Bayreuth beschwört das Basketball-Wunder

12.5.2017, 17:29 Uhr
Engagiert an der Seitenlinie: Headcoach Raoul Korner gibt Anweisungen.

© Sportfoto Zink / HMI Engagiert an der Seitenlinie: Headcoach Raoul Korner gibt Anweisungen.

Wenn sich Begeisterung in Zahlen messen lassen würde, dann wäre die passende zu dieser Geschichte eine drei mit zwei Nullen dahinter. 300 Meter, so lange war die Schlange vor der Geschäftsstelle des Basketball-Bundesligisten medi Bayreuth, als sie vor kurzem Tickets für die beiden Play-off-Heimspiele gegen Oldenburg verkauft haben. "Die Leute", sagt Uwe Miersch, Leiter der Geschäftsstelle und früher selbst als Spieler aktiv im Verein, "waren sehr geduldig". Obwohl viele von ihnen seit über 20 Jahren keine Playoffs mehr erlebt haben.

Geht es nach Miersch, würden sie in dieser Saison gerne noch einmal Überstunden machen, dazu müssten Bayreuths Basketballer aber zunächst einmal das Heimspiel am Sonntag gewinnen, mit einem weiteren Sieg in Oldenburg am kommenden Dienstag könnten sie die Serie dann noch einmal nach Oberfranken zurückholen.

83:85 endete Bayreuths erstes Bundesliga-Play-off-Spiel seit der Saison 1995/96, das zweite ging mit 90:102 verloren. Zusammen mit der Niederlage gegen Würzburg am letzten Spieltag der Hauptrunde ist es die längste Niederlagenserie in dieser Saison, womit schon ganz gut beschrieben ist, warum die laufende Runde in die Basketball-Historie der Stadt eingehen wird.

"Wir sollten es einfach nur genießen - selbst wenn wir am Sonntag verlieren." Das sagt Sven Ammon, seit drei Jahren Pressesprecher von medi Bayreuth. Auch ihn verbindet weit mehr als nur eine berufliche Beziehung zum Verein. Mit acht Jahren hat Ammon bei dem Verein, der damals noch ganz anders hieß, das Basketballspielen gelernt, er hat alle Mannschaften durchlaufen und als er oben angekommen war, da fand sich der einst so erfolgreiche Verein plötzlich in der Regionalliga wieder.

Höhen und Tiefen

Wer die aktuelle Basketball-Begeisterung in der Stadt verstehen will, muss sich die wechselhafte Geschichte des Vereins vor Augen führen: 1975 war der Post SV Bayreuth Gründungsmitglied der zweiten Liga, 1989 wurde der Klub unter dem Namen Steiner Bayreuth deutscher Meister und Pokalsieger. Und dann, nur zehn Jahre später: Rückzug in die Regionalliga - weil plötzlich das Geld fehlte.

Für schnelle Aufstiege und noch schnellere Abstiege gibt es im deutschen Basketball viele Beispiele, ein Alleinstellungsmerkmal war ihr Absturz nicht. Und so schnell es für manche Standorte nach unten ging, ging es auch wieder nach oben. Dennoch: "Damals hätte niemand gedacht, dass wir jemals wieder zurückkommen", sagt Peter-Michael Habermann.

1979 hat ein Freund Habermann überredet, mal zum Basketball mitzukommen, seitdem, erzählt er, "bin ich mit dem Virus infiziert". Bei seinem ersten Besuch erlebte er, wie Bayreuth den Rivalen aus Bamberg in die zweite Liga schickte. Irgendwann haben beide Vereine die Rollen getauscht, aber Habermann ist trotzdem geblieben. Seit 1983 besitzt er eine Dauerkarte, seit dem Umzug in die Oberfrankenhalle 1988 sitzt er immer auf dem selben Platz: Block C, Reihe 4, Platz 10, "direkt hinter dem Kampfgericht", wie er betont.

Über die Jahre ist er so etwas wie das lebende Bayreuther Basketball-Archiv geworden; kein Spiel, das er nicht dokumentiert hat, kein Rekord, den er nicht kennt. Und deshalb hat er in diesen Tagen auch diese schöne Statistik ausgegraben: Die Meistermannschaft von 1989 ist bis heute die einzige, der es in der Finalserie gelungen ist, einen 0:2-Rückstand noch zu drehen. "Wir hoffen", sagt er über Bayreuths Basketball-Wunder, "dass uns das jetzt nochmal gelingt". Auch wenn es diesmal erst einmal nur um den Einzug ins Halbfinale geht.

Ein besonderer Dolmetscher

Darauf hofft natürlich auch Bastian Doreth. Der Point Guard, der so aussieht, als hätten die Play-offs schon vor Monaten begonnen, war noch gar nicht geboren, als Bayreuth Meister wurde, seit zwei Jahren ist der Nürnberger dort nun Kapitän und Identifikationsfigur. Seit ein paar Wochen gibt es ihn als Wackelkopf fürs Auto, auch hier lässt sich die Begeisterung in Zahlen messen: Über Hundert Stück haben sie schon verkauft.

Vergangene Saison kämpfte er mit seinen jungen Kollegen noch gegen den Abstieg, dann wagte es die Vereinsführung, Meisterspieler und Denkmal Michael Koch durch den Trainer Raoul Korner zu ersetzen. Die Fans, erinnert sich Ammon, waren zunächst nicht begeistert, doch der Plan ging auf. Bayreuths Basketballer beendeten die Hauptrunde auf Platz vier und Doreth musste als "Dolmetscher" zwischen der fränkischen und der amerikanischen Sportseele tätig werden. "Wenn man drei Spiele gewinnt, sprechen manche Fans gleich von der Meisterschaft", sagt Doreth, "und es gibt Mitspieler, die sich davon anstecken lassen". Inzwischen hat er alle wieder eingefangen. Fertig sind sie mit dieser Saison aber noch nicht.

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