15. Mai 1969: Nürnberg stöhnt unter der Hitze

K.N.

15.5.2019, 07:00 Uhr
15. Mai 1969: Nürnberg stöhnt unter der Hitze

© NN

Doch nur die wenigsten durften den unverhofften Wärmesegen genießen. In den Büros, Fabriken und Geschäften, auf den Straßen und besonders in den Autos stöhnten die Berufstätigen unter den tropischen Temperaturen.

10.000 hatten jedoch Zeit: sie strömten in das Freibad West – und holten sich einen Sonnenbrand. Die Schwimmbecken faßten kaum alle Wasserratten, die sich erfrischen wollten. Doch von kühlen Fluten konnte gegen Mittag keine Rede mehr sein. Das Thermometer zeigte über 26 Grad an. Lediglich die kalten Duschen hielten ihr Versprechen.

Auf solch einen Menschenansturm war das städtische Badeamt nicht vorbereitet. An den Kassen wurden die Sonnenhungrigen fast erdrückt, obwohl bereits am Vormittag zwei Kassierer zusätzlich eingesetzt wurden. Einen unverhofften Umsatzsegen brachte die Hitze auch den Getränkefirmen und Eisverkäufern. In den Vertriebsstellen der Bierbrauereien liefen die Telefone heiß. In den dichtbesetzten Gartenrestaurants hatten die Gäste fast nur einen Wunsch: ein kühles Blondes oder ein Eis.

Die Brunnen in der Stadt waren ständig umlagert. Manche Passanten hielten sogar ihren Kopf unter den kühlen Strahl oder krempelten heimlich die Hosenbeine hoch, um schnell einmal die geschwollenen Füße abzukühlen. Daran dachten sicher nicht Fußgänger, die jede Vorsicht außer acht ließen und einen tiefen Schluck aus dem Brunnen nahmen.

Die Kraftfahrer, die in langen Autoschlangen vor den Ampeln warten mußten, litten besonders unter der Hitze. Einige überschritten lediglich des kühlen Fahrtwindes wegen die vorgeschriebene Geschwindigkeit. Unfreiwillig in die Sauna mußten jene klettern, die keinen schattigen Parkplatz gefunden hatten – und die waren ohnehin gestern Mangelware.

In den Büros herrschte chronischer Durchzug. Ganz Kluge schlossen die Fenster und Vorhänge oder ließen die Jalousetten herunter. Selbst "Zugeknöpfte" öffneten den obersten Kragenknopf. Auch einige Stadträte im Sozialausschuß folgten gestern willig dem Beispiel von Bürgermeister Haas und legten ihre Jacken ab.

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