Kleeblatt-Vorsänger Dominik Weiß: Der Aufstieg am Liveticker
28.05.2021, 06:00 Uhr
Natürlich war Dominik Weiß am Sonntagnachmittag am Ronhof. Dort, wo er als kleiner Junge schon Fußball geschaut und sich mit jedem Spiel ein bisschen mehr ins Kleeblatt verliebt hat. Wo er vor 14 Jahren mit einigen Freunden eine Fangruppe gegründet hat, deren Name inzwischen wohl jedem, der es mit der Spielvereinigung hält, ein Begriff ist: die Horidos.
Mit diesen Freunden und vielen langjährigen Weggefährten stand er am Sonntag hinter der Haupttribüne. Von ihrer Heimat, dem Block 12 auf der Nordtribüne, trennten sie nur wenige Meter - und doch waren sie so weit weg. Beim größten Spiel der jüngeren Vereinsgeschichte durften sie alle nicht dabei sein, stattdessen schauten sie durch einen meterhohen Zaun auf weiß-grün bemalten Beton – und auf ihre Smartphones, wo jeder Zweite den Liveticker immer wieder aktualisierte.
Stadionbesuch ohne Stadion
Auf dem Rasen wogte das Spiel hin und her wie ein Schiff in stürmischer See, auch die Stimmung vor dem Ronhof, wo sich mehrere Hundert Menschen versammelt hatten, um ihrem Verein irgendwie nahe zu sein, wechselte zwischen Wut, Enttäuschung und unbändiger Freude.
Immer wieder hallten Gesänge durch den Laubenweg, die Trommeln erklangen und weiß-grüne Fahnen wehten im Wind - ein bisschen fühlte es sich tatsächlich nach einem Stadionbesuch an. Nur eben ohne Stadionbesuch. Es war ein surreales Gefühl für einen Menschen wie Dominik Weiß, der sich der lautstarken Unterstützung des Kleeblatts verschrieben hat. Seit knapp zwölf Jahren ist er Vorsänger, bei den Heimspielen steht "Domi", wie ihn alle nennen, auf einem Podest vor dem Block 12, gibt den Takt vor, motiviert, schreit, singt – und mit ihm viele andere, die versuchen, das Kleeblatt zum Sieg zu treiben.
So haben sie das jahrelang gemacht, sind mit ihrer Mannschaft durch ganz Deutschland gereist, zuletzt am 8. März 2020 in den hohen Norden nach Kiel. Als Weiß damals, an einem Sonntagnachmittag, den Gästeblock des Holstein-Stadions verließ, da ahnte er noch nicht, dass es sein letzter Stadionbesuch für längere Zeit sein würde. Für den 31-Jährigen war die Nachricht, dass die Saison erst unterbrochen und dann ohne Zuschauer fortgesetzt werden würde, noch ein bisschen bitterer. Zehn Jahre lang war er bei jedem Spiel des Kleeblatts dabei. Auch in der vergangenen Saison lief es gut, Weiß war kurz davor, seine elfte komplette Spielzeit zu schaffen.
Doch dann kam Corona
Die ersten Geisterspiele im vergangenen Sommer verfolgte er noch am Radio, manchen Spieltag verbrachte er aber auch auf dem Fahrrad, weil er es nicht aushielt, getrennt zu sein von seinem Kleeblatt. "Ich habe mich zu dieser Zeit ein bisschen vom Fußball entfremdet", sagt Weiß.
Es gab ja genug Gründe, an der eigenen Liebe für diesen Sport zu zweifeln. Manche Vereine schienen schon nach ein paar Wochen ohne frisches Geld pleitezugehen, vielen konnte es nicht schnell genug weitergehen mit dem großen Geschäft – inmitten einer weltweiten Pandemie, die bis heute viele Opfer fordert.
Zur neuen Saison sah alles wieder ganz anders aus. Die Infektionszahlen gingen nach unten, den ersten Anpfiff dieser Aufstiegssaison erlebte Dominik Weiß sogar im Stadion. 3000 Menschen durften beim Heimspiel gegen den VfL Osnabrück dabei sein, "damals haben mich viele Kleeblattfans angesprochen, ob wir als Gruppe in den Ronhof kommen und supporten", erinnert er sich.
Erinnerungen an Osnabrück
Doch der 31-Jährige war einer von wenigen aus der aktiven Fanszene, der überhaupt im Stadion war – ausdrücklich privat als Kleeblattfan, nicht als Teil der Gruppe. Denn erst, wenn alle Beschränkungen fallen und sie wieder Schulter an Schulter im Block stehen können, werden die Horidos geschlossen auf die Ränge zurückkehren und organisiert unterstützen. Als Fan erinnert sich Weiß trotzdem gerne an das Spiel gegen Osnabrück, "der Moment, als zum ersten Mal wieder gesungen wurde, war sehr schön, die Stimmung an dem Tag war für die Umstände sehr gut".
Drei Wochen später gegen den HSV durfte er noch einmal dabei sein, dann blieben die Stadiontore wieder zu. Radtouren hat er keine mehr gemacht, stattdessen hat er die Spiele auch wieder in kleineren und größeren Gruppen geschaut - sofern das möglich war. "Da war endlich wieder dieses Gemeinschaftsgefühl da, man hat ein Bierchen getrunken, eine geraucht und einfach über Fußball gequatscht", sagt er. "Das hat mir auch gezeigt, dass Fußball zwar meine große Leidenschaft ist, mir aber ohne die Menschen, mit denen ich seit vielen Jahren ins Stadion gehe, sehr viel fehlen würde."
Dann aber kam ein monatelanger Lockdown, Treffen mit mehreren Personen waren untersagt. Also hat er die Spiele im Fernsehen verfolgt, allein, zu zweit oder zu dritt. Am Sonntag aber hätte es niemand zuhause ausgehalten. Als der Liveticker gegen 17.20 Uhr den Schlusspfiff in Kiel vermeldete, da wusste Dominik Weiß, dass sein Kleeblatt künftig in der ersten Bundesliga spielen wird. "Das waren Momente für die Ewigkeit", sagt er. "Auch wenn es nach 2012 jetzt schon der zweite Aufstieg war, den wir nicht im Stadion erleben durften."
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