Nürnberger Moscheen rechnen mit Andrang im Ramadan

6.6.2016, 16:32 Uhr
Nürnberger Moscheen rechnen mit Andrang im Ramadan

© Horst Linke

Seit Montag ist es wieder so weit: Dann beginnt für gläubige Muslime die entbehrungsreichste Zeit des Jahres, in der sie dreißig Tage lang von Sonnenaufgang bis -untergang auf Essen und Trinken verzichten. Viele derer, die trotz Job oder Schule die Strapazen auf sich nehmen und gut 18 Stunden lang fasten, besuchen vor dem Schlafengehen zudem noch die Moscheen. Dort finden die Tarawih-Gebete statt, die je nach Vorbeter bis zu eine Stunde dauern können.

Spätestens beim Gedanken an dieses nächtliche Ritual atmet Mostafa Eljojo sehr tief durch. Und zwar nicht, weil der gläubige Muslim die Rituale seiner Religion als Last empfindet. Nein, den Vorsitzenden der Islamischen Gemeinde (IGN) in der Hessestraße treibt beim Thema Ramadan eine andere Sorge um: „Falls unsere Glaubensbrüder aus den Flüchtlingsunterkünften alle zu uns kommen, müsste ich die Moschee dichtmachen“, sagt er — und meint das nur halb im Scherz.

Beten auf dem Gehsteig

Wegen Überfüllung geschlossen? Das könnte der international aufgestellten Gemeinde in Gostenhof, in der viele Sprachen gesprochen werden, im schlimmsten Fall tatsächlich blühen. Denn schon heute stößt die Moschee oft an ihre Grenzen. Bei Freitagsgebeten oder an muslimischen Feiertagen etwa ist das Haus nicht nur bis unters Dach — inklusive Fluren, Treppenhäusern und Hofdurchfahrt — voll mit Betenden. Wiederholt mussten Moschee-Besucher auch auf dem Gehsteig vor dem Haus Platz nehmen.

Sollte sich das im Ramadan wiederholen, müssten Eljojo und seine Kollegen vom IGN dem aber Einhalt gebieten, "so sehr uns der Gedanke auch widerstrebt, Muslime vor der Moschee abzuweisen", sagt Eljojo gequält. Doch im Zweifel wäre das der einzige Weg, um zu verhindern, dass mehr Menschen im Gebäude sitzen, als es die Flucht- und Rettungswege erlauben. Vor allem aber auch, um die Nachtruhe der Nachbarn zu schützen.

Aussichten, die auch Christine Schüßler nicht kaltlassen. Darum hat sich die Leiterin des Bürgermeisteramts in den vergangenen Wochen bereits öfter mit der IGN und weiteren Nürnberger Moschee-Gemeinden zusammengesetzt, um das Thema Flüchtlinge und Ramadan aufzugreifen. Zwar ist Religionsausübung oder die Unterstützung derselben keine Aufgabe der Stadt, wie Schüßler wiederholt betont. Angesichts eventuell negativer Auswirkungen hat die Kommune dennoch versucht, den Gemeinden mit ihren Platzproblemen zu helfen.

Bahn lehnt Zelt ab

So wurde bei der Bahn nachgefragt, ob man auf deren Freigelände hinter der Moschee ein Zelt aufstellen könne. Doch die Bahn winkte ab. Den angrenzenden städtischen Bolzplatz wiederum, so Schüßler, könne man nicht einen Monat lang blockieren. Ein Problem bei all den Überlegungen ist, dass man vorerst gar nicht absehen kann, ob und wie viele der Flüchtlinge es in die Moscheen zieht. Wenn sie in ihren Unterkünften bleiben, so die Leiterin des Bürgermeisteramtes, hätten sie jedenfalls genug Platz zum Beten: "Ob in der Breslauer Straße oder am Hiroshimaplatz — in den Notunterkünften liegt die Belegung derzeit meist unter 40 Prozent."

Kopfzerbrechen bereite hier die Verpflegung: Im Gegensatz zu regulären Unterkünften haben Notunterkünfte keine Gemeinschaftsküchen, wo man sich auch nach Sonnenuntergang um 21.30 Uhr selbst etwas zubereiten kann. Die Zeiten der Essensausgabe durch den jeweiligen Caterer zu ändern, kam aber auch nicht infrage. Schließlich sind bis zu 40 Prozent der knapp 1200 Flüchtlinge in den Notunterkünften gar keine Muslime. Und selbst von diesen wird laut Abfragen der zuständigen Betreuer bis zu ein Drittel gar nicht fasten.

Die Lösung hier: Muslimische Flüchtlinge können sich bei der abendlichen Essensausgabe ein Lunchpaket abholen, um es später zu essen. Eine Methode, die sich bereits in der Vergangenheit bewährt hat. "Das haben wir auch so gehandhabt, als viele wegen der Teilnahme an Integrationskursen die Essensausgabe verpasst haben. Das ist also nichts Besonderes", sagt Christine Schüßler.

Probleme beim Essen?

Yavuz Kizmaz vom Vorstand der Eyüp-Sultan-Moschee in der Kurfürstenstraße ist da vorsichtiger, ob das die Essensfrage löst. Er kann sich vorstellen, dass nicht nur Flüchtlinge aus den Notunterkünften zum Fastenbrechen in die Moschee kommen. Zu dem Essen für bis zu 300 Personen, das seine Gemeinde im Ramadan seit Jahren Tag für Tag kostenlos auftischt, kommen heute schon Flüchtlinge, aber auch Arme, Senioren oder Studenten. "Sollten jetzt aber 200 bis 300 Menschen dazukommen, können wir das nicht mehr stemmen", so Kizmaz.

Immerhin was die räumlichen Kapazitäten angeht, kann seine Gemeinde einem eventuellen Andrang gelassener entgegensehen. Im größten muslimischen Gotteshaus Nordbayerns finden — etwa an Feiertagen — mehr als 6000 Gläubige Platz. Zudem verfügt die Eyüp-Sultan-Moschee über einen riesigen Parkplatz, auf den bei Bedarf ein Zelt für mehrere Hundert Menschen gestellt werden kann.

Das, so Christine Schüßler, sei auch geplant und bei Bedarf schnell umsetzbar. Ob es am Ende wirklich notwendig wird oder die Flüchtlinge von sich aus die Moscheen meiden, weil sie zu voll sind, weiß man weder in der Kurfürstenstraße noch im Rathaus. „Es bleibt nichts anderes übrig, als die ersten Tage abzuwarten und bei Bedarf zu reagieren“, sagt Christine Schüßler. "Vielleicht", gibt sich Mostafa Eljojo optimistisch, "geht ja doch noch alles irgendwie gut." Und fügt schnell hinzu "Inshallah" — so Gott will.

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