"Sogar Schnaps gefriert": Horst Brunk ist seit 40 Jahren obdachlos

21.7.2015, 06:00 Uhr
Seit 40 Jahren ist Horst Brunk obdachlos. Jetzt will er "was Eigenes" - aus gesundheitlichen Gründen.

© Mark Johnston Seit 40 Jahren ist Horst Brunk obdachlos. Jetzt will er "was Eigenes" - aus gesundheitlichen Gründen.

Horst Brunk kann sich noch genau daran erinnern, wie er verheult weggelaufen ist. Vor seinem Vater, der ihn aus der Wohnung in Langwasser geworfen hat. "Verbrecher" hat er ihm noch hinterhergerufen. „Mein Vater hat mich immer als einen Deppen gesehen“, sagt Brunk.

Als Kind ist er schwer erziehbar, verbringt viele Jahre in Heimen. Seine Mutter und er leiden unter dem Vater, einem Alkoholiker. Als sie es doch mal miteinander versuchten und Brunk zu ihm zieht, fliegen nach drei Wochen die Fetzen. Er rennt davon, mit 18 Jahren. Nur mit Jacke und Hose irrt er herum, bis er eine Gruppe Obdachloser trifft. "Die haben mir gezeigt, wie man auf der Straße überlebt." Sein Leben "auf Platte", wie es im Jargon heißt, beginnt.

"So ein Leben ist nicht empfehlenswert"

Wobei Brunk lieber sagt, dass er "auf Tour" lebt. Überall in Europa ist er unterwegs: Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, Belgien oder Österreich. Er schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, klaut und bettelt. In Frankreich muss er ins Gefängnis, weil er ein Huhn gestohlen hat. Insgesamt 18 Jahre seines Lebens verbringt er hinter Gittern.

Das Leben auf Tour ist hart. Bei klirrender Kälte übernachtet Brunk einmal zusammengekauert in einer Bushaltestelle in den Bergen. „Da ist sogar der Schnaps gefroren.“ Er lag in einem Schlafsack und atmete immer wieder gegen seine Brust, "sonst wäre ich verreckt".

Die Tour hat ihre Spuren hinterlassen. Brunk hat chronische Bronchienbeschwerden und einen heftigen Ausschlag an den Beinen. Seine Lunge und die Leber sind schwer geschädigt. „So ein Leben ist nicht empfehlenswert“, sagt Brunk.

Jetzt sucht Brunk "was Eigenes"

Doch er kann nicht ohne die Straße. Seit Mai lebt er in der Großweidenmühle, trotzdem verschwindet er immer wieder für ein paar Tage. Stürzt manchmal ab und liegt halb bewusstlos auf einer Parkbank. Die Passanten ignorieren ihn dann meist. "Die wollen mit uns doch nichts zu tun haben." In solchen Momenten wünscht er sich doch, dass sich mal einer zu ihm herunterbeugt und guckt, ob er noch lebt.

Heute lebt er in der Großweidenmühlstraße. Dort teilt er sich ein Zimmer mit einem anderen Mann, bekommt warmes Essen und Betreuung. Er spricht mit einem Berater über seine Probleme. Außerdem bastelt er in einer Kreativgruppe, um zu lernen, in einer Gemeinschaft zu leben. 100 Euro Taschengeld gibt’s obendrauf.

Die Mitarbeiter helfen ihm auch dabei, eine Wohnung zu finden. Denn nach all den Jahren auf Achse sieht es tatsächlich so aus, als ob sich Brunk nach einem Domizil sehnt. "Ich brauch etwas Eigenes." Vielleicht kann er dann endlich ankommen.

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