20. Juni 1969: Polizeiaufgebot wegen Protest-Parolen
20.6.2019, 07:00 UhrDenn nicht nur die Akademie-Präsidenten waren nach Nürnberg gereist, sondern auch zahlreiche Vorsitzende und Mitglieder der Allgemeinen Studentenausschüsse. In einer Resolution äußerten diese Studenten ihre Empörung, daß diese Konferenz ohne ihre Teilnahme bleiben sollte.
Aber das war nur das eine. Denn einige Studenten – wobei es noch nicht ganz klar ist, wer dabei als Initiator zu gelten hat – griffen zur Farbpistole und beschrieben Glastüren und Wände in der Kunstakademie in grellroter Farbe mit herausfordernden Sätzen wie „Vereinigung starker Leithammel“ und „Demokratie in der Hochschule“.
Im Einverständnis mit dem Präsidenten der Nürnberger Akademie, Professor Wunibald Puchner, rief der Vizepräsident, Professor Hermann Schorer, wenige Minuten vor elf Uhr nach der Polizei, zumal die Farbangriffe der Studenten sich auch gegen die große Plastik Professor Hans Wimmers im Eingangshof der Akademie richteten. Zu diesem Zeitpunkt mögen etwa 30 bis 40 Studenten im Hof und in den Fluren der Akademie gewesen sein, und wenige Minuten nach elf Uhr gab es fast die gleiche Zahl von Polizisten auf dem sonst so stillen Gelände am Schmausenbuck.
Von elf Studenten stellte die Polizei die Personalien fest und sechs wurden vorübergehend auf das Polizeipräsidium gebracht, Gegen sieben Studenten aus Nürnberg, Frankfurt, Stuttgart, Wangen im Allgäu, Rehau in Oberfranken und Planegg bei München – sämtlich zwischen 23 und 26 Jahren – wurde nach den Angaben der Polizei ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruches und erschwerter Sachbeschädigung eingeleitet. Ansonsten aber spielten sich die Ereignisse keineswegs mit jenen Gewalttätigkeiten ab, die man von manchen anderen Protestaktionen kennt.
Vielleicht hing das damit zusammen, daß die Rektoren ihren Tagungsort aus der beschmierten Akademie längst in ein wesentlich ruhigeres Domizil verlegt hatten: in die Meistersingerhalle, in deren einem Konferenzsaal die Akademie-Präsidenten mit Studentenvertretern bald gemeinsam tagten. Zwar hatten die Studenten dort kein Stimmrecht, wenn es um Beschlüsse ging, aber sie konnten die Konferenz verfolgen und mit den Präsidenten Nestler aus München, Schreiter aus Frankfurt, Schrieber aus Berlin, Brudi aus Stuttgart, Asemissen aus Kassel, Trier aus Düsseldorf, von Buttlar aus Hamburg, Klemm aus Karlsruhe und Voigt aus Karlsruhe diskutieren.
Dieser gemeinsamen Diskussion war sogar einiger Erfolg für die Studenten beschieden, denn am Nachmittag konnten sie einen Antrag durchsetzen, der das Thema des heutigen zweiten Konferenztages mitbestimmte. So soll heute über das umstrittene Ordnungsrecht an den Hochschulen gesprochen werden, ferner über künftige Arbeitsgruppen, an der Mitglieder sämtlicher westdeutscher Akademien mitwirken, an der künftigen Prüfungsordnung, an der Klärung von Berufungsfragen sowie der Aufnahmeprinzipien.
Dies durchaus sinnvolle bisherige Ergebnis bildet einen merkwürdigen Kontrast zu den Vorgängen in der Akademie, den Schmierereien, bei denen es fraglich ist, ob sie im Sinne der Einsichtigeren unter den Studenten geschahen. Ein unangenehmer Nachgeschmack bleibt, da kein einleuchtender Zusammenhang zwischen den Schmierereien und den durchaus diskutierbaren Forderungen der Studenten besteht.
Diesen unguten Nachgeschmack kann auch die Erinnerung an kleine Kuriositäten nicht tilgen, an den Eifer etwa, mit dem sich einige Studenten die Hände rot beschmierten, um auch in den Verdacht zu kommen, an den Schmierereien beteiligt gewesen zu sein, bei allem Solidaritätseifer dann aber von der Polizei dann doch nicht als mögliche „Täter“ akzeptiert wurden. Die kleinen Revolutionen in der Nürnberger Akademie am Schmausenbuck hatten bislang immer einen gewissen mediokren Zug.
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