Rother Flüchtlingshelfer suchen dringend Verstärkung

30.9.2016, 17:58 Uhr
Rother Flüchtlingshelfer suchen dringend Verstärkung

© Stefanie Graff

Etwas mehr als 300 Asylbewerber sind aktuell in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung ZAE in der Otto-Lilienthal-Kaserne untergebracht. Das sind viel weniger Menschen als noch vor einem Jahr. Dafür bleiben die, die dort sind, deutlich länger. Der Alltag in der Kaserne hat sich in den vergangenen Monaten stark gewandelt. Das stellt Haupt-und Ehrenamtliche vor ganz neue Herausforderungen.

Die derzeitigen Bewohner der ZAE stammen überwiegend aus Äthiopien, Aserbaidschan und Armenien. Syrer, Iraner und Iraker sind in der Rother Einrichtung eine Minderheit geworden.

Die Asylbewerber müssen sich, anders noch als vor ein paar Monaten, als die Verweildauer auf maximal drei Monate begrenzt war, auf einen weitaus längeren Aufenthalt im abgeteilten und streng bewachten Bereich der Kaserne einstellen: ein halbes Jahr oder sogar darüber hinaus.

„Darauf müssen wir mit einer anderen Art der Betreuung reagieren“, betont Antje Freudling von der Asylberatungsstelle. Sie ist fast jeden Tag vor Ort und versucht alle Hebel in Bewegung zu setzen, um den Menschen in der Kaserne den eintönigen Alltag fernab der Stadtmitte mit Leben zu füllen und Perspektiven aufzuzeigen.

Weniger Flüchtlinge, weniger Personal

Nach dem Abebben der großen Flüchtlingswelle hatte sich die ZAE immer weiter geleert, bis gerade mal nur noch knapp hundert Flüchtlinge dort untergebracht waren. Die Regierung von Mittelfranken, die für die ZAE zuständig ist, hat darauf ihre Mitarbeiter aus der Kaserne abgezogen.

Wer jetzt hier neu ankommt, muss selbständig nach Nürnberg fahren, um sich registrieren zu lassen und die Formalitäten für den Asylantrag zu erledigen. „Schon das ist für die meisten eine schier unlösbare Aufgabe,“ weiß Antje Freudling aus Erfahrung. „Finden Sie doch mal von hier aus in die Beuthener Straße, wenn sie sich weder auskennen noch die Sprache sprechen.“ Die Menschen seien auf Unterstützung dringend angewiesen.

Gleichzeitig wurde in Ansbach beschlossen, die Flüchtlinge längerfristig in der Kaserne zu versorgen. Wer sich hier auf Dauer einrichten müsse, habe jedoch ganz andere Bedürfnisse, als jemand, der nur auf der Durchreise sei.

Wegen der längeren Verweildauer greift für immer mehr Kinder in der Kaserne die Schulpflicht. Immer dann, wenn der Zuzug aus dem Ausland drei Monate zurückliegt, werden Kinder eingeschult. Das führe laut Freudling zu der grotesken Situation, dass manche Kinder in die Schule gehen, während Gleichaltrige in der Kaserne bleiben müssten. Das sei den Eltern schwer zu erklären. „Die wollen ja alle, dass ihre Kinder in die Schule gehen“, so Freudling.

81 schulpflichtige Kinder und Jugendliche

Nach Auskunft der Pressestelle der Regierung von Mittelfranken sind derzeit 15 Kinder und Jugendliche in der Erstaufnahmeeinrichtung grund- und mittelschulpflichtig. 66 junge Bewohner unterliegen der Schulpflicht für den Besuch der Berufsschule (Stand: 23. September).

Für die Grund- und Mittelschulen ist Alexander Schatz vom Staatlichen Schulamt zuständig. Die Erstklässler werden in die Rother Grundschule Gartenstraße geschickt – zusammen mit den Schulkindern, die von Kiliansdorf mit dem Schulbus dorthin fahren. Für alle anderen Grundschüler sind die beiden Übergangsklassen an der Kupferplatte zuständig.

Die Mittelschüler fahren in die Übergangsklassen nach Rednitzhembach. „An beiden Standorten haben wir ausreichend Kapazitäten und die Lehrkräfte sind auf die hohe Fluktuation gut eingestellt.“

Bewohner sind ziemlich isoliert

Die Beschulung der Berufsschüler werde laut Regierungssprecherin Karin Christ derzeit vorbereitet und soll „zeitnah“ beginnen. Vorgesehen sei, dass die Berufsschüler die örtliche Berufsschule besuchen.

