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Treffpunkte statt Autos: Das hat es mit Nürnbergs Parklets auf sich

Silke Roennefahrt

Lokalredaktion

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2.7.2021, 05:39 Uhr
Ein bisschen Grün, mehrere Sitzplätze und eine kleine Bühne: So sieht das Parklet in der Karl-Bröger-Straße aus.

© Eduard Weigert, NNZ Ein bisschen Grün, mehrere Sitzplätze und eine kleine Bühne: So sieht das Parklet in der Karl-Bröger-Straße aus.

Von weitem spitzen nur ein paar orangefarbene Bögen über die Autodächer, der neue Sitzplatz, der auf zwei Parkplätzen in der Karl-Bröger-Straße entstanden ist, verschwindet fast zwischen den vielen parkenden Fahrzeugen, die noch immer das Straßenbild prägen. Doch Peter Christof und Andreas Thamm haben es sich hier trotzdem schon oft im neuen Parklet gemütlich gemacht, sich auf einen nachmittäglichen Kaffee getroffen oder abends ein Feierabendbier genossen.

Auch wenn drum herum das Blech dominiert: Auf den Podesten und Bänken, die Lena Endres und Julia Hendrysiak von den Projektentwicklern UrbanLab Team und N.Ort aus wetterfesten Betonschalungsplatten gebaut haben, sitzt es sich überraschend gemütlich. In Pflanzcontainern wachsen Oleander und Männertreu, die orangefarbenen Bögen sind ein schöner Hingucker. Und sie verweisen auf das, was Thamm und Christof hier in den kommenden Wochen machen wollen: Unter dem Motto "Kul-Tor" soll es auf der integrierten Bühne auch ein kleines Kulturprogramm geben. Die beiden Künstler haben mit zwei weiteren Nachbarn die Patenschaft für das Parklet übernommen. Sie waren nicht nur an der Gestaltung beteiligt, sondern kümmern sich auch jetzt regelmäßig um den neuen Treffpunkt, räumen Müll weg, gießen die Blumen. Beide leben in Wohnungen ohne Balkon, in der an Treffpunkten raren Südstadt freuen sie sich über die neue Freifläche ums Eck. "Hier ist es sonst nicht so einfach, eben mal vor die Tür zu gehen."

Genau das ist auch der Grund, warum die Parklets im Rahmen des städtischen Quartiersmanagements entstanden sind. Die Sitzmöbel seien ein pragmatischer Weg, um den Mangel an Außenflächen wenigstens ein bisschen auszugleichen, sagt der Stadtplaner Dieter Blase, der an dem Projekt beteiligt ist. An sechs verschiedenen Standorten in der Südstadt werden deshalb in diesem Jahr jeweils zwei Stellplätze vorübergehend zu Treffpunkten umfunktioniert, nach dem Vorbild von Städten wie Stuttgart, München und San Francisco, wo laut Wikipedia bereits 2013 die ersten Parklets aufgestellt worden sind.

Viele Wohnungen ohne Balkon oder Garten

Natürlich sei das zunächst nur eine homöopathische Dosis, sagt der Leiter des Stadtplanungsamtes, Siegfried Dengler. Doch könne man mit den Parklets zeigen, was sich aus dem öffentlichen Raum machen lässt, der aus Denglers Sicht in den vergangenen Jahrzehnten "sukzessive zweckentfremdet" worden ist. "Man denkt nur noch in Parkplätzen." Die Kommunikationsmöglichkeiten im öffentlichen Raum seien dadurch beschränkt. Wie wichtig sie sind, habe zuletzt die Pandemie gezeigt: Gerade in den dicht besiedelten Gebieten, mit vielen Wohnungen ohne Balkon oder Garten, fehlten derartige Treffpunkte, so Dengler.

Parklets könnten zu "Begegnungszentren" werden, ergänzt Ursula Beck, die sich im Stadtplanungsamt um die Stadterneuerung kümmert. Zusammen mit den Quartiersmanagerinnen für Galgenhof und Steinbühl, Carmen Machmuridis-Lösch und Christine Hilderscheid, hat Beck nach passenden Paten für die Sitzgelegenheiten gesucht. So kümmert sich in der Vogelweiherstraße das Café Integral um eine barrierefreie "Grüne Oase ohne Hindernisse", in der Peter-Henlein-Straße betreut der Offene Kinder- und Jugendtreff Freiraum den neuen Sitzplatz vor der Tür. Dort wachsen in Pflanzkübeln sogar Erdbeeren, Mangold und Minze. "Für uns war das die einzige Möglichkeit, eine Art Garten zu bekommen", sagt der Sozialpädagoge Daniel Rosenkranz. Die Jugendlichen helfen laut Rosenkranz kräftig mit - und ärgern sich, dass Passanten an den Sitzplätzen häufig Müll hinterlassen. Zu viel Müll und Nachtschwärmer, die die Parklets zur Partyzone umfunktionierten, hatten auch in Berlin für Probleme gesorgt - in Kreuzberg wurden die Sitzmöbel daraufhin wieder abgebaut.


Pop-up-Läden und begrünte Sitzplätze sollen die Innenstadt beleben


In Nürnberg, wo in den neuen Treffpunkten ab 22 Uhr die Nachtruhe gilt, sind die ersten Erfahrungen jedoch überwiegend positiv. Die Resonanz sei gut. "Es gibt tagsüber kaum eine Zeit, zu der dort niemand ist", sagt Rosenkranz. Eine Anwohnerin, die sich über die fehlenden Parkplätze ärgerte, habe wenig später mit ihnen bei einem Glas Wein zusammen gesessen, erzählt Peter Christof. Dass die Nachbarn sehen, was sich alles aus dem öffentlichen Raum machen lässt, hofft auch Dengler, der sich eine Debatte über den Umgang mit Flächen wünscht.

Denn die Parklets sollen nur der Auftakt sein, im kommenden Jahr soll die Karl-Bröger-Straße möglicherweise zur Sommerstraße werden, mit deutlich weniger Parkplätzen und mehr Treffpunkten. Und auch aus der Altstadt sind bereits erste Anfragen von Anwohnern da. Es gehe, sagt Christof, nicht um die Frage, wieviel Parkplätze wegfallen. "Es geht um die Frage, wie viele Quadratmeter bekommen wir zurück?"

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