Wenn Schule einfach nur Spaß macht

21.10.2015, 06:00 Uhr
Wenn Schule einfach nur Spaß macht

© Foto: Sabine Rempe

Auf den ersten Blick ist es ein Klassenzimmer wie jedes. Auf den Tischen liegen Hefte und Stifte, an der Wand hängen Listen und Bilder. Und doch ist in der Ü 1 und in der Ü 2 einiges anders. Hier lernen Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 17 Jahren zusammen. Sie sind noch nicht lange in Deutschland, wurden zum Beispiel in Eritrea, Afghanistan, Syrien, dem Irak, Polen, Mexiko, Rumänien oder Thailand geboren. Manche sind geflohen, andere stammen aus Zuwandererfamilien. Eine ganze Reihe von ihnen hat in der alten Heimat die Schule besucht, andere saßen noch nie im Unterricht.

Gemeinsam lernen sie jetzt die Grundlagen der deutschen Sprache, um anschließend in eine Regelklasse zu wechseln. In den Übergangsklassen, die vom Bayerischen Kultusministerium eingerichtet wurden, sind zwei komplette Schuljahre dafür vorgesehen. Im Landkreis Fürth gibt es die beiden Übergangsklassen in Zirndorf, in der Stadt Fürth sind es insgesamt 22. Der Lehrplan sieht dabei jeweils zehn Wochenstunden Deutsch vor, aber letztlich prägt dieses große Thema den gesamten Schultag.

Die besonderen Herausforderungen, die der Unterricht mit sich bringt, spornen in Zirndorf Martin Baumgartner (44), Klassenleiter in der Ü 1 und seine Kollegin in der Ü 2, Andrea Maurer (44), ganz offensichtlich an. Gefragt ist unter anderem die Kreativität, immer wieder für Sachlagen, die sich nicht voraus planen lassen, eine Lösung zu finden und dabei viele verschiedene Anforderungen unter einen Hut zu bringen.

Die allererste Lektion, sagt Baumgartner, sieht so aus: „Man gibt die Hand und sagt: ,Guten Tag, ich heiße . . .‘“ Willkommen heißen und eine Atmosphäre schaffen, in der sich alle wohlfühlen – das ist eine Basis, auf der aufgebaut werden kann. Dabei hilft auch ein aktuelles Lehrbuch. „Am Anfang schneide ich zum Beispiel Bilder aus, von Dingen, die im Buch vorkommen. Die Aufgabe heißt dann, die entsprechenden Begriffe samt dem Artikel im Wörterbuch zu suchen“, erklärt Andrea Maurer.

Das Verstehen der neuen Sprache geht rasch. „Die meisten lernen sehr schnell“, loben die Pädagogen. Natürlich sind die Begabungen so unterschiedlich wie das Lerntempo. „Wir hatten zum Beispiel schon Kinder, die sind nach kurzer Zeit direkt in eine M-Klasse oder aufs Gymnasium gewechselt. Einer macht demnächst sein Abi“, sagt Martin Baumgartner.

Jedes Mädchen, jeder Junge bringt eine Vorgeschichte mit. Es gibt Kinder und Jugendliche, die alleine auf der Flucht waren und schreckliche Erinnerungen mit sich tragen. Andere kamen hierher, weil ihre Eltern jetzt in Deutschland arbeiten. Sie vermissen vielleicht ihre Freunde, die vertraute Umgebung. Derzeit bilden diese Kinder die größte Gruppe in Zirndorf. Die beiden Klassenlehrer sind oft über ihre normale Rolle hinaus als Ansprechpartner gefragt: „Das reicht vom Trösten bei Heimweh bis zu Alltagsinformationen.“ Für die Vielfalt, die das Miteinander in den Übergangsklassen prägt, hat Baumgartner ein großes Lob: „Das ist richtig schön.“ Er freut sich über die „gute Stimmung und Schüler, die freundlich, höflich und sehr motiviert sind“. Er hat den Eindruck, dass nicht wenige einfach froh darüber seien, „endlich wieder in die Schule gehen zu dürfen“.

Die Klassenstärke ist freilich selten für längere Zeit konstant. Während des Jahres kommen immer wieder Neue dazu, andere wechseln in eine Regelklasse. Dazu kommt, dass die Schüler nicht das gleiche Alter und alleine deshalb einen unterschiedlichen Leistungsstand haben. Die Pädagogen gehen darauf ein, in dem sie etwa im Matheunterricht differenzierte Aufgaben verteilen. Martin Baumgartner hat festgestellt: „Die Älteren kümmern sich immer sehr aufmerksam um die Jüngeren in der Klasse, das ist manchmal ein bisschen so wie bei Geschwistern.“

Froh sind Andrea Maurer und Martin Baumgartner auch über den fruchtbaren Kontakt zum Integrationsbeirat Zirndorf: „Wir vernetzen uns immer mehr.“ Zu den gelungenen Aktionen gehörte im Sommer das „Fest der Kulturen“, bei dem die Schüler selbstgebackene Cup Cakes anboten.

Andrea Maurer freut sich auch sehr, dass der jüngste Elternabend hervorragend besucht und ein großer Erfolg war. Dazu trugen nicht zuletzt ehemalige Ü-Klassenschüler bei, die sie gebeten hatte, als Dolmetscher mitzuwirken. Die Pädagogin weiß: „Die Schüler sind Multiplikatoren, sie geben wichtige Informationen und manchmal sogar ihre Wörterbücher in ihren Familien weiter.“

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