Spitzel-Vorwürfe vergiften Diskussions-Klima

6.2.2017, 17:00 Uhr
Spitzel-Vorwürfe vergiften Diskussions-Klima

© Eduard Weigert

Einige Bundesländer haben die Gespräche mit Ditib schon auf Eis gelegt. Zuletzt setzte Nordrhein-Westfalen die Zusammenarbeit mit dem Verband aus, welcher der türkischen Religionsbehörde Diyanet untersteht. Anlass für solche Schritte ist eine Spitzelaffäre.

Ditib-Imame, die vom türkischen Staat entsandt werden, sollen Gemeindemitglieder und deutsche Lehrer bespitzelt und dabei Namen angeblicher Anhänger des islamischen Predigers Fetullah Gülen nach Ankara gemeldet haben. Angeblich geraten auch Menschen ins Visier solcher Aktivitäten, die den Dialog etwa mit Christen pflegen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt. Gülen wird von Ankara für den gescheiterten Putsch im vergangenen Sommer verantwortlich gemacht und gilt heute als Erzfeind von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoðan.

Von der Ditib-Zentrale in Köln heißt es bisher zu den Vorwürfen lediglich, man sei um Aufklärung bemüht. Die Probleme müsse man gemeinsam lösen.

In den nordbayerischen Moscheen des türkisch-muslimischen Verbands Ditib ist bisher nichts von Bespitzelungen bekannt. Das versichert Erhan Çinar, Vorsitzender von Ditib-Nordbayern, gegenüber unserer Zeitung. Dass sich etliche Politiker in dieser Situation von seinem Verband als Gesprächspartner distanzierten, treffe ihn sehr: „Da wird ein ganzer Verband pauschal diskreditiert.“

Die Beiträge von Ditib zur Integration von Migranten in Deutschland würden damit einfach beiseite gewischt. Die religiöse Kooperation mit dem türkischen Staat sei auf absehbare Zeit „unverzichtbar“.

Im bayerischen Innenministerium hieß es zu den Ditib-Moschee-Vereinen auf Anfrage unserer Zeitung zurückhaltend, man verfolge „die politische Ausrichtung im Hinblick auf den türkischen Staat“. Der Ministeriumssprecher gab ausdrücklich den Hinweis, dass es bisher nicht um eine Beobachtung wegen religiös extremistischer Bestrebungen gehe.

Einen intensiveren Kontakt zu Ditib pflegt das Kultusministerium. Im Haus von Minister Ludwig Spaenle (CSU) liegt seit gut zwei Jahren ein Antrag des Verbandes auf Anerkennung als Religionsgemeinschaft. Einen solchen Partner braucht der Staat laut Verfassung, um einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht vergleichbar dem der christlichen Kirchen an staatlichen Schulen anzubieten.

Bisher gibt es in Bayern den Islamischen Unterricht — auf das Wort Religion wird bewusst verzichtet — als Modellversuch in staatlicher Verantwortung. Ditib hatte diese Variante im vergangenen Jahr allerdings als verfassungsrechtliches Feigenblatt attackiert, weil das deutsche Grundgesetz verlangt, dass Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der jeweiligen Religionsgemeinschaft erteilt werden muss.

Andere muslimische Verbände sehen das ähnlich. Etwa die Islamische Landesreligionsgemeinschaft, die vor knapp drei Jahren unter großen Geburtswehen von den unterschiedlichsten Moscheegemeinden und Islam-Verbänden ins Leben gerufen worden war. Ditib ist nicht dabei. Es wurden im Hintergrund immer wieder Stimmen laut, die kritisierten, der große türkisch-staatlich geprägte Verband strebe nach Vorherrschaft.

Kultusminister Spaenle hat bisher immer betont, man sei noch nicht so weit, eine islamische Organisation im Sinne einer Religionsgemeinschaft anzuerkennen. Der Weg dorthin sei aber offen. Unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse ist er offenbar wieder ziemlich versperrt.

„Distanziertes Verhältnis“

Ludwig Unger, Sprecher des Kultusministeriums, sagte, man sehe sich in der Haltung bestätigt, zu Ditib als Organisation ein „professionell distanziertes“ Verhältnis zu pflegen. Einzelne Vertreter von Ditib würden, so Unger, bei Bedarf schon wieder zu Gesprächen eingeladen. In näherer Zukunft sind solche Treffen jedoch nicht in Sicht.

Und von konkreteren Schritten in Richtung eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts in Bayern ist nicht mehr im Ansatz die Rede. Beobachter der Debatte gehen eher davon aus, dass der seit gut zehn Jahren bestehende Modellversuch eine Dauereinrichtung wird.

Zu den treibenden Motoren eines islamischen Religionsunterrichts gehört der frühere Nürnberger Prodekan Rainer Oechslen. Er ist seit vielen Jahren Beauftragter für den interreligiösen Dialog und Islamfragen und Mitorganisator des bayerischen Islam-Forums, dessen Mitglieder sich regelmäßig zum Austausch treffen. Er empfindet den Konflikt zwischen Gülen-Anhängern und manchem Ditib-Vertreter als „schmerzlich“.

Einen Anlass, Ditib zu meiden, sieht er nicht. „So lange mir nicht vorgeschrieben wird, was ich sagen darf, gehe ich überall hin“, meinte Oechslen. Mit der „neuen Konstellation“ — gemeint sind damit die Vorwürfe gegen Ditib-Vertreter aus anderen Bundesländern — müsse man irgendwie umgehen. Aber auch er sieht, dass die Sterne für islamischen Religionsunterricht eher ungünstiger stehen.