Fahrbericht: MG ZS EV
19.2.2021, 20:30 UhrWie er aussieht: Beim Besuch chinesischer Automessen haben wir zuletzt oft gestaunt über den kreativen Wagemut der dort vertretenen Start-ups. Dem elektrischen MG ZS EV heftet nichts dergleichen an, er steckt im konservativen Anzug eines klassischen Kompakt-SUVs. Die MG-Muttergesellschaft SAIC Motor ist schließlich weder ein junges noch ein kleines Unternehmen, sondern immerhin der weltweit siebtgrößte Autohersteller. Seit 1988 besteht ein Joint Venture mit Volkswagen, gemeinsam versorgt man das Reich der Mitte mit den China-Versionen diverser VW- und Skoda-Modelle. Das mag erklären, weshalb uns der 4,31 Meter lange ZS EV in seiner zeitlosen Schlichtheit vage an den VW Tiguan I erinnert.
Wie er eingerichtet ist: Auch diversen Elementen im Innenraum ist die Herkunft aus dem VW-Regal anzusehen, was aber ja schließlich kein Schaden ist, ganz im Gegenteil. Über dem runden Drehregler für die Automatik-Fahrstufen hat MG drei Kippschalterchen für Fahrmodi (Normal, Energy, Sport), Rekuperation ("Kers") und Reichweitenanzeige ("Battery") platziert. Im Blickfeld des Fahrers liegen zwei Rundinstrumente; sie nehmen ein kleines Digitaldisplay in die Mitte, das die wichtigsten Fahrinformationen vom Energiefluss bis hin zum erlaubten Tempo liefert.
Premium sieht sicherlich anders aus, dennoch gibt es an der atmosphärischen Solidität im ZS überhaupt nichts auszusetzen. Als Defizit empfanden wir aber das betuliche Multimediasystem, das zwar serienmäßig Android Auto, Apple CarPlay und ein Navi bietet, aber ewig braucht, um in die Gänge zu kommen, hier hapert es ersichtlich an der Rechenleistung. Zudem will der 8-Zoll-Touchscreen recht nachdrücklich angetippt werden, um zu reagieren. Und wirklich genervt hat uns, dass es keine Temperaturanzeige gibt. Nach dem Dreh am entsprechenden Regler dauert es einen Moment, bis im Display eine diffuse Blau-bis-Rot-Skala auftaucht. Das hätten wir gern etwas genauer gehabt.
Eine induktive Lademöglichkeit fürs Smartphone ist nicht vorgesehen.
Wie viel Platz er hat: Hoch sitzt man im ZS, und ziemlich gravitätisch-aufrecht. Das erfordert etwas Gewöhnung, wird dann aber als durchaus angenehm empfunden. Der Zustieg in den Fond gelingt problemlos, die räumlichen Verhältnisse dort erweisen sich als überraschend kommod, das längere Verweilen auf dem bequemen Sitzmöbel werden auch Erwachsene gut aushalten. Leider geht dem Mittelplatz die Kopfstütze ab. In den Kofferraum passen 448 bis 1116 Liter, die Ladekabel rollen sich sauber unter einem doppelten Boden zusammen.
Nicht selbstverständlich für ein Elektroauto: Der ZS EV kann mit einem Fahrradträger ausgestattet werden, dem sich bis zu 75 Kilogramm aufbürden lassen.
Was ihn antreibt: Ein 105 kW/143 PS starker Elektromotor. Als Energiespeicher fungiert ein Lithium-Ionen-Akku mit einer eher durchschnittlichen Kapazität von 44,5 kWh. Um das einzuordnen: Der Mazda MX-30 bietet zwar nur 35,5 kW, der neue Opel Mokka-e aber 50 und der Kia e-Niro sogar bis zu 64 kWh.
Wie er sich fährt: Gravierende Schwächen sind dem ZS EV nicht zu attestieren. Ganz im Gegenteil: Nahezu geräuschlos agiert er, das unmittelbar anliegende Drehmoment von 353 Newtonmeter verfehlt beim Ampelstart nicht seine Wirkung, das fördert ebenso die Freude am Fahren wie die ausgewogenen Fahreigenschaften sowie das tendenziell eher komfortabel abgestimmte Fahrwerk. Nur kurze Querfugen quittiert der MG mit etwas unmutigem Stuckern.
Der Spurt von 0 auf 100 km/h erfolgt in 8,2 Sekunden, bei 140 km/h setzt die Elektronik ein Stopp-Zeichen. Das ist verhältnismäßig früh, aber schnellere Fahrten wird der E-Auto-Fahrer aus Sorge um die Reichweite sowieso lieber sein lassen.
Rangiermanöver werden durch die leichtgängige Lenkung und eine Rückfahrkamera (Serie im "Luxury"-Modell) erleichtert.
Drei Rekuperationsstufen sind anzuwählen, auch die Intensität der stärksten reicht allerdings nicht ganz fürs "One-Pedal-Driving", das in der City weitgehend den Tritt aufs Bremspedal erspart.
Ausstattungsabhängig gewähren diverse elektronische Begleiter Unterstützung: Eine adaptive Geschwindigkeitsregelung beispielsweise, eine Stauassistenzfunktion, ein etwas übereifriger Spurhalteassistent und eine Verkehrszeichenerkennung, die ebenso gut funktioniert wie der Fernlichtassistent.
