"Einzigartig": Auch HCE-Profis gepackt von XXL-Kulisse

12.12.2016, 06:00 Uhr

© Sportfoto Zink / OGo

Als all der Druck, all die Anspannung endlich abgefallen war, ein 26:24 (13:11) über den HSC Coburg vom Videowürfel in die glücklichen Erlanger Gesichter leuchtete, so viele Menschen einfach nicht nach Hause gehen wollten, auf den Tribünen standen und einfach weiter klatschten, da konnte Ole Rahmel zugeben, dass es auch für ihn nicht leicht gewesen war die vergangenen Tage. "Es war ein komisches Gefühl", verriet der Rechtsaußen des HC Erlangen, "ich konnte nicht gut schlafen, war nervös, aufgekratzt. Das hatte ich lange nicht mehr vor einem Spiel."

Ein Spiel, das mehr war als nur ein Handballspiel, auf so unterschiedliche Weise. Ein Derby einerseits gegen den anderen bayerischen Bundesligisten. Ein Spiel vor 8108 Zuschauern zwischen zwei Aufsteigern in einer atemberaubenden Atmosphäre, die selbst den erfahrenen Pavel Horak ins Schwärmen brachte: "So etwas", meinte der 34-Jährige, "muss man genießen, das ist einzigartig." Diese Ränge spendeten eine gewaltige Energie, Explosionen, die jeden Treffer begleiteten, Jubelstürme, die jede Torwartparade anknipste. Es war vor allem aber ein direktes Aufeinandertreffen zweier Mannschaften, die nicht absteigen wollen. Und andererseits auch eine Partie gegen einen Gegner, der in der Vergangenheit keine Gelegenheit ausgelassen hat, um den HC Erlangen in der Vorbereitung zu stören.

Coburger Fans sauer

Auch diesmal fühlte sich Coburg mit seinen Fans am Ende "nicht kollegial behandelt", wie es Steffen Ramer, der Geschäftsführer ausdrückte. Eine wegen Sicherheitsbedenken verbotene Choreografie, Fahnenstangen, die nicht in die Halle genommen werden durften und die Tatsache, dass der HCE nicht bereit war, wenige Tage vor dem Spiel 100 Karten des Gästekontingents zurückzunehmen, hatten die Gäste verärgert. Doch aufgrund der Vorkommnisse des letzten Aufeinandertreffens in der Arena, als ein paar Chaoten einen Rauchtopf in einen mit Kindern besetzten Fanblock warfen, hatte der HCE die Sicherheitsvorkehrungen massiv verschärft.

Am Eingang der Arena, wo sich vor Anwurf lange Schlangen gebildet hatten, stand die doppelte Menge an Sicherheitspersonal, ein Dutzend Polizisten begleiteten die Gästefans auf ihre Plätze. "Wenn man im Nachhinein sieht, dass es nun ein friedlich-stimmungsvolles Derby war, war das der richtige Schritt", meinte René Selke, der HCE-Geschäftsführer. Dass die Erlanger Fans sowohl eine Choreografie zeigen als auch Fahnen schwenken durften, verschärften das Gefühl der Ungleichbehandlung der Gäste.

"Eben ein Derby"

"Es war eben ein Derby", sagte Nikolas Katsigiannis, der HCE-Torhüter. Er meinte gar nicht diesen Zwist, sondern ein Spiel, das eigenartig schwer zu greifen war. Das selbst den Zuschauern am Ende das Gefühl gab, seltsam ausgelaugt zu sein. Erlangen feierte zwar einen Sieg, die Coburger schauten enttäuscht und traurig, aber warum die einen gewonnen und die anderen verloren hatten, das ließ sich diesmal gar nicht so leicht sagen.

"Wir sind so enttäuscht, weil wir so nah dran waren hier etwas mitzunehmen", sagte der Coburger Steffen Coßbau. "Woran es gelegen hat ist schwer zu sagen. Ich weiß es nicht." Vielleicht waren es die ein, zwei Fehler zu viel, die den Gästen in der zweiten Hälfte unterliefen? Pässe, die an Knie oder Waden sprangen und Gegenstöße einleiteten, die Erlangen so dankbar entgegen nahm, weil sie sich an der hervorragenden Coburger Deckung zunehmend die Zähne ausbissen.

"Aus dem Rückraum war das heute zu wenig", sagte HCE-Trainer Robert Andersson. Nikolai Link, der Nationalspieler, warf sein einziges Tor nach 44 Minuten. Weder Michael Haaß noch Jonas Link konnten als Spielmacher Lücken in die Verteidigung reißen. Erlangens Glück war, dass die eigene Abwehr vor dem wieder starken Katsigiannis sicher stand und Ole Rahmel und Martin Stranovsky, beide vor einer Woche noch Ausfälle, vor der überwältigenden Stimmung zu Höchstleistungen aufliefen. "Ich glaube, es war diese Energie", sagte Stranovsky, der am Siebenmeterpunkt beeindruckende Nervenstärke zeigte. Die beiden Außen steuerten 15 der 26 Treffer bei, Nicolai Theilinger weitere sechs.

So führte Erlangen immer, nur beim 9:5 (17.) einmal deutlich. "Wir wussten, Coburg würde nie aufgeben", sagte Andersson. Und so war es auch: Immer wieder krochen die Gäste heran, nie konnte sich Erlangen zurücklehnen. "Es ist unsere einzige Chance in dieser Liga", meinte Coßbau, "wir können individuell mit vielen nicht anders mithalten."

Und so kletterte Erlangen wie auf einer Leiter voraus und Coburg hinterher, mal eine Sprosse dahinter, mal ein paar weiter entfernt, ohrenbetäubend beklatscht, bejubelt von über 8000 Menschen. Als die Sirene ertönte, stand es 26:24. Warum der eine gewonnen und der andere verloren hatte, das wusste niemand so genau.

HC Erlangen: Katsigiannis; Theilinger (6), Jonas Link, Haaß (1), Rahmel (8), Stranovsky (7/3), Horak (1), Nikolai Link (1), Thümmler (2), Sabljic, Guardiola.

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