15. Mai 1970: 5000 bei Demonstration

15.5.2020, 07:00 Uhr
15. Mai 1970: 5000 bei Demonstration

© Fischer

Die Demonstranten forderten auf Transparenten und in Sprechchören den Abzug der US-Truppen aus Südostasien und die Einstellung jeglicher Unterstützung der „US-Aggression“ durch die Bundesrepublik. Von der Stadt Nürnberg verlangten sie, den Zuschuß an das Amerika-Haus zu streichen und die Bevölkerung über die vermutete Lagerung von Atomsprengköpfen auf dem Schießplatz Tennenlohe aufzuklären.

Der offiziellen und friedlich verlaufenen Demonstration schloß sich noch eine spontane auf dem Bahnhofsplatz an. Dabei ging eine Scheibe der Eingangstüre des amerikansichen Hotels in Trümmer. Ein Demonstrant wurde von einem Passanten niedergeschlagen und mußte ins Krankenhaus gebracht werden. Zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam es nicht. Leidtragende waren die Kraftfahrer: in der Innenstadt mußten große Verzögerungen in Kauf genommen werden. Die Glocken der Lorenzkirche läuteten, als sich der Zug der Demonstranten vom Kornmarkt in Bewegung setzte. So friedlich, wie sie begann, war die Demonstration nicht immer. Vor dem amerikanischen Hotel wurde ein Demonstrant von einem erbosten Passanten niedergeschlagen. Dessen Personalien konnten wenig später von der Polizei festgestellt werden.

Mit Schutzhelmen und Plastikschilden waren die Polizisten ausgerüstet, die hinter Barrikaden die Gleißbühlstraße sperrten. Sie schienen überrannt zu werden, aber kurz vor ihnen bogen die Jugendlichen nach links ab, vor das amerikanische Hotel. Und jetzt wurden die Rufe zum Orkan: „Nixon – Mörder!“ Auf dem Egidienplatz erhielt das Melanchthon-Denkmal ein Marx-Bildnis an die Brust gedrückt, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal glich zeitweise einem Fahnenständer. Als aber einer der Demonstranten schließlich das Standbild erklommen hatte, da schwang er die rote Fahne im wilhelminischen Schoße. Nur nominell löste sich der Zug am Egidienplatz auf. Fast geschlossen folgten die Jugendlichen der Aufforderung, zum Duda-Eck zu marschieren und dort Diskussionsgruppen zu bilden. Doch zu Diskussionsgruppen kam es nicht mehr. Ein improvisierter erneuter Demonstrationszug nämlich nahm die Königstraße in Beschlag – sie war gerade noch einspurig befahrbar – und bewegte sich in Richtung Bahnhof. Geistesgegenwärtig lenkte ein Polizist den Verkehr in die Lorenzer Straße um. Ziel des Marsches war das US-Hotel.

Aber außer der Gleißbühlstraße hatte die Polizei auch die Hopfenstraße gesperrt, die zum Hintereingang führt. Wasserwerfer standen bereit. Sie brauchten jedoch nicht eingesetzt zu werden, denn außer Schimpfworten flogen nur zwei kleine Steine auf die Ordnungshüter, die dies mit Gelassenheit ertragen konnten. Scherben gab es dann doch noch: eine Glastüre des Hotels ging in Trümmer. Und dahinter marschierte MP mit gezogenen Schlagstöcken auf. Mit unbeweglichen Mienen ließen die Soldaten jeden Diskussionsversuch an sich abgleiten. Woraufhin ihnen die Jugendlichen zuriefen, sie sollten schön brav sein, sonst müßten sie nach Vietnam.

Derweil führte die Stadtpolizei einen schier aussichtslosen Kampf gegen das Verkehrschaos auf dem Bahnhofsplatz. Schließlich gegen 20 Uhr, hatte sie wieder einigermaßen für Ordnung gesorgt. Und auch eine Gruppe Jugendlicher, die sich demonstrativ auf die Trambahngleise gesetzt hate, konnte von anderen Demonstranten davon überzeugt werden, daß weiteres Ausharren wenig Sinn hat. 

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