Wie weit er kommt: Für Schlittschuhläufer und Rodler war dies ein toller Winter, für Elektroautos nicht. Auch die Reichweite des MG ZS EV hat unter der unwirtlichen Kälte gelitten: Das WLTP-Versprechen von 263 Kilometern konnte er nicht erfüllen, bei vorausschauender Fahrweise und im Eco-Modus haben wir in etwa 215 bis 230 Kilometer geschafft. Gut gefallen hat uns, wie verlässlich die Prognose der Reichweitenanzeige ausfiel.
Wie er lädt: Wer sich schon einmal mit Rangierarbeiten an der Stromtanke abgeplagt hat, weiß es zu schätzen, wenn der Ladeanschluss an der Fahrzeugfront sitzt. Beim ZS befindet er sich unter einer mittig in den Kühlergrill integrierten Abdeckung, die auf leichten Druck reagiert und dann zuvorkommend hochfährt. Nicht Freund geworden sind wir mit den labberigen Gummihäubchen, die sich der Ladebuchse nur schwer aufdrücken ließen und die uns immer irgendwie zwischen die Finger gerieten.
An der Wechselstrom-Wallbox beziehungsweise -Ladestation zieht der ZS EV maximal 6,6 kW, allerdings nur einphasig, der Ladevorgang nimmt somit 7,1 Stunden in Anspruch. DC-Schnellladen (CCS) funktioniert reputierlich bis 85 kW, binnen 45 Minuten ist der Akku zu 80 Prozent gesättigt.
Im Testwagen finden wir den Hinweis, dass sich der Ladevorgang nur bei abgeschlossenem Fahrzeug starten lässt. Die Information erspart Frust, planmäßig beginnt der Strom zu fließen, erwartungsfall spähen wir durchs Seitenfenster. Leider sagt uns das Display aber nicht, wann der Akku voll aufgeladen sein wird. Nur der aktuelle Ladestand und die Reichweite werden angezeigt. Ein Manko – wir hätten schon gern gewusst, wann wir den ZS wieder von der Ladestation abholen können.
Was er verbraucht: Die Werksangabe nennt 18,6 kWh. Wir verzeichneten einen Schnitt von 21,3 kWh.
Was er bietet: Bei der Ausstattung knausert MG nicht. Das Basismodell "Comfort" bekommt unter anderem 16-Zoll-Alufelgen mit, außerdem Notbremsassistent, Auffahrwarnung, Abstandstempomat mit Staufolgefunktion (MG Pilot), Fernlicht- und Spurhalteassistent, Verkehrszeichenerkennung sowie Multimedia-Navi samt Bluetooth und Apple CarPlay/Android Auto. Dem "Luxury"-Modell spendiert man obendrein beheizbare Kunstledersitze, Panorama-Schiebedach, Rückfahrkamera, Totwinkelwarner sowie eine rückwärtige Querverkehrswarnung. Immer zum Lieferumfang gehören das Ladekabel für die Schuko-Steckdose sowie ein weiteres für die Wallbox bzw. öffentliche Ladestation.
Was er kostet: Als "Comfort" ab 31.990 Euro, als "Luxury" ab 33.990 Euro. Abzugsfähig ist der Umweltbonus in Höhe von 9570 Euro brutto. Die offizielle Markteinführung hat noch nicht stattgefunden, bestellen lässt sich der MG ZS EV aber bereits. Händler sind im Internet gelistet. Die Lieferzeit soll weniger als vier Wochen betragen.
Was wir meinen: Der MG ZS EV ist ein solides Elektroauto, das sehr ordentliche Fahreigenschaften, gute räumliche Verhältnisse und viel Ausstattung zu einem günstigen Preis bietet. Die nicht allzu üppige Reichweite weist dem Kompakt-SUV einen Platz unter den Stadt-Stromern zu. Hinwegsehen muss der Käufer über die Schwächen des Multimediasystems. Vorbehalte in puncto Sicherheit sind dagegen nicht angebracht: Im Euro-NCAP-Crashtest hat der Stromer die Fünf-Sterne-Höchstwertung erzielt. Und auf die Antriebsbatterie gibt es sieben Jahre oder 150.000 Kilometer Garantie.
Neben dem rein elektrischen ZS EV bietet MG in Deutschland auch den Plug-in-Hybriden MG EHS an.
Ulla Ellmer
Die Daten des MG ZS EV
Leistung 105 kW/143 PS, Drehmoment 353 Nm, Batterietyp Lithium-Ionen, Kapazität 44,5 kW/h. Ladeanschluss Typ 2 (bis 6,6 kW) und CCS (bis 85 kW). Spitze 140 km/h, Beschleunigung 0 auf 100 km/h in 8,2 sec. Reichweite WLTP 263 km. Normverbrauch 18,6 kWh/100 km, Testverbrauch 21,3 kWh/100 km. CO2-Emission 0 g/km, Schadstoffklasse Elektrofahrzeug, Energie-Effizienzklasse A+. Länge 4,31 m, Breite 1,81 m, Höhe 1,64 m, Kofferraum 448 - 1116 l. Leergewicht 1491 kg, zulässiges Gesamtgewicht 1966 kg. Automatik, Frontantrieb. Preis ab 31.990 Euro.