Second-Hand-Laden "Marotte" in Schwabach schließt

Daniel Hertwig

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30.5.2018, 14:00 Uhr
Second-Hand-Laden

© Daniel Hertwig

"Exklusive Mode aus 2. Hand", damit wirbt Stilla Weiler auf ihrer Visitenkarte. Die Inhaberin der Schwabacher Gebrauchtmode-Boutique "Marotte" hat fast 30 Jahre lang davon gelebt, Kleidungsstücke zu verkaufen, die ihre ursprünglichen Besitzer nicht mehr tragen wollten (oder konnten).

"Ich habe damit meinen Lebensunterhalt finanziert und meine Mitarbeiter bezahlt", zieht die selbstbewusste 65-Jährige Bilanz. Ihr Erfolgsrezept seit 1991: Bei der Annahme der Ware war sie immer streng, achtete auf Qualität. Nur gut erhaltene Stücke, oft Markenware und modisch aktuell, seien ihr ins Haus gekommen. "Nur so kann man in diesem Geschäft überleben", erklärt die Händlerin, die vor der Gründung des eigenen Ladens in der auch heute noch existierenden "Fundgrube" in Schwabach erste Gebrauchtwaren-Erfahrung gesammelt hat.

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Und: "Bei Geld hört das Hobby auf." Die Kleider, Hosen, Jacken und Hemden, die in der "Marotte" auf den Stangen hängen, haben ihren Preis. Für unter zehn Euro gibt es kaum etwas. Weiler erklärt, warum: Erstens, weil sie die Sachen auf Kommission verkauft. Das heißt, sie werden von Privatleuten ins Geschäft gebracht, die erhalten die Hälfte des erzielten Erlöses. Deshalb könne sie auch nur selten und nur geringen Rabatt geben, so Weiler.

Und zweitens sei Second Hand heute "keine Frage des Geldes mehr." Den Kunden – überwiegend sind es übrigens Kundinnen – und ihr selbst sei es wichtig, Ressourcen zu schonen. Die Billigproduktion von enormen Mengen Kleidungsstücken, auch der bekannten Marken, findet meist in Asien statt. Dort verschlingt sie viel Wasser, giftige Chemie kommt zum Einsatz, Baumwollbauern und Näherinnen können von der harten Arbeit oft kaum leben. Das wollen immer mehr Konsumenten im Westen nicht mehr unterstützen.

Qualität wird auch bei Second Hand immer wichtiger

Gleichzeitig sind laut Weiler auch die Ansprüche der Second-Hand-Kunden gestiegen. Klar, freuten sich die auch über Schnäppchen – wenn sie beispielsweise eine Lederjacke, die neu 300 Euro kostet, bei ihr für 45 Euro bekämen –, doch die Qualität müsse dementsprechend hoch sein. Die Zeit, in der manche Gebrauchtkleidung als schmuddelig empfanden, sei vorbei.

 

Und Weiler scheut sich auch nicht, ihre Kunden ehrlich zu beraten: Wenn ihnen eine Bluse oder eine Hose nicht steht, sage sie das. "Ich möchte ja, dass sie gut aussehen und Freude an den Sachen haben." Ihre Kunden danken es ihr. Viele kämen seit Jahren, teilweise aus Nürnberg, Fürth, Weißenburg. Und natürlich zahlreiche Schwabacher. Dazu Laufkundschaft, heute waren schon Amerikaner und Spanier da.

50 Menschen schauten im Schnitt pro Tag herein, etwa jeder Zweite kaufe etwas. Dass Weiler am 28. Juli schließt, hat also nichts mit schleppendem Geschäft zu tun. Sie will nun, mit Mitte Sechzig, einfach in den Ruhestand gehen, sich um den Garten kümmern, mit ihrem Mann verreisen. Und sich später ehrenamtlich engagieren. "Nichtstun ist nicht mein Ding."

Stammkunden bedauern das Ende der Schwabacher "Marotte"

Sie freut sich aber auf die Zeit danach – auch wenn sie jetzt häufig emotional werde, wehmütig bei dem Gedanken, die "Marotte" für immer zu schließen. Einige Stammkunden wüssten schon Bescheid, sie sagen ihr: Das kannst du doch nicht machen! Wo sollen wir denn einkaufen? Für Weiler selbst wird es eine große Umstellung, ebenso für ihre Teilzeit-Mitarbeiterin, die auch 65 Jahre alt ist.

Und ihr Werk, die "Marotte"? Hätte sie nicht jemand weiterführen können? Interessenten habe es einige gegeben, sagt Weiler. Doch der Laden, der früher mal eine Backstube war und den sie in Eigenregie herrichtete, müsste renoviert werden. Da das Gebäude aber unter Denkmalschutz stehe, sei das sehr teuer. Die Eigentümer, die Familie des verstorbenen Bäckermeisters Lehmeyer, dessen Name noch in großen Lettern auf der Fassade steht, habe daher entschieden, die Räume als Wohnung zu nutzen, um das Haus so zu erhalten.

Kleider in der Backstube

Weiler ist dem Bäcker immer noch dankbar, dass er ihr vor fast 30 Jahren den Laden günstig vermietete. Sie hatte zufällig dessen Anzeige entdeckt und gedacht: Das ist es! Die "Chemie" zwischen ihr und dem Handwerksmeister habe gestimmt. Ein Glücksfall für die Gründerin, die zuvor Zahnarzthelferin gelernt und auch im Personalwesen gearbeitet hatte. Denn hohe Mieten belasteten Einzelhändler sehr, meint Weiler. "Mir ist der Laden damals quasi vor die Füße gefallen."

Allerdings hat die Unternehmerin auch viel Kraft hineingesteckt. An den Moment, in dem sie die Eingangstür zum letzten Mal abschließt, möchte sie deshalb nicht so oft denken. Bis dahin laufe das Geschäft auch ganz normal weiter, betont sie, sowohl für ihre Lieferanten als auch für die Kunden. Und die werden auch bis zum Schluss kommen, auf der Suche nach einem Hemd oder Abendkleid.

Fast alles findet einen neuen Besitzer. Nur ein Paar Pumps, das musste Weiler einmal anderswo verkaufen, weil es in Schwabach einfach nicht ankam. Die Absatzschuhe waren rundherum mit Swarovski-Steinen besetzt. Aus Sicht der Händlerin waren sie "schon grenzwertig", was guten Geschmack angeht. Immerhin: 350 Euro brachten sie dann doch ein.

Zum Vormerken: Am Sonntag, 21. Oktober, verwandelt sich die Schwabacher Innenstadt von 13 bis 18 Uhr in einen großen Flohmarkt.

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