Meeske: "Schuldenfrei war der FCN definitiv nicht"
1.6.2016, 17:01 UhrNZ: Herr Meeske, Sie sind seit dem 1. September im Amt und hatten einige Akten zu wälzen. Konnten Sie inzwischen einen Überblick gewinnen?
Michael Meeske: Ich denke, jetzt haben wir ein realistisches Bild von der Situation. Am Anfang war es nicht ganz einfach, eine vollständige Transparenz herbeizuführen.
NZ: Wie stellt sich denn die finanzielle Gesamtsituation des Vereins dar?
Meeske: Der 1. FC Nürnberg befindet sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation. Wir haben ein paar kleine Schritte in die richtige Richtung machen können, aber es werden noch viele weitere notwendig sein.
NZ: Worin liegen die Gründe für die schwierige Lage und letztlich 16 Millionen Euro Verbindlichkeiten?
Meeske: Der Grund letztendlich ist, dass man in den letzten zwei, drei Jahren eine negative Entwicklung vollzogen hat. Den positiven Trend des Marktes, der um sieben bis acht Prozent pro Jahr gewachsen ist, hat der Club nicht für sich nutzen können. Auf der anderen Seite steigen bei den anderen Klubs die Ausgaben für den sportlichen Bereich. Wenn man weiterhin mithalten will, darf man zumindest nur bedingt schrumpfen bzw. muss effektiver werden. Letztlich ist das ein doppeltes Problem und die Unterdeckung wird immer größer. Zudem gibt es vertragliche Verpflichtungen, nicht nur im sportlichen Bereich, die schon dafür sorgen, dass wir nicht heute oder morgen mit einem weißen Blatt Papier loslegen können.
NZ: Der reine Etat für den Lizenzspielerbereich soll sich von 16 Millionen Euro auf knapp unter 13 Millionen verringern. Kann der Club da noch mithalten?
Meeske: Auch andere ambitionierte Vereine müssen ihre Etats senken, und rein von den Zahlen bleibt der Club auch 2016/17 eines der größeren Themen der 2. Liga.
Effektivität ist der Schlüssel
NZ: Die Absteiger VfB Stuttgart und Hannover kalkulieren aber mit 22 bis 23 Millionen Euro ...
Meeske: Das sind aber etattechnisch die beiden Ausnahmen. Generell muss man einfach mal den Saisonverlauf abwarten und wird dann sehen, wer wie effektiv ist.
NZ: Kommen wir zu Ihrem Vorgänger Martin Bader, der, wie immer deutlicher wird, durchschnittliche Spieler mit zu hoch dotierten und langfristigen Verträgen ausgestattet hat, bei seinem Abschied aber verkündete, einen nahezu schuldenfreien Verein zu hinterlassen. Entspricht das der Realität?
Meeske: Grundsätzlich ist der Verein in einer schwierigen Situation. Und das war er vor einem Jahr auch schon. Wir hatten ein negatives Eigenkapital, und der Verlust im Sommer war auch schon absehbar. Die Entwicklung war über einen langen Zeitraum positiv, in den letzten zwei, drei Jahren wurde aber ein Negativtrend eingeleitet. Und der sorgt für eine substanzielle wirtschaftliche Belastung.
"Von daher war das sicher nicht so gemeint..."
NZ: Das heißt, der Verein war nicht schuldenfrei...
Meeske: Schuldenfrei war er definitiv nicht - alleine aufgrund der Fan-Anleihe in Höhe von 6,5 Millionen Euro in den Büchern. Von daher war das sicher nicht so gemeint mit dem nahezu schuldenfrei.
NZ: Wie ist es anders zu erklären?
Meeske: Ich gehe davon aus, dass es um die Überschuldung ging - also das negative Eigenkapital, das von zehn Millionen Euro auf 1,1 Million runtergeführt worden war.
NZ: Klären Sie uns bitte auf, was bedeutet negatives Eigenkapital?
Meeske: Vereinfacht gesprochen, wenn die Verbindlichkeiten größer sind als das Vermögen, dann hat man negatives Eigenkapital.
