21. April 1969: Tiger brüllen in Orchesterloge
21.4.2019, 09:13 UhrSeine ersten Bewohner waren 22 Hirsche und vier Rehe, die – wie die Zeitungen damals berichteten – unter wechselndem Schneegestöber und frühlingshaftem Sonnenschein vom Zoo am Dutzendteich in die neuen Gehege gebracht wurden.
Die erste Wegekarte des Tiergartens wurde 1939 von Bertl Kuch gezeichnet. Nur wenig hat sich seither geändert: Drahtzäune ersetzen verschiedentlich die Planken, die Kleinbahn fährt nicht mehr bis zum Steinbockfelsen, neue Bauten sind entstanden wie beispielsweise das Giraffenhaus.
Elf Pioniere noch dabei
Elf Männer, die in der damaligen Bauleitung Hand in Hand arbeiteten, werden beim Jubiläum noch dabei sein, darunter Gartenbaudirektor i. R. Alfred Hensel und Baureferent Heinz Schmeißner. Berufsmäßiger Stadtrat Schmeißner hat der Stadt also nicht nur beim Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg seinen Stempel aufgedrückt, sondern schon in den dreißiger Jahren gestaltend gewirkt. Noch als Baurat wird er am 30. Juni 1937 von einer Zeitung gelobt: „Professor Brugmann, der gemeinsam mit dem Hochbauamt und dem Stadtgartenamt das Werk gestaltet, gab uns einen seiner tatkräftigsten Mitarbeiter auf unserem Rundgang durch das neue Gelände mit auf den Weg ...“
Garten- und Landschaftsarchitekt Günther Vogel, der den Schmausenbuck damals neu bepflanzte, hat das heutige Treffen angeregt. Er wird viele Unterlagen aus dieser Zeit mitbringen, die eine wahre Fundgrube für jeden Tiergartenforscher sind.
Die jüngere Generation dürfte interessieren, daß der Schmausenbuck früher ein fast steril zu nennendes Gelände aufwies, das nur zum Teil mit Kiefern bestanden war. So gab es erst einmal eine kleine Holzauktion, ehe die Tiergartenplaner ihren Grundsatz verwirklichen konnten: „Wir müssen eine Anlage schaffen, die sich der vorhandenen Landschaft organisch einordnet.“ Die dafür erforderlichen Arbeiten waren gewaltig. In rund 2,5 Millionen Arbeitsstunden wurden 250.000 Kubikmeter Erdreich bewegt und 12.000 Kubikmeter Fels gelöst; die notwendigsten Vorbedingungen für ein entsprechendes Pflanzenwachstum schufen 38.000 Kubikmeter Humus. Für die landschaftliche Umgestaltung mußten 33.000 Bäume und Sträucher – darunter 450 bis 70 Jahre alte Bäume aus der freien Landschaft mit Frost- und Schalballen, die mit Tiefladern nach Nürnberg gebracht wurden – sowie 200.000 Wildstauden und Heidepflanzen neu verpflanzt werden.
Geschichtsträchtig ist der Boden, auf dem die Raubtieranlage entstand. Einst stand auf ihm ein Naturtheater, das immer viele Nürnberger ins Grüne lockte. Die Orchesterloge wurde für den Wassergraben der Tigerschlucht benutzt und der tiefe und breite Raum der ehemaligen Bühne ist in ein Freiluftgehege für Raubtierkinder, für die Löwen und Tigerkatzen umgewandelt worden. Die Felswände blieben dagegen unverändert.
Eine Mär ist es dagegen, wenn alte Nürnberger behaupten, sie hätten schon vor dem Tiergartenbau in den Vogelweihern gebadet. „Die notwendigen Wasserflächen für Stelzvögel, Gänse und Enten mit einer Fläche von 23.000 Quadratmeter wurde neu angelegt“, schmunzelt Günther Vogel über die „Münchhausen“. Auch die Becken und Gräben für die Seelöwen, Pinguine, Braun- und Eisbären entstanden zwischen 1937 und 1939 von Menschenhand. All diese Ereignisse von damals werden heute vor den Augen Stadtrat Schmeißners und aller anderen Tiergartenbauer Revue passieren. Jeder dürfte eine Anekdote beisteuern können, beispielsweise wie die Känguruhs und die Wapiti-Hirsche auf den Gehsteigen spazieren gingen, weil man noch wenig Erfahrung hatte und die Einfriedungen zu niedrig baute, und vieles mehr...
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