Auch die erwachsenen Flüchtlinge haben es nicht leicht, ihren Alltag zu gestalten. „Natürlich ist es ein Unterschied, ob man mitten in der Stadt untergebracht ist und damit etwas vom Leben in der Stadt mitbekommt; oder ob man hier oben sitzt“, weiß die hauptamtliche Beraterin. „Im Moment findet hier fast nichts statt“, bedauert sie. „Die Bewohner hier sind sehr isoliert, haben kaum Kontakt nach außen und dadurch bleiben sie von vielen Dingen ausgeschlossen.“

Die Aufgabe der jungen Sozialwissenschaftlerin ist es unter anderem, die ehrenamtliche Arbeit in der ZAE zu koordinieren und auszubauen. Die handvoll Leute, die sich derzeit in der Kaserne engagieren, waren schon vor ihr da. Sie sind übrig geblieben von denen, die mit angepackt haben, als die Einrichtung aus allen Nähten zu platzen drohte.

Heute Spendenaktion

Elisabeth Sippel ist eine dieser Helfer. Sie hat unter anderem die Kleiderkammer unter ihren Fittichen und koordiniert aktuell eine Spendenaktion, die heute läuft: Momentan fehlen vor allem warme Wintersachen. „Hosen, Pullover, Jacken und Wäsche für eher schmale Männer, Frauen und Kinder werden dringend gebraucht.“ Auch feste Schuhe, Kinderwagen und Reisebetten für die Kleinsten stehen auf ihrer Liste. Zudem Spielsachen, Koffer, Trolleys und Schultaschen.

Die Spenden können am heutigen Samstag von 9 bis 14 Uhr auf dem Parkplatz des Rother Edeka-Marktes im Eichenweg abgegeben werden. „Wenn der Winter kommt, wird es ganz schön heftig werden“, fürchtet Antje Freudling. „Wir haben hier zwar viel Platz, aber zu wenig Räume.“

Neben den Schlafräumen und einer Mensa, die eigentlich nur zum Essen genutzt werden darf, gebe es keine Gemeinschaftsräume. Auch eine Küche gibt es nicht. Versorgt werden die Bewohner zentral.

Für den Deutschkurs beispielsweise drängen sich bis zu 50 Menschen in einem Schulungsraum, wenn Yousef Eghian zum Deutschkurs einlädt. Nur noch wenige Wochen bleiben dem auch als Asylbewerber in die Kreisstadt gekommenen Syrer noch, um an andere junge Leute weiterzugeben, was er bereits geschafft hat: So gut und schnell Deutsch zu lernen, dass er in der neuen Heimat eine echte Perspektive hat. Yousef Eghian tritt im Oktober seinen Studienplatz in Medizintechnik im Ruhrgebiet an.

Der Platz reicht nicht

„Wenn wir hier für die Menschen etwas auf die Beine stellen wollen, brauchen wir dafür auch Platz“, betont Antje Freudling. Räume, in denen noch mehr Deutschunterricht angeboten werden kann; Räume, in denen Kinder in Ruhe Hausaufgaben machen können; Räume, in denen gespielt und gemeinsam „gelebt“ werden kann.

Karin Christ, Pressesprecherin der Regierung von Mittelfranken, erklärt zur Raumsituation, dass Gemeinschaftsräume im Hinblick auf die zeitlich begrenzte Aufenthaltsdauer im Bereich der Erstaufnahme konzeptionell nicht zwingend vorgesehen seien. Man sei aber stets bemüht, im Kontakt mit den Beteiligten vor Ort sinnvolle Lösungen zu finden.

Freudling hofft auf Unterstützung durch Ehrenamtliche: „Wir brauchen hier eine Hausaufgabenbetreuung, etwas speziell für Frauen; Freizeitaktivitäten für Groß und Klein. Es wäre toll, wenn wir jeden Tag ein Angebot machen könnten. Wir freuen uns auf Leute, die etwas Zeit und gute Ideen mitbringen.“ Es gäbe also viele unterschiedliche und interessante Betätigungsfelder für Ehrenamtliche.

Wer sich für diese Arbeit interessiert, kann entweder unter Telefon (0 91 71) 8 57 20 20, Mobiltelefon (01 76) 16 35 90 13 und E-Mail an antje.freudling@diakonie-roth-schwabach.de direkt Kontakt zu Antje Freudling aufnehmen oder sich unter Tel. (0 91 71) 81 11 25 an die Kontaktstelle FürEinander im Landratsamt, wenden.

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