison noch mehrere Wochen dauern könne. Ansonsten hilft Hygiene. Bangemanns Praxis bietet den Patienten Händedesinfektionsmittel an und hat Zettel aufgehängt: "Wir bitten Sie, aufs Händeschütteln zu verzichten." Wer Arztpraxen und Menschenansammlungen generell meiden könne, sei noch besser beraten. "Ausreichend Schlaf, vitaminreich essen, an die frische Luft gehen", rät der Allgemeinarzt. Infektionsmedizinerin Schaffer weist auf die Händehygiene hin. Unbewusst fasse man sich x-mal am Tag ins Gesicht – und bringt so Krankheitserreger zu Auge, Mund und Nase. "Das sollte man vermeiden. Wenn man nach Hause kommt oder zum Beispiel öffentliche Verkehrsmittel benutzt hat, sollte man sich als Erstes die Hände waschen."

Spätestens mit dem einziehenden Frühling dürfte die Kehrtwende kommen. "Es wird wohl besser, wenn endlich wieder frische Luft in die Wohnungen kommt", sagt Kinderarzt Scheurlen. Dann säßen nicht mehr so viele Leute in beheizten Räumen zusammen. In denen fühlen sich die Viren bestens.

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