Die ominösen fünf Prozent
NZ: Und das belief sich zum 30. Juni 2015 auf rund 3,2 Millionen Euro. Weil es bis zum 31. Dezember nicht um fünf Prozent verringert wurde, musste der Verein rund 600 000 Euro Strafe zahlen. Die Lizenz für die kommende Saison haben Sie unter Auflagen gestern erhalten. Beim nächsten Mal droht aber ein Punktabzug...
Meeske: Wir tun alles, um das nächste Mal diese fünf Prozent zu erreichen.
Emotionales Verständnis
NZ: Bei der letzten Mitgliederversammlung wurden Bader und der damalige Finanzvorstand Ralf Woy nicht entlastet. Können Sie den Wunsch mancher Mitglieder nach rechtlichen Konsequenzen nachvollziehen?
Meeske: Emotional kann ich das nachvollziehen. Dass das aber rechtlich geahndet werden kann, dafür gibt es nur keinen wirklich validen Ansatzpunkt.
NZ: Also ist das Instrument der Entlastung nur ein stumpfes Messer?
Meeske: Ich kenne jedenfalls keinen Fall, der im Nachgang zu Haftungsthemen geführt hat. Dazu müsste man auch grobe Fahrlässigkeit oder Absicht und natürlich einen kausalen Schaden nachweisen, was erfahrungsgemäß sehr schwierig im Fußball ist.
"Am Ende zählt jeder Euro"
NZ: Worin liegen derzeit Ihre primären Aufgaben?
Meeske: Wir müssen raus aus der strukturellen Etat-Unterdeckung und wollen auch die Finanzierungsformate umstellen, von größtenteils kurzfristig und hoch verzinst auf besser verzinst und langfristig. Das sind im finanziellen Bereich die primären Aufgaben. Zum Saisonende konnten wir den negativen Trend bei der Vermarktung bezüglich der Eintrittskarten und der Hospitality umkehren, aber wir versuchen natürlich, diesen Trend aufrecht zu halten und auch den erreichten Zuschauerschnitt von knapp über 30.000 noch ein bisschen zu steigern. Wir planen zwar konservativer, aber am Ende zählt jeder Euro.
NZ: Deshalb sind auch die Eintrittspreise teils um bis zu 20 Prozent angehoben worden...
Meeske: Im Schnitt haben wir acht Prozent zugelegt. Unsere Dauerkartenpreise im Stehbereich waren die zweitgünstigsten der Liga. Seit dem Abstieg gab es bislang auch nur eine Preissenkung, aber noch keinen Anstieg.
Wenn wir ambitioniert sein wollen, kommen wir mit den zweitgünstigsten Tickets aber leider nicht über die Runden. In den nächsten zwei Jahren soll es in der 2. Liga aber auch keine weitere Erhöhung geben.
NZ: Wirken sich die Strafen für Pyrotechnik auf die Preisgestaltung aus?
Meeske: Es wäre nicht zielführend, das auf alle Besucher umzulegen. Ich bin kein Freund von Sippenhaft. Es ist schwer, den oder die Schuldigen ausfindig zu machen. Und es gibt momentan rechtlich noch keine Klarheit zur Weiterbelastung von Strafen an ermittelte Täter.
Kostspielige Strafen
NZ: Wie viel mussten Sie in dieser Saison für Strafen ausgeben?
Meeske: Eine Summe im niedrigen sechsstelligen Bereich.
NZ: Geld, das fehlt...
Meeske: Man kann sicher nicht sagen, dass es sinnvoll investiert ist.
NZ: Wie läuft die Suche nach einem neuen Trikotsponsor?
Meeske: Wir sprechen mit drei potenziellen Partnern, sind guten Mutes. Es ist aber ein ergebnisoffener Prozess.
NZ: Das Wirtschaftsjahr endet am 30. Juni. Ist schon absehbar, wie hoch der Verlust diesmal ausfallen wird?
Meeske: Wir gehen von einem Verlust im niedrigen siebenstelligen Bereich aus.
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